Tichys Einblick
Wir arbeiten. Andere kassieren

Wie verlottert ist die Politik? Der hart arbeitende Bürger staunt und ärgert sich

CDU-Abgeordnete und ihre Freunde verdienen an Masken. Grüne und rote Bonzen müssen zigtausende Euro nachmelden. SPD-Giffey tritt zurück – erhält ein "Überbrückungsgeld", bis sie wohl Bürgermeisterin von Berlin wird. Was in anständigeren Zeiten eine politische Karriere sicher beendete, ist heute gerade mal ihr Anfang.

IMAGO / photothek

Ein Grüner Bonze müsste man sein. Moralprediger Özdemir (der mit den Bonusmeilen, siehe Wikipedia) hat wohl 20.000 Euro Nebeneinkünfte anzugeben »vergessen« (so bild.de, 20.5.2021). Herr Özdemir wirkt für manche wie einer der aggressivsten Schreihälse gegen die Opposition im Bundestag (Grüne sind doch nicht wirklich Opposition, sie sind »Partei des kalten merkelschen Herzens«, das ist etwas ganz anderes als »Opposition«). In der primitiven Linken gilt vulgäre Lautstärke als Argument, und insofern erscheint Özdemir denen als »argumentstark« – und damit wohl auch »moralisch«.

(Notiz: Wer unter Linken auch nur den Anschein echter Intellektualität erweckt, siehe Wagenknecht, der gilt denen schnell als »rechts« – und damit übler als der Leibhaftige selbst. Die Anti-Intellektualität der »neuen Linken«, dieses nervöse Misstrauen gegenüber Menschen, die Bücher nicht nur schreiben (lassen) und kaufen, sondern auch lesen, es verdient zumindest Erwähnung; siehe etwa tagesspiegel.de, 26.10.2021: »Die rechte Liebe zur Literatur«. Wer Lautstärke und schnippische Sprüche »überzeugend« findet, weil sie seinem Gefühl nach den Gegner »zerstören«, der zieht wenig Nutzen aus Argumenten, die sich über viele Kapitel lang auf Buchlänge ziehen, wenn nicht sogar über ein Lebenswerk oder gar Denktraditionen hinweg.)

Grüner Bonze zu sein, das ist nett – Grüne Bonzin zu sein, das ist noch netter. Özdemirs Parteikollegin (wie auch die milliardenschwere Wahlkampftruppe der Grünen, namentlich der deutsche Staatsfunk, stolz dokumentiert: tagesschau.de, 20.4.2021), auch diese Grüne Bonzin kassierte viel Geld, das sie zu melden »vergaß« – es geht um noch mehr als bei Özdemir, und auch um steuerfreie Sonderboni (vergleiche etwa focus.de, 21.5.2021).

Man möge mir erklären, wofür diese Unqualifizierten und intellektuell eher Unbedarften so viel Geld kassieren, wenn nicht für die erstaunliche Fähigkeit, auf Knopfdruck ohne Realitätsbezug zu reden ohne vom eigenen Gewissen in Flammen gesetzt zu werden?

Absichtlich unbegabt

Wenn ich eine Ad-Hoc-Verschwörungstheorie skizzieren dürfte: Es wird kein Zufall sein, dass »gewisse Mächte« zuverlässig rhetorisch komplett unfähige Personen an die Macht hieven – Ein rhetorisch begabter Mensch könnte sich gerade im Zeitalter von Online-Video auf die Seite des Volkes stellen und jenen »spannenden« Mächten in die Quere kommen; deshalb wird der letzte unbezweifelt demokratisch gewählte US-Präsident, Donald J. Trump, weiterhin von den Sozialen Medien gesperrt, während man Iranischen Mullahs und Chinesischer Propaganda gern und willig eine Plattform bietet – auf Netzwerken wohlgemerkt, die in diesen Ländern verboten sind; siehe Wikipedia zu Facebook/ zu Twitter.

Der »Idealfall« wäre vielleicht für gewisse Kräfte, eine rhetorisch befähigte Person zu finden, die zugleich gewissensbefreit ist und sich zuverlässig steuern lässt (und wer eine »große Klappe« hat, wird früher oder später recht unzweideutig »angefragt« werden). Es ist aber vermutlich realistischer und praktikabler, durch die Bank (und durch Füllen von Bankkonten) unterdurchschnittliches Personal aufzustellen (das in der realen Welt vielleicht gerade so in der Pommesbude aushelfen dürfte), und dann zu steuern, wer davon gerade vor die großen Kameras gestellt und (nach viel Photoshop-Bearbeitung) auf die Titelblätter gehoben wird.

Kein Witz, aber witzig

Darf ich zwischendurch einen Witz versuchen? Ja? Okay, here goes nothing: »Es ist logisch, dass das Studium der sogenannten »Völkerrechtlerin« Baerbock so kurz war! Grüne glauben weder an Volk noch an Recht.«

Falls Sie obigen Witz nicht witzig fanden, hier etwas wirklich Fast-Schon-Witziges: Stellen Sie sich mal Baerbock im offenen Zwist auf der Weltbühne in harten Verhandlungen mit Putin oder Xi Ping vor. – Das ist jetzt mal wirklich »lustig«, oder?

Doppelgute Doppelaufgabe

Die Meldungen von den »vergessenen« Zigtausendern der Grünen Bonzen, sie sind nicht der einzige Tauchsieder, der den Anstand der Gewissensgeplagten heute zum Kochen bringen könnte.

Da wären die verschiedenen Meldungen vom Giffey-Pärchen. Das Familienministerium ist de facto das inoffizielle deutsche Propagandaministerium (vergleiche etwa bereits meine Essays vom 2.7.2016, vom 11.1.2017 oder vom 25.01.2018), und die Gestalten, die an dessen Spitze gehoben werden, sie sind entsprechend regelmäßig mit, äh, interessanten ethischen Werten ausgestattet.

Die letzte der Familienministerinnen war eine Frau Dr. Giffey, die sich nicht mehr »Dr.« nennen sollte, und sie ist jetzt zurückgetreten (vom »Übergangsgeld« reden wir lieber nicht, es ist erheblich; siehe bild.de, 20.5.2021), offiziell wegen ihrer Doktorarbeit – ein Fake, wie so vieles bei diesen Gestalten. Tatsächlich tritt sie wohl auch zurück, um sich auf den Wahlkampf zur regierenden Bürgermeisterin von Berlin zu fokussieren.

Der deutsche Staatsfunk jubelt die Promotionsbetrügerin Giffey bereits wieder hoch: »Franziska Giffey galt als Hoffnungsträgerin der SPD: bodenständig, bürgernah, mitreißend.«, »Giffey kann sich jetzt auf den Wahlkampf in Berlin konzentrieren, und es könnte eine Chance sein – für sie und die SPD in Berlin.« (tagesschau.de, 19.5.2021)

Ob Baerbock oder Giffey: Was in anständigeren Zeiten eine politische Karriere sicher beendete, ist heute gerade mal ihr Anfang.

Ja, Frau Giffey ist genau die Kandidatin, die an die Spitze der SPD-SED-Grünen-Regierung in Berlin gehört. Es ist wohl überhaupt ein interessantes Pärchen, diese Giffeys – ihr werter Gatte verlor seinen Job wegen Arbeitszeit-Betrug als Veterinär beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (businessinsider.de, 21.5.2021: »[Karsten] Giffey betrog nach Ansicht der Richter systematisch und mit Vorsatz«).

Und wer wird neue Chefin (es sind ja zuletzt immer Damen) an der Spitze des De-Facto-Propagandaministeriums? Nun, man kann Merkel vieles vorwerfen, aber gewiss nicht ein Zaudern bei einem großen Vorhaben der DDR-isierung Deutschlands. Frau Lambrecht, Chefin des Justizministeriums, das zuletzt die Aura eines De-Facto-Zensurministeriums annimmt, übernimmt als Doppelaufgabe auch noch das De-Facto-Propagandaministerium (bmfsfj.de, 20.5.2021).

Konsequenzen (zwei Arten)

Wenn Ihnen an dieser Stelle danach sein sollte, den Max Liebermann zu zitieren, der »gar nicht so viel fressen« konnte, wie er, äh, sagen wir mal: sich wieder durch den Kopf gehen lassen wollte, dann versichere ich Ihnen, dass es nicht nur Ihnen so geht.

Und nun?

Wut ist nicht genug! Es ist ratsam, Konsequenzen zu ziehen. Einmal innere und logische Konsequenzen, einmal äußere und praktische.

Eine innere und logische Konsequenz besteht heute darin, vor sich selbst zuzugeben, dass Deutschland zwar noch immer aus alter Kraft und Klugheit schöpft, aber von Gestalten regiert wird, für die der Vergleich mit dem Personal einer Bananenrepublik eine Beleidigung der Bananen wäre. Wenn in einer Bananenrepublik so getrieben würde, was in Berlin getrieben wird, dann würden die Bananen vor Scham erröten.

Deutschland wird regiert – und wird wohl bis zum wimmernden Ende weiterhin regiert werden – von Gestalten, die man als anständiger Mensch nicht einmal in seinem weiteren Bekanntenkreis wissen möchte. Es fühlt sich an, wie wenn man sich selbst eine schlimme Krankheit eingestehen muss: Deutschlands politisches Personal – zumindest das mit Machtperspektive – gehört zum guten Teil zu denen, die wir »schlecht«, »unmoralisch« oder »verkommen« zu nennen gelernt haben – und nichts, was die sagen, hat moralisches Gewicht.

Hat man erst diese innere und logische Konsequenz gezogen, könnte man in eine tiefe Traurigkeit verfallen. Ich kann mir sogar sehr gut vorstellen, dass die Lähmung, wenn sie nicht explizit von der Ex-FDJ-Sekretärin direkt gewünscht und gefördert wird, sie diese doch gern zur Sicherung ihrer Macht nutzt. Würden wir aber eine Tatsache leugnen – und der Zustand unserer Seele ist uns eine Tatsache – nur weil sie von den Mächtigen aktiv herbeigeführt und diesen nützlich ist? Gerade diese Tatsachen sind es doch, die wir ehrlich und präzise benennen müssen!

Oh, oh!

Wer einmal in den Abgrund lähmender Traurigkeit zu fallen droht, wer schon mit einem Fuß auf der Kante steht, und diese Kante unter ihm bereits zu bröckeln beginnt, dem sei zu wünschen, dass er noch die Kraft sammeln kann, den Fuß zurückzuziehen und einen anderen Schritt zu tun.

Seid doch nicht wie einer, der am Abgrund steht, und immerzu ruft: »Oh, oh, welch gefährlicher Abgrund!«, doch nie einen Schritt vom Abgrund weg unternimmt.

Wenn du vorm Abgrund stehst, dann blick doch nicht hinein bis er, natürlich nach Nietzsche, in dich zurück blickt! Wenn du vorm Abgrund stehst – und wie sonst soll man die Bande in Berlin nennen als einen Abgrund? – dann wende dich vom Abgrund ab und plane einen anderen, einen neuen, einen klügeren Weg.

Ich rufe mich selbst wie jeden einzelnen von uns dazu auf, die Zeit und Aufmerksamkeit wirklich streng zu limitieren, die wir fürs Sich-drüber-Aufregen aufwenden!

Möbel und eine Din-A-4-Seite

Ja, sei wütend über deren Verkommenheit, doch lass deine Wut ein Ende finden, bevor sie zu deinem Ende wird, und dann ordne, was dir gehört, wofür du verantwortlich bist. Stell die Möbel in deinem Wohnzimmer neu auf oder topfe deine Topfpflanzen um! Rede mit deinem Kind über seine Hobbys – ist es vielleicht an der Zeit für eine neue Sportart? Ordne deine Klamotten neu, gib das Ungetragene weg und lege dir vielleicht ein neues Hemd zu. (Ein politisch interessierter Freund baut zur Entspannung immerzu irgendwelche begehbaren Kleiderschränke aus und um, plant sie und misst den Raum aus, sägt und schraubt die Bretter – was für eine ausgezeichnete präventive Therapie! Der politische Irrsinn dieser Jahre hat den Damen seiner Familie nach meiner Schätzung etwa die Wohnfläche einer mittleren Studentenwohnung an begehbarem Klamottenstauraum beschert.)

Versuch doch mal, eine Woche lang deine Ernährung zu protokollieren und zu prüfen, was du in deinen Körper tust! Vielleicht solltest auch du eine neue Sportart ausprobieren? (Oder das alte Fitnessrad entstauben, gegebenenfalls vom darauf gelagerten Klamottenberg befreien, und neu in Betrieb nehmen?)

Was würde dabei herauskommen, wenn du versuchen würdest, deine Lebensphilosophie handgeschrieben auf einer Din-A-4-Seite zusammenzufassen?

Linke fürchten Nicht-Linke auch deshalb, weil wir angeblich so viele kluge Bücher lesen — das ist mal ein Vorurteil, das wir fleißig bestätigen sollten!

Es ist, wie es ist. Deutschland wird regiert von Leuten, die man in der Wirtschaft wegen mangelnder moralischer Eignung rauswerfen würde – ganz zu schweigen von der mangelnden Irgendwas-Qualifikation mancher Möchtegern-Völkerrechtler, Staatsexamen-Versager und Fake-Doktoren.

Unser Leben geht aber weiter, dennoch und derweil. Ich mahne (nicht nur) mich selbst: Akzeptiere, dass es ist, wie es ist. Wisse, was deine Kreise sind, deine relevanten Strukturen. Tritt vom Abgrund zurück, und: Ordne deine Kreise!


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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