Tichys Einblick
Israel am Pranger

Parteilichkeit von Politik und Medien nähren Israel-Feindseligkeit

Wer deutsche Medien verfolgt, kann schwerlich Israels Politik und Kriegsführung nachvollziehen – umso mehr erfährt die Öffentlichkeit über das Leid der Palästinenser. Zumindest von Verbündeten und Freunden Israels würde man eine andere Wahrnehmung erwarten.

picture alliance / ROPI | WAFA

Es ist ein herzzerreißender Bericht aus dem Krankenhaus in Kairo. Hier sind kleine Kinder aus dem Gaza-Streifen untergebracht, verletzt oder verstümmelt von Bomben und Schüssen, unschuldige Opfer eines grausamen Krieges. In der ausführlichen Radio-Reportage der ARD-Korrespondentin in Kairo, Anna Osius, lernt der Hörer einen dreijährigen Jungen kennen, dem beide Beine abgerissen wurden, hört über Babys, deren gesamte Verwandtschaft bei Kämpfen und israelischen Angriffen getötet wurden.

Wohl nichts an dem Beitrag, der bei fast allen ARD-Sendern mindestens einmal ausgestrahlt wurde, ist falsch. Die Fakten stimmen, an dem schrecklichen Schicksal der Kinder kann es keinen Zweifel geben. Und dennoch fügt sich der Bericht ein in eine Berichterstattung über den Gaza-Krieg, der letztendlich zu emotional, zu einseitig und stark Israel-feindlich ist.

Parteilichkeit gegen Israel weltweit

Das gilt keineswegs nur für Deutschland; fast überall in der Welt steht Israel am Pranger, wird vielfach des Völkermords, der Kriegsverbrechen oder zumindest der Maßlosigkeit und Verletzung der Verhältnismäßigkeit im Krieg gegen die Hamas beschuldigt, so kürzlich ein Kommentar im Hessischen Rundfunk. Immer wieder wird die Zahl von mehr als 30.000 toten Palästinensern genannt – sehr selten wird darauf verwiesen, dass ein Großteil der Toten Kämpfer der Hamas waren. Vage wird von „überwiegend zivilen Opfern“ gesprochen. So behauptet es die Hamas – erhebliche Zweifel daran scheinen berechtigt.

Die ARD-Sender – wie die meisten Medien – verwenden Hamas-Angaben ohne viel Bedenken. Dabei können sie sich tatsächlich auf die Vereinten Nationen berufen, die gleichfalls Zahlen und Angaben der Terrororganisation häufig absegnet. Auch in deutschen Redaktionen sollte bekannt sein, dass sich die UN schon sehr lange, fast schon kann man von einer Tradition sprechen, als einer der heftigsten Kritiker Israels und großer Freund der Palästinenserorganisationen erwiesen hat.

Verweis auf den 7. Oktober oft nur ein Feigenblatt

Fast sechs Monate nach Kriegsbeginn lesen sich die Nachrichten häufig wie endlose Anklagen gegen die Regierung Israels. In den meisten Berichten wird zwar sachlich auf den Auslöser des israelischen Waffengangs hingewiesen, wird auf das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 mit fast 1.300 Toten und der Entführung von mehr als 200 Menschen hingewiesen.

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Oft genug wirkt der Hinweis auf den Hintergrund und das Recht Israels zur Verteidigung wie ein Feigenblatt für eine fast durchgehende Parteilichkeit, die den Führern der Hamas und den Mullahs in Teheran nur zu gut gefallen würde.

Nicht nur in den Medien, auch in den Hauptstädten der freien Welt, ist in diesen Tagen der Aufschrei über Israels Kriegsführung besonders laut. Schließlich musste Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstag auch einen „schweren Fehler“ eingestehen, nachdem sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen bei einem „unbeabsichtigten Angriff“ (Netanjahu) getötet worden waren. Eine Tragödie, schließlich hatte die Hilfsorganisation die Fahrt auch noch mit den israelischen Militärs abgestimmt – und dennoch tötete ein israelisches Geschoss die Helfer aus verschiedenen Ländern.

Außenministerin Annalena Baerbock forderte die rasche Aufklärung dieses „schrecklichen Vorfalls“. Der britische Premierminister Rishi Sunak sprach von einer „zunehmend unerträglichen“ Situation im Gazastreifen.

Nichts kann den Schrecken des Krieges beseitigen

Kriege sind immer etwas Entsetzliches. Auch in einem gerechtfertigten Krieg, den Israel beansprucht, sogar höchstmöglich human führen zu wollen, gibt es viele unschuldige Opfer, gleich ob das Zivilisten, Kinder, Ärzte oder Helfer sind. Die Vorstellung, die Hamas in diesem extrem asymmetrischen Krieg besiegen zu können, in dem die israelischen Militärs vorgehen wie bei einer Polizeiaktion gegen Terroristen, ist unrealistisch und naiv.

Die Hamas hat Zehntausende ausgebildeter, bis an die Zähne modern bewaffnete Kämpfer. Sie benutzen Wohnviertel, Kindergärten, Schulen und Hospitäler als Basen und Unterschlupf; die gesamte Zivilbevölkerung dient als Schutzschild in diesem dreckigen Krieg, bei dem sich die Kämpfer der Terrororganisation gerne mit Kindern und Frauen umgeben, um dann gegebenfalls die unschuldigen Opfer des Krieges zu präsentieren – und natürlich Israel verantwortlich zu machen.

„Israelis attackieren Krankenhäuser“

In den vergangenen Tagen wurde immer wieder über die israelischen Militäraktionen gegen das Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt berichtet – wobei nur selten auf die Anwesenheit von Hunderten von Hamas-Kämpfern in dem Hospital verwiesen wurde, die sich dort sicher wähnten.

Natürlich verurteilte die Weltgesundheitsorganisation die Angriffe Israels scharf. Inzwischen sei die größte medizinische Einrichtung des Gaza-Streifens völlig zerstört, hieß es. So schrecklich Kämpfe und Zerstörung eines Krankenhauses sind – wer anders als die Hamas trägt letztendlich die wirkliche Verantwortung für das Desaster für diese Klinik?

Israel tötet Generäle der Al-Kuds-Brigaden

Heftig kritisiert wurde Israel auch wegen eines Angriffs am Montag auf die iranische Botschaft in Damaskus. Zwei Generäle und fünf Offiziere der iranischen Revolutionsgarden sowie sechs Syrer wurden bei der Drohnenattacke auf die iranische Vertretung in Syriens Hauptstadt getötet.

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Einer der Getöteten, Mohammed Resa Sahedi, galt als Chef der Al-Kuds-Brigaden, der Eliteeinheit der Revolutionsgarden, die vor allem im Ausland eingesetzt wird. Israel schaltete damit teilweise die Führung jener iranischen Kampforganisation aus, die aus Sicht Jerusalems für die Angriffe der Hisbollah aus dem Libanon und aus Syrien auf Israel, aber auch für zahlreiche islamistische Terroranschläge auf israelische und jüdische Ziele in aller Welt verantwortlich sind.

Es kann keinen Zweifel geben, dass der Angriff auf eine Botschaft eine Verletzung internationalen Rechts ist. Die „Weltwoche“ zitierte zu Recht den Paragrafen 13 des Völkerstrafgesetzbuches, der „jede Art von Angriffshandlung gegen die Souveränität oder die territoriale Unversehrtheit eines Staates“ mit lebenslanger Haft bedroht.

Israel kämpft immer um seine Existenz

Zumindest die Freunde Israels werden darauf verweisen, dass sich Israel seit Jahrzehnten in einem erbittert geführten Existenzkampf gegen islamistische und radikal-palästinensische Organisationen befindet. Was wohl alle Kämpfer gegen den jüdischen Staat auszeichnet, ist ihre konsequente, völlige Missachtung jeglicher internationaler Rechte sowie aller Menschenrechte.

Israel wehrt sich mit gezielten Schlägen gegen die Drahtzieher des Terrorismus, versucht auch mit blutigen Anschlägen, den Bau einer iranischen Atombombe zu verhindern. Schließlich lassen die Gotteskrieger in Teheran und im Gaza-Streifen nicht den geringsten Zweifel an ihrem Willen, Israel von der Landkarte zu tilgen.

Die faktische Einseitigkeit der Israel-Berichterstattung lässt sich besonders gut an den Webseiten der ARD erkennen. Wer bei der Tagesschau oder bei regionalen ARD-Sendern die Nahost-Seiten im Web aufruft, bekommt eine lange Liste von Meldungen und Berichten, die fast alle in erster Linie Vorwürfe gegen Israel zum Inhalt haben.

Die meisten Israelis zweifeln nicht am Sinn des Krieges

Auch die intensive Berichterstattung über Demonstrationen zur Freilassung der Geiseln in Israel belegt die Sympathien der Redaktionen für alle, die gegen Netanjahu sind. In der Tat lehnen sehr viele Israelis den Likud-Führer ab; auch ist die Forderung der Angehörigen der Geiseln mehr als verständlich, dass die Regierung alles für deren Freilassung tun sollte, selbst wenn dabei die Hamas nicht vollständig besiegt wären.

Fakt ist aber auch, dass noch sehr viele Israelis die Politik Netanjahus unterstützen. Laut einer Umfrage der Tageszeitung „Israel Hayom“ vor einigen Wochen meinten knapp 45 Prozent der Befragten, der Sieg gegen die Hamas sei wichtiger als die Freilassung der Geiseln. Fast 47 Prozent gaben zwar der Freilassung der Geiseln als Kriegsziel den Vorrang – allerdings war insgesamt eine große Mehrheit dagegen, auf die Bedingungen der Hamas einzugehen.

Die grauenhaften Ereignisse vom 7. Oktober haben Israel durchaus geeint, es gibt auch heute noch massive Unterstützung des Waffengangs im Gaza-Streifen. Den Israelis ist bewusst, dass die Hamas höchstens einen Teil der Geiseln freilassen würde, wenn Hunderte von palästinensischen Gefangenen, darunter Mörder und Terroristen, frei kämen. In der Berichterstattung der meisten Medien in der Welt wird nur sehr selten erwähnt, dass Netanjahu bei der Freilassung aller Geiseln zu einem lang währenden Waffenstillstand bereit wäre.

Kritik an Netanjahu wächst

Inzwischen ist die Kritik an Netanjahu größer geworden – in deutschen Medien werden aber in der Regel selten die Argumente Netanjahus und seiner Regierung ausgeführt. Sehr oft dagegen wird suggeriert, der Likud-Chef führe den Krieg vor allem deshalb weiter, um seine eigene Haut politisch zu retten, wie es auch jetzt in dem Kommentar des Hessischen Rundfunks hieß.

Zuweilen sorgt man sich im Westen auch um die Pressefreiheit in Israel, immerhin der einzigen Demokratie im gesamten Nahen Osten. Israels Parlament hatte vergangene Woche das sogenannte „Al-Dschasira-Gesetz“ gebilligt. Demzufolge können ausländische TV-Sender geschlossen werden, weil diese als „Risiko für die Staatssicherheit“ eingestuft werden.

Pressefreiheit in Israel bedroht?

Gaza-Krieg
Israel evakuiert Waisenkinder aus dem Gazastreifen
Israel will nun den arabischen Sender mit Sitz in Katar schließen, zudem den Sender aus dem Programm der Anbieter von Kabel- und Satellitenfernsehen entfernen und seine Internetseite blockieren. Katar selbst gilt als einer der wichtigsten finanziellen Unterstützer der Hamas. Einige der Führer der Terrororganisation leben in Doha, Katars Hauptstadt.

Kaum ein Sender berichtet derzeit so intensiv über die Lage und das Elend im Gaza-Streifen wie Al Jazeera; allerdings verbreitet der Sender auch Videos der Kassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas, in denen erfolgreiche Angriffe auf israelische Soldaten gezeigt werden.

Das Weiße Haus zeigte sich angesichts des neuen israelischen Gesetzes „besorgt“ über eine mögliche Bedrohung der Pressefreiheit; auch ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, es nehme das neue Gesetz „mit Sorge“ zur Kenntnis.

Al Jazeera soll Hamas unterstützt haben

Der frühere schwedische Ministerpräsident Carl Bildt behauptete, Israel sei ein autoritärer Staat und das Gesetz belege nur, das es ein autoritäres Regime sei. Al Jazeera nannte die israelischen Vorwürfe der Voreingenommenheit „gefährliche, lächerliche Lügen“ und sprach von „hetzerischen Verleumdungen“ Netanjahus.

Israel wirft dem Sender aber keineswegs nur vor, „voreingenommen“ zu berichten und „Hetze gegen Israel“ zu betreiben, so wie es deutsche Medien, aber auch amerikanische Sender berichteten. Israelische Medien berichteten von Angaben des israelischen Geheimdienstes, Al Jazeera habe israelische Truppenstandorte an die Hamas weitergegeben. Zweitens habe der katarische Sender Presseausweise an Kämpfer der Hamas ausgestellt, aber auch Hamas-Mitglieder als Mitarbeiter beschäftigt.

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigungen, in deutschen Medien – insbesondere den öffentlich-rechtlichen Sendern – ist davon kaum ein Wort zu lesen.

Die getrübte Wahrnehmung des Nahost-Konflikts

Die Berichterstattung über einen Krieg ist für Medien immer sehr schwer. Schon weil es einerseits ein sehr ernstes, politisches Thema ist, das nach den Verantwortlichen, den Kriegszielen und der Kriegsführung fragt. Zum anderen ist es ein menschliches, emotionales Thema, bei dem die Menschen Schreckliches erleiden, bei dem viele sterben oder verletzt werden.

Eine saubere, faire Berichterstattung muss akkurat und ausgewogen sein, muss Geschichte und Hintergründe kennen und erkennbar machen, sollte im besten Fall den Lesern, Zuschauern und Hörern Orientierung geben, wie es um Moral und Gerechtigkeit in dem Konflikt steht. Wer deutsche Medien verfolgt, kann schwerlich Israels Politik und Kriegsführung nachvollziehen – umso mehr erfährt die Öffentlichkeit über das Leid der Palästinenser. Zumindest von Verbündeten und Freunden Israels würde man eine andere Wahrnehmung erwarten.

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