Tichys Einblick
Glosse

Nach dem Wahlsonntag wird Deutschland versteigert

Da es um Inhalte zwischen den in diverser Weise grünseienden Parteien nicht geht, wird die Regierungskoalition nach der Methode Sotheby's gefunden werden.

Symbolbild

IMAGO / Panthermedia

Kurz vor dem Wahlsonntag kommt doch noch Bewegung in den Wahlkampf, nicht etwa bei den Wahlaussagen, auch nicht bei den viel beschworenen Inhalten. Im Gegenteil, um so stärker sie beschworen werden, um so mehr fehlen sie, sonst müsste man sie ja nicht beschwören. Es ist auch nicht notwendig, für Inhalte zu stehen, es reicht wie im Mittelalter ein ausgestelltes Flagellantentum, wobei der vorgestellte Weltuntergang die Klimakatastrophe ist, die je nach bußpredigendem Politiker in unterschiedlich großem Ausmaß und unterschiedlich rasch über uns kommen wird. Mit anderen Worten: Das Dogma vom Klimaschutz vereinigt in großer Grünseligkeit alle Parteien bis auf die AfD. Aber da niemand mit ihr koalieren will, ist sie ohnehin von den Auktionen der Koalitionen ausgeschlossen.

Da es um Inhalte nicht geht, lohnt ein direkter Blick auf die Koalitionsspielchen der in diverser Weise grünseienden Parteien. 

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Gesetzt war bis jetzt die Möglichkeit einer Schwarz-grünen oder einer Schwarz-grün-gelben Koalition mit Armin Laschet als Frühstücksdirektor und Robert Habeck als Finanzminister. Dass Habeck von dem Ressort nichts versteht, stellt kein Hindernis dar, dafür hat er ja das Ministerium. Bei Heiko Maas und bei der Hotelfachfrau Anja Karlicek ging es ja auch. Fachwissen stört ohnehin nur bei der Umsetzung ideologischer Projekte. Obwohl das nicht für Annalena Baerbock gilt, denn als Außenministerin kann sie sicherlich auf Erfahrungen mit Stuhlkreisen verweisen, denn sie will Mediation „zum festen Bestandteil deutscher Außenpolitik“ machen. Wahrscheinlich stellt man sich bei den Grünen Verhandlungen mit China wie eine Genderdiskussion in der Ortsgruppe von Pattensen vor.

Doch mit dem Schwächeln der CDU spricht vieles für eine Rot-grün-gelbe-Koalition. Weder Baerbock, erst recht nicht Habeck, aber auch Olaf Scholz nicht, nur weiß man bei ihm nicht, ob er überhaupt in der SPD etwas zu sagen hat und nicht am Ende Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans oder Kevin Kühnert entscheiden, wollen eine Koalition mit der Linkspartei eingehen. In einer Rot-grün-gelben-Koalition könnten sie Dank des Schreckbildes des schwarzen oder in diesem Falle gelben Mannes radikalere Kräfte und Wünsche in ihren Parteien einfangen, im Regierungsbündnis mit den Linken in einer Rot-grün-roten Koalition würden die radikalen Kräfte ihrer Parteien plötzlich zu den gemäßigten. 

Zwischen Robert Habeck und Christian Lindner hat sich während der langen Zeit in der Maske vor den Talk Show Auftritten so etwas wie eine Last-minuit-Männerfreundschaft herausgebildet. Christian Lindner tritt für einen „ordnungspolitischen Rahmen“ beim Klimaschutz ein. Robert Habeck würde eine Koalition mit der FDP nicht an „Rhetorik“ scheitern lassen, denn als nichts anderes wertet er inzwischen zu recht die Einlassungen des FDP-Vorsitzenden. Lindners Satz: „Nein, wir brauchen einen Rahmen, den der Staat setzt. Daraus müssen sich die Klimaziele ergeben“, übersetzt Robert Habeck so: „Ordnungsrechtlicher Rahmen und Verbote sind das Gleiche.“ Und stellt klar: „Klimaschutz ist die existenzielle Aufgabe unserer Generation. Wir können keine Koalition eingehen, die nicht den Weg des Paris-Pfads beschreitet.“ Und da widerspricht auch der FDP-Vorsitzende nicht. Jedenfalls erschreckt Robert Habeck noch vor der Wahl die SPD ein wenig mit der hübschen Fopperei: „Aber die SPD war auch häufig Problembär, bei all den politischen Diskussionen für die Zukunft und gerade beim Klimaschutz.“ Jedenfalls wolle er bei der Koalitionsbildung, die selbstverständlich von den Grünen ausgeht, die CDU keinesfalls außen vorlassen. 

Wie kuschlig und handzahm eine CDU in einer Koalition mit den Grünen sein kann, kann man in Baden-Württemberg besichtigen, wo man ohnehin den Eindruck bekommt, als sei die CDU im Ländle nur ein weiterer Ortsverein der Grünen. Und da die Grünen in den Vorstellungen ihres Parteivorsitzenden als stärkste Partei aus der Wahl hervorgehen wird, kann Robert Habeck schon mal gelassen verkünden: „Wir reden mit allen und da, wo wir am meisten grüne Inhalte, und das ist eben am meisten Klimaschutz, umsetzen werden, da werden wir dann in die Regierung gehen.“

neu aussehen, aber alt sein
Lindner und Habeck: Bekommt, wer gelb wählt, grün?
Und wenn nicht, ändert das auch nichts, denn da die CDU/CSU schon überlegt, wie sie als zweitstärkste Kraft den Bundeskanzler stellen und die Regierung bilden kann, ginge das auch als drittstärkste Kraft für die Grünen. Auf diese Art könnten auch die Linken die Regierung bilden. So viel Diversität in der Regierungsbildung war noch nie. So wenig Demokratie übrigens auch noch nie, so lange man zumindest der Ansicht ist, dass  Demokratie von Alternativen lebt.

Auch Armin Laschet drängelt sich in die Koalitionsauktion mit einer Warnung an die FDP, ja als treuer Knappe bei CDU/CSU zu bleiben und sich nicht von grünen oder roten Sirenen verführen zu lassen: „Die FDP wäre in einer Ampel ständig vom Rauswurf bedroht – denn die Linken stünden sofort parat. Und Christian Lindner weiß, dass die Union ein verlässlicher Partner ist.“ 

Und Christian Lindner? Der genießt es, umworben zu werden, und sieht sich schon als Kanzlermacher. 

Klimaschutz und Kampf gegen rechts – regieren kann so einfach sein. 

Um Inhalte geht es nicht bei der Koalitionsbildung, sondern um Posten und Pöstchen. Das Koalitionskarussell dreht sich munter. Es ist wie bei einer Auktion. Wer hat noch nicht, wer will nochmal. Kurz bevor der Hammer fällt, drängt es jeden, noch ein Gebot abzugeben – beim Verramschen von Deutschland. 

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