Tichys Einblick
Nach der Bitte um Verzeihung:

Merkel zeigt keine tätige Reue – also heuchelt sie

Jetzt wird Merkel für ihre "Fehlerkultur" und ihre Bitte um Verzeihung bewundert. Doch diese Bitte ist nach christlichem Maßstab nicht viel wert, wenn ihr keine Taten folgen.

IMAGO / Stefan Zeitz

Gibt es eigentlich eine Steigerungsstufe von Verzweiflung, Entrüstung und Entsetzen? Wenn man dachte: Schlimmer geht nimmer – gestern wurde man eines Besseren belehrt und findet keine Worte. Besser: Heute, in den Kommentaren der sich selbst als Qualitätspresse bezeichnenden Medien. So spricht die einst investigativ-kritische und bekennend linke Süddeutsche Zeitung von einer „historischen Erklärung“ der Kanzlerin, im Focus spricht ein so genannter Krisenforscher von „genau den richtigen Worten“ und einem „richtig gesetzten Mea Culpa“, beispielhaft und selten für Politiker etc pp. Der Jubel kennt keine Grenzen, Anbetung und Verehrung erreichen schwindelerregende Höhepunkte.

Ja, es ist schwer, Fehler zuzugeben und um Verzeihung zu bitten. Im wahren Leben genauso wie im Paralleluniversum der Politik. Deshalb liegt Bild schon richtig: „Respekt, Kanzlerin!“ Mehr aber auch nicht. Denn unsere christlich-abendländisch geprägte Kultur kennt ja Gott sei Dank Verzeihen und Vergeben, Reue und Buße. Gerade der Karfreitag erinnert daran, dass Vergebung möglich ist — und zwar durch das Kreuz von Jesus Christus (falls es Bischöfe nicht gerade abgelegt haben, um dem Islam zu gefallen, der das nämlich nicht kennt).

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Und die Kanzlerin betont ja immer wieder, dass sie sich als Christ sieht und ihre Partei das „C“, also das christliche Menschenbild, verdeutlichen will. Und die Medien werden ja nicht müde, immer wieder von der „Pfarrerstochter“ zu schreiben (wobei es sich lohnt, mal die vorhandenen Beschreibungen ihres Elternhauses zu googeln und zu lesen). Und als solche ist sie nun zu beurteilen, von ihrem eigenen christlichen Anspruch aus: Was versteht die Bibel, die Grundurkunde des christlichen Glaubens, unter Vergebung? Darum geht es. Und da kommt man aus dem Staunen nicht raus. Das ist wirklich radikal!

Das Paradebeispiel ist die auch Nichtchristen bekannte Geschichte von Jesus Christus und dem Zöllner Zachäus, dem Mann auf dem Maulbeerbaum vor den Toren von Jericho. Der wollte Jesus sehen und hören. Und in dessen Haus kehrt Jesus dann quasi per Selbsteinladung ein. In das Haus eines Verbrechers, denn Zöllner waren sozusagen die Masken-Raffkes und Pharma-Lobbyisten der damaligen Zeit, korrupt und betrügerisch. Der Arzt Lukas hat diese für den christlichen Glauben zentrale Begebenheit aufgezeichnet (Lukasevangelium Kapitel 19).

Jesus hält keine Gardinenpredigt, er verkündet einfach das Evangelium, die gute Nachricht von Vergebung und Neuanfang. Und dann kommt der Schlüsselsatz der Geschichte: Der reuige Sünder Zachäus erklärt von sich aus, ohne dazu aufgefordert zu sein: „Siehe, Herr, die Hälfte meiner (durch Untreue und „Fehler“ erworbenen) Güter gebe ich den Armen, und wenn ich jemand betrogen habe, das gebe ich vielfältig wieder.“ Das heißt im Christentum „tätige Reue“. Nicht nur Worte, sondern Taten. Alles andere wäre ja, um es mit Dietrich Bonhoeffer zu sagen, billige Gnade.

Wenn also, und nun kommen wir von Zachäus zu Angela, diese dramatische und von den Medien wie ein siebtes Weltwunder hochgejubelte Bitte um Verzeihung wirklich ernst und wirklich christlich wäre (immerhin nennt sich die dezimierte Merkel-Partei ja C-DU und nicht Humanistische Union), dann müssten jetzt nach den Merkel-Worten die Zachäus-Taten folgen: Das Eingeständnis, monatelang auf falsche Berater gehört zu haben und diese sofort durch bessere zu ersetzen. Das Internet ist voll von diesen mundtot Gemachten! Wenn schon nicht der eigene Rücktritt (es geht ja nicht um Lappalien, sondern um die Zerstörung von Existenzen), dann doch wenigstens der des zuständigen Ministers. Sofortige Starthilfen für alle bisher Pleite gegangenen Gaststätten, Läden, Hotels usw zur Wiedereröffnung. Und die Wiedergutmachung aller (unnötigen) Kollateralschäden im psychischen, physischen und materiellen Bereich.

Für all die Verantwortlichen sollte es keine Oster-, sondern die ewige Ruhe geben, was ihre Amtsgeschäfte angeht. Denn, laut Merkels Bitte um Verzeihung, ist DAS ja unverzeihlich. Also: sofort rückgängig machen. Darin ist die Pfarrerstochter ja (sonst) unschlagbar.

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Denn es wird ja wohl nicht so sein, dass die Rücknahme der (zynisch ausgerufenen) Osterruhe plötzlich das Virus getötet hat. Es ist offenbar doch nicht so dramatisch, wie permanent beschworen wird, sonst wäre ja die Aussetzung der „Osterruhe“ und die erbetene Verzeihung völlig unlogisch und geradezu allgemeingefährlich. Entweder die „Osterruhe“ MUSSTE sein, oder es war vieles Schwindel, was uns Merkel und vor allem Söder(!) da dauernd auftischten, sekundiert von Kirchen und Medien.

Ja, die Kanzlerin hat auch meinen Respekt. So wenig ich diesen gestrigen Akt auch welthistorisch nenne, eher selbstverständlich. Es wäre an jeglicher Lebenserfahrung vorbei, wenn dahinter nicht (auch) die Marginalisierung der Union in den Umfragen und bei den letzten Wahlen steht, oder die Tatsache, dass vieles vor den Gerichten keinerlei Bestand mehr hat, wie zahlreiche Urteile zeigten. So schlicht ist das Leben.

Das Entscheidende nach einer Bitte um Vergebung ist der Neuanfang. Das und nichts anderes ist christlich. Zöllner Zachäus lässt grüßen, der ehemalige Gauner und plötzliche Wohltäter. Deshalb: uns Bürgern die völlige Freiheit zurückgeben, sozusagen ein Neuanfang des gegenseitigen Vertrauens. Und als Kanzlerin endlich im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, abgestimmt in geheimer Wahl. Wer das beides als Konsequenz seiner Reue nicht tut, hat vielleicht menschlich, ergreifend, ja sogar religiös dahergeredet, aber nicht die einzig logischen Taten folgen lassen. Und das nennt man, gut biblisch: Heuchelei.