Tichys Einblick
Fraktionsklausur der Grünen in Potsdam

Marsch in den totalitären Staat?

Mithilfe von Verboten, Geboten und Enteignungen wollen die Grünen den Staat verändern.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die Klausur der Bundestagsfraktion der Grünen in Potsdam lässt sich in einem einzigen Satz zusammenfassen: Man hat darüber nachgedacht, mit welchen Maßnahmen man die Freiheit in diesem Land verringern, stattdessen eine Verbots- und Gebotsdiktatur errichten und die Abschaffung der Nation weiter vorantreiben kann. Dass Grüne wie Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt in der Art, wie mittelalterliche Bußprediger die Menschen mit den erfundenen Schrecken der Hölle kujonierten, die halluzinierte Klimakatastrophe beschwören, belegt, wie sehr sie nicht nur Maß und Mitte verloren, sondern dass sie sich vollends von der Realität und von wissenschaftlichen Fakten verabschiedet haben. Die ständige Vordatierung der „größten ökonomischen und sozialen Katastrophe“ soll dabei eine Endzeitstimmung erzeugen, die den Grünen Zulauf und sie schließlich an die Macht bringen wird. Es geht den Grünen nicht um Weltrettung, sondern um Machtgewinn. Die Mechanismen, die bedient werden, sind dem Historiker vertraut.

Mit dem Schüren von Ängsten und von Hysterien wurden im Mittelalter mit enormer Gewalt Pogrome und in der frühen Neuzeit die großen Hexenverfolgungen entfesselt. Mit den nahenden „Kipppunkten“ (Göring-Eckardt) – übrigens kann es immer nur einen Kipppunkt geben, sonst wäre es keiner – hatte im ausgehenden Spätmittelalter der Fanatiker Girolamo Savonarola vor dem Zorn Gottes mit der Apokalypse wie heute die Grünen mit den „Auswirkungen der Klimakrise“, die wir „nicht mehr in den Griff bekommen“ werden, gedroht, und die Florentiner gezwungen, sich von Wohlstand und Kultur zu trennen. Um eine wirksame soziale Kontrolle zu gewährleisten, benutzte Savonarola eine Kinderarmee. Große Scharen von Kindern und Jugendliche zogen durch die Arnostadt und beschlagnahmten alles, was sie für verderblich hielten: Bücher, Gemälde, schöne Möbel, Schmuck, Spiegel, Kosmetika, edle Kleidung und Musikinstrumente, um das alles in einem „Fegefeuer der Eitelkeiten“ am 7. Februar 1498 auf der Piazza della Signoria in Flammen aufgehen zu lassen. Aus Angst vor der nahenden Katastrophe, die, wie Hofreiter formulieren würde „am Ende die Zivilisation als solches in Schwierigkeiten“ brächte und in die „größte … Katastrophe“ münden würde, beeilte sich sogar der große Maler Sandro Botticelli einige seiner Bilder in die Flammen zu werfen.

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Allerdings müssen Hofreiter und Göring-Eckardt beim Vordatieren innehalten, denn irgendwann erreichen sie den heutigen Tag, von da ab ginge es in die Vergangenheit. Wenn Anton Hofreiter in diesem Zusammenhang das „drohende Aussterben vieler Tier- und Pflanzarten beschwört“, vergisst er, seine persönliche Mitverantwortung dafür zu erwähnen, denn das DLR hat in einer Studie gezeigt, dass die von den Grünen propagierten und geförderten Windparks zum Risiko für die „Stabilität der Fluginsektenpopulation“ geworden sind und damit „den Artenschutz und die Nahrungskette beeinflussen können.“ Die Studie kommt zu dem Schluss, dass im Jahr rund 1.200 Milliarden Fluginsekten „beim Durchfliegen der Rotoren von Windparks … getroffen werden.“ Wollte Göring-Eckhardt nicht Politik für die Bienen machen, deren Bestand durch die Windparks gefährdet wird, und für die Vögel auch?

Die grünen Vor-Datierungen des Klimaweltendes haben jedoch ein anderes Datum im Blick. Dass Göring-Eckardt kurz vor der EU-Wahl den Bürgern noch eine Aussicht auf das Erlangen des Seelenheils und der Abwendung der Katastrophe gewährt, stellt eine von vielen neuen Klimagläubigen nicht mehr bemerkte grobe Banalität dar. Denn die Botschaft lautet: das einzige Mittel, sich vor Hölle und Klimakatastrophe zu retten, besteht darin, zur EU-Wahl die Grünen zu wählen. Großzügig gewährt die Fast-Theologin Ablass.

Ein Blick auf die Ökobilanzen, auf noch freiwillige Bußabgaben für Flugreisen zeigt, dass die neue Klimakirche an einem Ablaßkatalog bastelt, der für alle Klimasünden Ablässe vorsieht, wie sie die mittelalterliche Kurie nicht besser erfinden konnte. Wenn die EKD diesen Weg an der Seite der Grünen weitergeht, fällt sie in die Zeit vor Luther zurück, dann wäre sie nicht mehr protestantische Kirche, sondern nur noch eine leicht metaphysisch angehauchte Vorfeldorganisation der Grünen Partei.

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Dass die Grünen erst jetzt zumindest der Schatten einer Ahnung streift, welche Auswirkung die Entwicklung Chinas für die Welt, für Europa und für Deutschland hat, mag auch mit der plötzlichen Einsicht in das totalitäre Wesen des chinesischen Staates zusammenhängen. Göring-Eckhart brachte es tatsächlich fertig auf der Pressekonferenz nach der Fraktionsklausur zu formulieren: „China ist ein totalitärer Staat geworden.“ Beruhigend zu wissen, dass zumindest das Reich der Mitte unter Mao oder unter Li Peng ein Ausbund an Liberalität war. Aber auch diese späte Einsicht hängt unmittelbar mit der EU-Wahl zusammen, denn vor der Klimakrise wie vor den totalitären Chinesen schützt nur ein grünes EU-Europa.

Und wie eine grüne EU, oder zunächst ein grünes Deutschland aussehen kann, verdeutlicht die grüne Bundestagsfraktion mit ihren Enteignungsplänen. Obwohl die grünen Fraktionäre nicht wissen, wie viel Baugrund brach liegt, weil Eigentümer entweder noch nicht bauen können oder sie den Grund und Boden als Geldanlage in Zeiten des auch von den Grünen gefeierten Niedrigzinses nutzen, fühlt man dennoch, dass es viele sein müssen, und da man wie seinerzeit Erich Honecker und die SED das Wohnungsproblem als soziales Problem lösen möchte, indem aktuell 600.000 Wohnungen in Deutschland gebaut werden könnten, wenn man die notwendigen Flächen bereitstellen würde, denkt man wie Erich Honecker in den Kategorien der Enteignung und der Verstaatlichung. So ganz scheinen nicht einmal die wundergläubigen Grünen von einer creatio ex nihilo auszugehen, denn auch hier setzt man auf das geliebte Mittel des Zwangs, indem man Baubefehle nicht nur für einzelne Grundstücke, sondern für ganze Gebiete aussprechen will. Damit fällt die Garantie des Eigentums durch das Grundgesetz und eigentlich das Grundgesetz selbst. Jeder, der ein Grundstück zu welchem Zweck auch immer erworben hat, kann, setzen sich die Grünen unter dem Vorwand, natürlich nur gegen „Spekulanten“ vorgehen zu wollen, durch, enteignet werden.

Wer aber sollte noch Wohnungsbau betreiben wollen, wenn man wegen „Missbrauch“ und „überhöhten Mietforderungen“ mit bis zu 50.000 Euro bestraft werden kann?

Sieht man sich die Geschichte des Stalinismus in der Sowjetunion an, die große Hungersnot von 1930 bis 1934, die auch dadurch verursacht wurde, dass zuvor die leistungsfähigsten Bauern als Kulaken diffamiert, enteignet, deportiert und viele von ihnen, Männer, Frauen und Kinder getötet wurden, dann weiß man, wohin die staatsozialistischen Träumereien der Grünen führen müssen, in letzter Konsequenz zu Kommandowirtschaft und Gulag.

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Obwohl „Missbrauch“, „überhöhte Mietforderungen“ und „Spekulation“ – und es gibt das auch alles – erst mal gut als Begründungen für staatsaktionistische Direktiven und Regelungen klingen, so lässt doch die Frage, was Missbrauch, was überhöhte Mietforderung und was Spekulation ist, einen großen Definitionsspielraum zu. In der DDR hatte man, um das Wohnungsproblem als soziales Problem zu lösen, festgelegt, wie viel Wohnraum einem Menschen zustand, was zur der Absurdität führte, dass derjenige, der ein Haus, ein sogenanntes „Eigenheim“ baute, es auch nur in der Größe bauen durfte, in der seiner Familie entsprechend ihrer Größe Wohnraum zugebilligt wurde.

Was die Grünen am Baumarkt planen, ist nichts geringeres als den Eingriff in die Eigentumsrechte der Bürger. Wenn diese Maßnahmen durchgesetzt werden, werden sich Investoren und Firmen aus dem Wohnungsbau zurückziehen. Die bereitgestellten Flächen müssen dann im kommunalen oder staatlichen Auftrag bebaut werden. Damit hat auch der Staat das Vergaberecht für Wohnungen. Besitzen aber staatliche Stellen das Vergaberecht, wird die Wohnungsvergabe quotiert. Bei weiter offenen Grenzen und bei Kommunen, die sich rechtsverbindlich zu sicheren Häfen für Flüchtlinge erklären und als „Seebrücke“ direkt Migranten im großen Stil von „Seenotrettern“ übernehmen wollen, kann man davon ausgehen, dass Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund bevorzugt werden würden. Die Pläne der Grünen werden dazu führen, dass Not und Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt zunehmen, die sozialen Verwerfungen sich vergrößern und sich ein Konkurrenzkampf in der Gesellschaft mit Sprengpotential entwickelt.

Hat der Gedanke an Enteignung, der den ersten Schritt in die Diktatur bedeutet, erst einmal für viele seinen Schrecken verloren, weil die soziale Demagogie den Blick auf die sozialen und politischen Auswirkungen verstellt, befindet sich der Staat bereits auf der schiefen Ebene.

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So stellt es keinen Zufall darf, wenn die SPD nun auch den Gedanken der Enteignung von Firmen ins Spiel bringt. Kevin Kühnert träumte – wie anzunehmen ist – sehr zum heimlichen Wohlgefallen von Funktionären der SPD und der Grünen laut von einem VEB BMW. Hat man wie den Wohnungsbau auch die Industrie verstaatlicht, dann bestimmt der Staat, was und wie viel produziert, wer, wo eingestellt wird, wer was verdient, wer welche Stelle erhält, wer von den immer knapper werdenden Waren etwas zugewiesen bekommt – und er wird es auf ideologischer Grundlage und über Quotierungen regeln, wie es jetzt bereits im öffentlichen Dienst geschieht. Bei der Diskussion um Kühnerts Vorstoß darf man nicht übersehen, dass dieser bewusst und sicher auch unter Absprache geschah. Er stellt Test und Tabubruch insofern dar, dass man in homöopathischen Dosen bestimmte Konzepte salonfähig zu machen und sie zu verharmlosen beabsichtigt. Der Bürger soll an den schrittweisen Umbau des Staates, an die Verabschiedung der Demokratie gewöhnt werden, denn Demokratie beginnt mit Freiheit und zur Freiheit gehört die Freiheit des Eigentums, und eben nicht das Freisein vom Eigentum.

Geht es anfangs auf diesem Weg in eine neue Irrationalität nur langsam voran, verliert allmählich das Schreckliche seinen Schrecken und scheint nichts natürlicher zu sein, als die Freiheit der „Freiheit“ zuliebe, die Demokratie der „Demokratie“ zuliebe einzuschränken. Das wäre der Sieg der politischen Romantik über die politische Rationalität, des Zwangs über die Freiheit, des vergemeinschafteten Wesens über das Individuum, des Menschen als Objekt der bürokratisierten Sozialfürsorge über den Staatsbürger als politischen Souverän.

An einem gewissen Punkt des Marsches werden es jedoch plötzlich signifikant mehr, die mitgehen wollen, es entsteht sogar ein Gedränge, weil viele plötzlich Angst haben, nicht mehr mitzukommen mit diesem großen Zug, bei dem man, egal wohin, dabei zu sein hat. Es ist dies die Stunde der ewigen Mitläufer, die das Pendel zum Ausschlagen bringen. Es erinnert an den Sozialismus: sieht man eine Schlange, stellt man sich erstmal an, egal, was es gibt, Hauptsache, es gibt etwas, wie man es verwerten kann, wird man hinterher sehen.

Wieder einmal scheint in Deutschland die Stunde der Ideologen und der Utopisten zu schlagen. Wieder einmal haben Aufklärung, Freiheit und Bürgerlichkeit einen schweren Stand. Was Diktatur bedeutet und wo sie beginnt, wohin Verstaatlichung und Enteignung führen, muss dringend verdeutlicht werden. Darüber darf man sich keine Illusionen machen. Wer zu lange träumt, wird im Albtraum erwachen.