Tichys Einblick
Familie in Corona-Zeiten:

Lockdown gegen die Menschlichkeit

Ein Familienvater (34), arbeitet in einer Großstadt, wohnt auf dem Lande, zwei Kinder (8 und 12 Jahre) und berichtet aus seinem „Corona-Alltag“

picture alliance/dpa | Nadine Weigel

Die Großeltern: „Coronabedingt“ sehen meine Eltern und Schwiegereltern ihre Enkel seit einem Jahr nur noch selten. Das Schönste, was wir unseren Eltern geschenkt haben, die Enkel, dürfen nicht mehr zu den Großeltern. Sie waren jedoch seit Jahren in regelmäßigem Rhythmus der Höhepunkt einmal in der Woche, vom Bus abholen … kochen … essen … Hausaufgaben machen … und an die frische Luft … Balsam für die Seele und die Gesundheit …

Geschichten aus dem Lockdown
"Es sind meine Kinder, die das bezahlen müssen"
Stattdessen plagen sich die Großeltern in der langweiligen Winterzeit mit Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen bis hin zu Krankenhausaufenthalten, verbunden mit dem Risiko, dort einsam mit/an Corona zu sterben. Das kleinere Übel ist dann wohl die Winterdepression, die hoffentlich überwunden werden kann.
Der Höhepunkt für die Senioren in der Woche ist der gestresste Einkauf und der Gang in die Apotheke. Stirbt jemand im Dorf, wird er unwürdig im Kreise der Familie schnell unter die Erde geschafft und keiner spricht mehr darüber. „Wie wird es wohl mir selbst ergehen?“, fragt sich ein jeder.
Die Kirche wird in ihrem Brot- und Buttergeschäft (Politik, Pandemie-Expertentum, Staatshörigkeit) als immer überflüssiger angesehen, engagierte Prediger finden im engen Kreise die „richtigeren“ Worte … Soziale Netzwerke ersetzen auch nicht den Kirchgang am Sonntag!

Homeschooling:

Gut ausgebildete Eltern, die sparsam ihre „Hütte“ abbezahlt haben, verringern die Arbeitszeit und opfern Urlaubstage, ersetzen Lehrer, Informatiker, Spielkameraden, Freizeitevents und Großeltern …

Keine Zeit mehr für Haustiere! Außer die Lehrer, die während des Onlineunterrichtes des Menschen besten Freund neben sich sitzen haben und damit pädagogische Kompetenz in der Haustiererziehung beweisen, doch die Kinder ablenken. Fünf Prozent Wissen wird vermittelt statt 100! In kurzen Unterrichtsepisoden ist das einzig Wichtige und Brauchbare, dass die Kinder den sozialen Kontakt spüren, Unterricht im eigentlichen Sinne funktioniert hier fast nicht.

Geschichten aus dem Lockdown
"Ich fühle mich ausgebrannt"
Die Eltern (die es sich leisten können) rüsten technisch auf und unterrichten die Kinder, so gut es geht, selbst, damit die Defizite nicht immer noch größer werden. Wohl dem, der auf dem Lande ein schnelles Internet zur Verfügung hat. Wer kümmert sich um die Kinder, deren Eltern keine Zeit oder keine Voraussetzungen haben, die entstehenden Lücken zu kompensieren? Meine Gedanken sind bei diesen Kindern, die eventuell noch viel größeres Leid erfahren und für das ganze Leben gezeichnet bleiben … Diese junge Generation wird für unser Land einmal systemrelevant sein.

Und dann die Frage: Was passiert nach der Krise? Es werden erhebliche Unterschiede in der Bildung existieren. Dann wird den Lehrkräften wohl nichts anderes übrig bleiben, als das Maß am unteren Ende anzusetzen und dies in Verbindung mit der wahnsinnigen Inklusion. Eine schier unlösbare Aufgabe, die am Ende des Tages zu Lasten der Kinder mit Potenzial gehen wird. Aufstrebende Volkswirtschaften mit der Null-Fälle-Corona-Politik werden sich freuen, am Ende des Tages. China läßt grüßen! Unsere armen Kinder. An dieser Stelle Hut ab vor den Lehrkräften, die diese Herausforderung zum Wohle aller meistern werden, ich vermute jedoch, dass das nur wenige schaffen werden …

Kinderbonus:

Nach all den Investitionen in die häusliche Infrastruktur weiß nun auch jeder, dass unsere Wohnung immer aufgeräumt und schön dekoriert ist. Mit zwei Kindern am PC sind wir ein „offenes Haus“ — Verfassungsschutz etc. hätten leichtes Spiel, unsere Bücherwand zu „identifizieren“ — ist das den Datenschützern eigentlich bewußt?

Geschichten aus dem Lockdown
"Ich kann nicht mehr“
Setzt man sich als normal ausgebildetes Elternehepaar in Lohn und Brot abends um 22 Uhr (nachdem alle Seiten versorgt sind) an die Steuererklärung, droht die nächste große Enttäuschung. All diejenigen Eltern, die seit Jahren Opfer der kalten Progression sind und von Gehaltserhöhungen seit Jahren den größten Teil an den Staat überweisen, stellen nun mit Erstaunen fest, dass sie auch unter Berücksichtigung des Kinderbonus in Höhe von 300,- Euro besser den Kinderfreibetrag in Anspruch nehmen und somit demnächst die gut gemeinte Zuwendung der Familienkasse an das Finanzamt zurück überweisen müssen. Es bleibt nichts, aber auch nichts übrig! Schein-Versprechungen! Dann muss der geplante Besuch des Freizeitparks und auch einiges andere halt ausfallen.

Auch mit Humor kann man der aktuellen Situation nur wenig Positives abgewinnen. Als naturnaher Hobbygärtner sehnt man sich nach einem stabilen Hochdruckeinfluss mit viel Sonnenschein von Juni bis September. Der legendäre Rudi-Carell-Song ist aktueller denn je! Regen wäre auch gut, aber dann bitte Hirn für die Entscheider in diesem Land.


Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt.

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