Tichys Einblick
Als Reaktion auf die letzte Generation

Einfach mal zuhause bleiben

Politischer Generalstreik ist in Deutschland verboten. Doch jeder darf für sich überlegen, ob er nicht einfach Mal umdreht und nach Hause fährt, wenn er im Stau der Klimakleber von der letzten Generation steht.

IMAGO / Metodi Popow
Die Zukunft wird digital. Dieser Allgemeinplatz ist gut 25 Jahre alt. Die Gegenwart sind Supermärkte, die Kassen für Selbstzahler einrichten. Acht Stück gibt es davon in manchen Läden. Doch dort steht nur meist keiner. Die allermeisten gehen immer noch zu der einzigen Kasse, hinter der weiter ein echter Mensch sitzt. Vielleicht ist irgendeine Zukunft mal digital, aber die Gegenwart braucht Verkäufer.

Und Pfleger. Ärztinnen. Handwerker. Lehrerinnen. Straßenreiniger. Erzieherinnen. Sachbearbeiterinnen, Bauarbeiter. Oder eben Verkäuferinnen. Sie sind es, die im Stau stehen, wenn die Klimakleber der letzten Generation die Straße blockieren. Denn die tun das bevorzugt im Berufsverkehr. Die Bürgerkinder mit Mission wollen die große Welt verändern, doch sie behindern den kleinen Mann – und die kleine Frau genauso – auf deren Weg zur Arbeit.

Die Prozesse gegen die Klimakleber haben vielleicht kaum zu Verurteilungen geführt – aber zu Einblicken in die Sozialstruktur der Extremisten: Erstaunlich viele Studenten und Arbeitslose, die sich Urlaubsreisen nach Bali oder Mexiko leisten können. Menschen, die zum einen von Spenden an Störungen interessierter Unternehmer leben. Zum anderen aber vor allem von den staatlichen Transfers, die all diese Pfleger, Ärztinnen, Handwerker und so weiter mit ihrer Arbeit erst ermöglichen.

Als Schwerpunkt für die nächsten Proteste haben die Extremisten Berlin ausgemacht. Das ergibt Sinn. Für die Extremisten. In Berlin haben SPD, Grüne und Linke über Jahre die Justiz mit ihren Leuten besetzt. Die dadurch entstandene Justiz geht nun nicht entschieden gegen Verbrechen vor, die im Namen des Klimaschutzes passieren. Den Zusammenhang dazwischen darf jeder selbst herstellen.

Nun ist Berlin nicht gerade eine Stadt, die ins Gelingen verliebt ist. Wer aufzählt, was in der Hauptstadt alles funktioniert, hat den deutlich einfacheren Job als der, der die Missstände darstellen will. Das beginnt mit der Beantragung eines neuen Ausweises – und endet beim Besuch im Schwimmbad. Was in Berlin noch funktioniert, funktioniert, weil Menschen morgens unbeirrt zur Arbeit fahren. Sie sind in den nächsten Wochen, vielleicht Monaten, systematisch den Attacken der letzten Generation – weil die Politik und die Justiz sie nicht schützt – ausgesetzt, obwohl sie den Staat mit ihren Steuern finanzieren.

Und wozu das alles? Eine Verkäuferin mit einer Wohnung in Steglitz, Tempelhof oder Treptow hat am Ende kaum mehr Geld als ein Empfänger von Bürgergeld. Auch nicht, wenn der – anders als sie – noch nie in die Sozialkasse eingezahlt hat. Jetzt steht die Verkäuferin im Stau und rechnet: Wenn sie ins Bürgergeld rutscht und dann nebenher arbeitet, müsste sie nur noch ein Viertel so viele Stunden machen wie heute – und hätte trotzdem mehr Geld in der Tasche als vorher. Warum steht sie nochmal im Stau der Klimakleber? Um sich später die Wut derer anzuhören, die sich mit der Selbstzahlerkasse nicht auskennen? Wohl kaum.

Die Pflegerin wird’s anders sehen. Sie weiß, dass Menschen sterben, wenn sie nicht zur Arbeit kommt. Deswegen steigt in ihr die Wut im Stau der Klimakleber. Diese Wut speist sich aus Angst um die Patienten und aus Ärger über die geringe Wertschätzung, die ihrer wichtigen Arbeit entgegengebracht wird. Die Polizei und Justiz kümmern sich um den Stau. Nicht, dass sie ihn auflösen würden oder die Straftaten der Klimakleber ahnden. Aber wenn sie als Opfer jetzt aussteigt, um etwas gegen die Blockade zu tun, würden Polizei und Justiz das unterbinden. Mit der Härte, mit der sie sonst nur gegen Demonstranten vorgehen, die gegen die Politik von Ampel, CDU oder Linken protestieren.

Die Politik lässt die Pflegerin und die Verkäuferin gleich ganz allein. Die Politik begnügt sich in Maulheldentum: Dass sie jetzt wütend werde und eine nächste wie übernächste Aktion der „Aktivisten“ zwingend dazu führen werde, dass nach einer weiteren nächsten und übernächsten Aktion nur noch eine weitere nächste und übernächste und so weiter. Christian Lindner kann tagelang ununterbrochen das anprangern, was er selbst mitbeschlossen hat, ohne letzteres zu erwähnen. Käme Christian Lindner nicht zur Arbeit, keiner würde es merken.

Das gilt nicht für die Ärzte, Pfleger, Handwerker, Verkäufer, Kellner, Sachbearbeiter, Straßenreiniger, Steuerberater, Masseure … In den Generalstreik dürfen sie nicht. Dazu aufzurufen, wäre ungesetzlich. Jeder muss daher für sich selbst überlegen, ob er geduldig den Streik der Bürgerkinder mit Mission abwartet – oder ob er heimfährt. Ob er die kranke Frau liegen, den Abfluss verstopft und die Ware unbezahlt lässt. Im schlimmsten Fall droht ihm ein Abrutschen ins Bürgergeld und dazu mehr Geld als bisher mit nur einem Viertel der bisherigen Arbeit.

Sie machen es nicht. Die Sorge treibt sie um: Um die Patienten, hilflosen Kunden oder um die Sauberkeit der Stadt. Damit sind es die Ärzte, Pfleger, Handwerker, Verkäufer, Kellner, Sachbearbeiter, Straßenreiniger, Steuerberater, Masseure und so weiter, die das Land zusammenhalten. Nicht die Politik, nicht die Justiz und auch keine politisch gesteuerte Polizei wie in Berlin. Sie wiederum sind es, die die im Stich lassen, die dieses Land am Leben halten.

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