Tichys Einblick
Verhandlungen sind sinnlos

Der Verkehrsminister sucht das Gespräch – und die „Letzte Generation“ randaliert

Die Klimaextremisten greifen Geschäfte in Berlin an. Dabei hatte Verkehrsminister Volker Wissing doch kürzlich Verhandlungsbereitschaft gezeigt. Wer die Erpressung gewähren lässt, soll sich nicht wundern, wenn sich der Erpresser ermutigt fühlt.

Archivaufnahme vom 7. März: Die Letzte Generation besprüht das Bundesverkehrsministerium. Es ist der Amtssitz von Volker Wissing.

IMAGO / aal.photo

Erpressungen soll man nicht nachgeben. Sie ermuntern den Erpresser dazu, die Forderungen höher zu schrauben. Dem Vorgang liegen die Spielregeln der Macht zugrunde. Jede Verhandlung bestätigt den Erpresser darin, dass Erpressung ein möglicherweise verwerfliches, aber dennoch legitimes Mittel ist. Ob man dem Erpresser nachgibt, ist damit eine prinzipielle und keine situative Überlegung. Bei Erfolg schafft sie Präzedenzfälle.

Gespräche mit Klimaextremisten
Verkehrsminister Wissing will mit „Letzter Generation“ reden
Bundesverkehrsminister Volker Wissing sollte es daher eigentlich besser wissen. Er spricht von Dialog. Aber Dialog findet auf einem bestimmten Spielfeld unter bestimmten Regeln statt. Dazu gehört etwa, dass man dem Gegenüber kein Messer an die Kehle hält und auf die Füße tritt. Es ist europäische Tradition, dass man deswegen unbewaffnet zu Verhandlungen kommt.

Im Falle der „Letzten Generation“ bedeutet das übrigens nicht, dass jede Gesprächsbereitschaft zu verweigern wäre. Es bedeutet allerdings, dass dem Dialog die Einstellung der Feindseligkeiten, etwa Straßenblockaden und Hausbeschmierungen, vorausgehen muss. Wissing fordert nicht das Ende der Blockaden und zeigt sich dafür bereit, mit den Vertretern der Bewegung zu kommunizieren; stattdessen bietet er den Klimaextremisten den Dialog ohne Gegenforderung an.

Deshalb kann die „Letzte Generation“ tatsächlich heute von einem Erfolg sprechen. Sie erhält Legitimation vonseiten der Bundesregierung dadurch, dass sie als Gesprächspartner akzeptiert wird – obwohl sie auch am Samstag mit ihren Störungen fortfährt. Staus und Sachbeschädigungen sind damit bloße Kollateralschäden. Der Protest darf regellos weitergehen.

Dass der Erpresser sich bestätigt fühlt, zeigen die heutigen Szenen in Berlin. Geschäfte von Dolce Gabbana, Prada oder Gucci fallen orangener Farbe anheim, ähnlich wie es schon bei Sehenswürdigkeiten wie dem Palazzo Vecchio der Fall war. Wie beim Angriff gegen Kunstwerke gilt: Der Feind der Klimaextremisten ist die Schönheit. Sie hat sich hehren Zielen unterzuordnen, ähnlich, wie in der Tyrannei sich die Wahrheit und das Gute der Ideologie unterordnen muss.

Spöttisch klingt der verbreitete Sozialkitsch: „Der Luxus, der hier am Kurfürstendamm zur Schau gestellt wird, steht in krassem Kontrast zur Lebensrealität der Menschen, die sich kaum noch ihren Wocheneinkauf leisten können. Wenige Reiche verfeuern unsere Zukunft.“

Nein, niemand muss arm sein, weil ein Geschäftsmann seiner Frau eine Tasche von Louis Vuitton kauft. Es sind dieselben Ideologien, die die Letzte Generation hervorgebracht hat: wenn aus Angst vor der „Klimakatastrophe“ Autos für den kleinen Mann unerschwinglich werden, weil billige, gebrauchte Verbrenner den E-Autos weichen sollen. Weil Atomkraftwerke abgeschaltet und fossile Energieträger geächtet werden sollen, der Strompreis dafür umso höher steigt. Weil Öl- und Gasheizungen verschrottet und Eigentümer wegen Wärmepumpen in den Ruin getrieben werden. Weil neue Steuern und Abgaben, etwa in Form der CO2-Steuer, die Bürger auf Klima-Linie bringen sollen.

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Das ist die Lebensrealität der Menschen, indes die Cousinen Reemtsma und Neubauer so tun, als gehörten sie zu den Bedrückten der Erde. Um Klima geht es hier nicht. Wer Philanthropen im Rücken hat, der braucht auch keinen Kapitalismus mehr. Was der Verkehrsminister hier noch verhandeln will, bleibt schleierhaft. Ebenso wenig, wie man darüber verhandeln kann, nur ein bisschen schwanger zu sein, kann man nur ein bisschen Sozialismus einführen oder ein bisschen Wahnsinn walten lassen. Oder will man die Straßenblockaden auf nur einmal in der Woche herunterhandeln?

Wenn die Letzte Generation jemals mehr Ermutigung gebraucht hätte – sie hat diese heute bekommen. Verhandlungen sind sinnlos, wenn am Ende nur die Maximalforderung der Gegenseite durchkommt. Aber das kennen wir ja auch schon aus der Bundespolitik.

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