Tichys Einblick
Frauenquote und Gendersprache

Läuft die FDP dem feministischen Zeitgeist hinterher?

Die FDP prüft Maßnahmen, um ihren Frauenanteil zu erhöhen. Unter anderem werden von der Partei die Einführung einer Frauenquote sowie der Gebrauch der „gendergerechten Sprache“ geprüft.

Können Sie sich das vorstellen? Eine junge Frau sagt: „Bisher fand ich die Liberalen mit ihren Freiheitsideen unattraktiv. Aber jetzt werde ich Mitglied, weil die Freien Demokraten beschlossen haben, in ihrer Parteikommunikation künftig die Gendersprache mit großem I oder Gendersternchen zu verwenden.“

Im Wahlkampf warb die FDP noch mit der Parole: „Keine gesetzliche Frauenquote“. Nun denkt sie darüber nach, selbst eine einzuführen. In einem Beschluss des FDP-Präsidiums mit dem Titel „Mehr Chancen durch mehr Vielfalt – Bildung einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe Diversity Management“ sind einem Bericht der WELT zufolge 13 Maßnahmen aufgeführt, die von einer Arbeitsgruppe nun ergebnisoffen diskutiert werden sollen. Ziel sei es, „effektive Maßnahmen zu entwickeln, um neue weibliche Mitglieder und Wähler zu gewinnen sowie mehr Frauen in die Parteiarbeit und die Führungsebene zu integrieren“. Eine dieser Maßnahmen ist demnach die Frauenquote, die von der FDP bislang abgelehnt wurde. Nun wird die Einführung einer „Fallbeil-Quote“ vorgeschlagen – für den Fall, dass eine Selbstverpflichtung ihr Ziel verfehlt, „ein Drittel Frauenpartizipation auf Bundes- und Landebene als formale Zielsetzung“ zu erreichen.

„Die Selbstverpflichtung wird ergänzt durch eine verpflichtende Frauenquote, die im Fall der Zielverfehlung (zeitlich befristet) greift“, zitierte die Zeitung aus der Beschlussvorlage. Unter den weiteren Schritten, die geprüft werden sollen, werde ausdrücklich der Gebrauch „gendergerechter Sprache“ in der Parteikommunikation genannt. „Als Partei für Vielfalt und Chancengerechtigkeit müssen wir selbstkritisch feststellen: Bei uns engagieren sich leider zu wenig Frauen“, sagte FDP-Bundesgeschäftsführer Marco Mendorf der WELT. Um das zu ändern, müsse die FDP „endlich auch über bisherige Tabus nachdenken wie eine Selbstverpflichtung und eine konkrete Quote, wenn wir damit Frauen besser fördern können als bisher“.

Die Grünen geben den Takt vor, die anderen laufen nach

Die Frauenquote ist ein Beispiel dafür, wie die Grünen den Zeitgeist geprägt haben: Erst führten die Grünen die Quote ein, dann folgte die SPD und schließlich schloss sich auch die CDU an. In meinem 1994 (!!) erschienenen Buch „Wohin treibt unsere Republik?“ hatte ich geschrieben: „Bei vielen Fragen ist es heute schon so, dass die Grünen die Richtung vorgeben, dann die SPD nachzieht und schließlich die Union mit einem deutlichen Verzögerungseffekt nachhinkt. Die Debatte um die ‚Quotenregelung’ ist ein Beispiel, aber auch bei zahlreichen anderen Themenkomplexen geben die Grünen inzwischen den Ton an.“ (S. 80 f.)

Frauenquoten sind illiberal

Frauenquoten bedeuten nichts anderes als die Benachteiligung von Männern und einen massiven Verstoß gegen das Prinzip, dass nur die Leistung entscheiden darf, nicht jedoch das Geschlecht. Die Frauenquote ist mit den Prinzipien einer freien Gesellschaft unvereinbar und zutiefst illiberal. Deshalb hat sich die FDP stets gegen Quoten ausgesprochen, wie sie z.B. für Aufsichtsräte großer Unternehmen beschlossen wurden. Wie will die FDP künftig gegen Frauenquoten in der Wirtschaft argumentieren, wenn sie sie selbst in der eigenen Partei einführt?

Die Anhänger der Frauenquote argumentieren damit, dass der Anteil der Frauen in der FDP nur bei 22 Prozent liege und bei den Neueintritten unter 20 Prozent. Wenn der Frauenanteil in der Partei jedoch bei 22 Prozent liegt und man festschreiben will, dass künftig ein Drittel der Führungspositionen mit Frauen besetzt werden soll, dann zeigt das schon, dass inhaltliche Kriterien und Qualifikation für ein Amt nicht mehr entscheidend sein sollen.

Die Annahme, dass sich künftig Frauen für liberale Politik mehr begeistern, wenn die Parteianträge mit einem großen I oder einem „Gendersternchen“ geschrieben werden, ist naiv. Es gibt heute genug moderne Frauen, die die feministische Ideologie ablehnen und ihrer eigenen Leistung vertrauen. In keiner Partei in Deutschland werden Frauen benachteiligt. Im Gegenteil: Jeder und jede weiß, dass es Bereiche in unserer Gesellschaft gibt, wo man heute als Frau auch ohne Quote bevorzugt wird – das gilt insbesondere für den Wissenschaftsbetrieb und die Parteien. Auch in der FDP wurden Frauen bislang keineswegs diskriminiert.

Verhängnisvolle Symbolwirkung

Würde die FDP die ideologische Gendersprache oder die Frauenquote einführen, so hätte das vor allem eine starke symbolische Wirkung: Die FDP läuft dem linksgrünen Zeitgeist hinterher. Und merkt dabei nicht, dass der Zeitgeist sich seit einigen Jahren dreht. Die linksgrünfeministische Ideologie wird gerade bei jungen Menschen zunehmend unattraktiv. In der FDP sind es vor allem Ewiggestrige wie Gerhart Baum, der unlängst erklärte, er würde der FDP gerne „eine Frauenquote verordnen“.

Die Taktik, dem grünen Zeitgeist hinterherzulaufen, hat schon bei der SPD und bei Angela Merkels CDU nicht funktioniert. Beide Parteien haben in den vergangenen zehn Jahren massiv an Stimmenanteilen verloren, und zwar gerade deshalb, weil sie sich an den linksgrünen Zeitgeist angepasst haben. Der Wahlforscher Manfred Güllner stellte schon 2012 in seinem ausgezeichneten Buch über die GRÜNEN  fest:  „Diese Übernahme zahlreicher grüner Vorstellungen durch die anderen Parteien führt dazu, dass weite Teile der Bevölkerung ihre Interessen und Probleme nicht mehr in der Politik vertreten sehen. Diese Teile der Bevölkerung reagieren mit Wahlenthaltung in immer größerem Umfang und mit Entfremdung von der Politik.“ (S. 171)

Das war 2012. Die Anhänger der grünen Ideologie wählen inzwischen lieber gleich grün und jene, die unzufrieden sind, liefen bei den letzten Wahlen teilweise zur AfD über. Ist die Veränderung des Stimmenanteils für SPD und CDU in den vergangenen zehn Jahren so attraktiv, dass die FDP dies nun nachmachen will? Dann ist sie so schnell wieder aus dem Bundestag verschwunden, wie sie hereingekommen ist.