Tichys Einblick
Merkel-Blockade beendet

Koalition will Denkmal für die Opfer des Kommunismus errichten

Seit 30 Jahren warten die Verfolgten des Kommunismus auf ein Denkmal in Berlin. Jetzt hat sich die Ampel-Koalition das Vorhaben überraschend zu eigen gemacht. Auch in der Erinnerungspolitik sorgt Russlands Krieg für ein Umdenken, nachdem Merkel das Vorhaben ausgetrickst hatte.

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So zynisch es klingt: Manchmal bedarf es eines Krieges, um selbstverständliche politische Anliegen auf die Tagesordnung zu hieven. In Deutschland gilt dies nicht nur für die Landesverteidigung, deren Notwendigkeit viele Politiker erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine entdeckt haben. Auch in der Energieversorgung hat die Bundesregierung seit Kurzem erkannt, dass es „einfach dämlich“ ist (Robert Habeck), sich in existenzielle Abhängigkeit zu einem einzigen Lieferanten zu begeben.

Auch auf anderen Gebieten scheint es nun ein Umdenken zu geben. Mitte März legten die Regierungsparteien im Bundestag überraschend einen Antrag zur Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland vor. Das Vorhaben, für das sich das deutsche Parlament schon zweimal – 2015 und 2019 – ausgesprochen hatte, war im Koalitionsvertrag der Ampel vom Dezember nicht enthalten.

Stattdessen wollten SPD, Grüne und FDP ganz andere Erinnerungsorte schaffen: ein Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“, einen Begegnungsort für „die Opfer der Besatzung Polens“ und einen „Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus“. Seit dem Ukraine-Krieg erscheinen diese Vorhaben wie aus einer Welt von gestern.

Das Denkmal für die Kommunismusopfer hat dagegen ungeahnte Aktualität gewonnen. Es würde nämlich in Erinnerung rufen, dass auch Deutschland 1945 Opfer russischer Expansionsbestrebungen wurde. Was hierzulande jahrelang als Befreiung beschönigt wurde, war in Wahrheit die Unterwerfung halb Europas unter Stalins imperiale Machtgelüste. An diese Vergangenheit will Putin in der Ukraine jetzt wieder anknüpfen.

Verschleppt worden war das Vorhaben von der CDU. Deren Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, hatte die Bundestagsbeschlüsse jahrelang ignoriert – und dann der Bundesstiftung Aufarbeitung zugeschoben. Obwohl der Bundestag sie im Dezember 2019 explizit aufgefordert hatte, innerhalb von drei Monaten ein Konzept vorzulegen, passierte erst einmal nichts. Im Juni 2020 ließ sie dann bei der Stiftung eine „Koordinierungsstelle“ einrichten.

Nach weiteren sechs Monaten legte diese ein Papier vor, das im Wesentlichen nur einen Namensvorschlag enthielt („Denkmal zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland“). Außerdem war darin zu lesen, dass das Mahnmal „dreidimensional“ und von einem „Informationsangebot“ begleitet sein solle. Die zentrale Frage, wo das Denkmal stehen und wie es aussehen solle, blieb dagegen unbeantwortet. Wichtige Opferorganisationen wie die Vereinigung der Opfer des Stalinismus waren zudem an der Ausarbeitung nicht beteiligt worden.

Der Bundestag hatte Grütters 2019 auch beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zur Ausgestaltung zu beauftragen. Die Studie gibt es bis heute nicht. Im November 2021 begründete ihr Sprecher dies damit, dass dazu erst ein Standort gefunden werden müsse. Die Suche danach „dauert noch an“. Demgegenüber hatte sich der Kulturausschuss des Bundestages bereits im Juni für ein Grundstück an der Heinrich-von-Gagern-Straße in Berlin ausgesprochen.

Einen Standort gibt es bis heute nicht. Die Frage sei „bisher ungeklärt“, steht auf der Website der Koordinierungsstelle. Dementsprechend lässt auch die Machbarkeitsstudie weiter auf sich warten.

In dem jüngsten Bundestagsbeschluss werden für beide Aufgaben keine Fristen genannt. Die Bundesregierung wird lediglich aufgefordert, „die Suche nach einem Standort für das Mahnmal in zentraler Lage in Berlin weiter voranzubringen“. Außerdem solle sie den Ausschuss für Kultur und Medien „regelmäßig über den aktuellen Sachstand“ unterrichten.

Ob dies die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen dazu veranlassen wird, schneller zu agieren als ihre Vorgängerin, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch schon heute, dass viele Opfer des Kommunismus ein Denkmal, das ihr Schicksal würdigt, nicht mehr erleben werden.

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