Tichys Einblick
Klimawandertag

Klimastreik: Erlaubt, gewollt und abgesichert – Willkommen bei der Staats-Demo

In Berlin veranstalten Schulen einen "Wandertag" zum Klimastreik; Teilnahme ist Pflicht. Denn der Deutsche streikt nur mit Erlaubnis der Kanzlerin.

Axel Schmidt/AFP/Getty Images

Man könnte eigentlich bei diesem Titel schon laut loslachen: „FRIDAYS FOR FUTURE-DEMO – Darf ich während der Arbeitszeit zum Klimastreik?“
Wenn man nicht wüsste: die meinen das total ernst.

Im aktuellen Artikel der FAZ klärt eine Anwältin über die rechtlichen Folgen auf, wenn jemand anstatt zur Arbeit zu gehen, lieber demonstrieren gehen möchte gegen den Klimawandel. Natürlich lautet die Antwort: NEIN, darfst du nicht! Zumindest nicht ohne Konsequenzen. Aber vielleicht ist dein Chef so lieb und erlaubt es dir. Das tun ja viele. Klimastreik also mit Erlaubnis des Arbeitgebers – Absurdistan ist, wenn keiner über das Absurde lacht.

Nun ist allein die Fragestellung, die mit den Worten „DARF ICH…“ beginnt und mit dem Wort „STREIKEN“ in einem Satz kombiniert wird, ein solch gravierender Widerspruch, dass man denkt: so eine Frage kann eigentlich nur ein Kind stellen, welches noch nicht unterscheiden kann zwischen Sinn, Zweck und Bedeutung von Worten.

Andererseits spiegelt diese Frage den Charakter der deutschen Gesellschaft zu 100% wieder. Weil er vor einer infantilen Geisteshaltung und vor vorauseilendem Gehorsam nur so strotzt. Von Lenin stammt der Spruch: „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!“ Heute gibt es meist keine Bahnsteigkarten mehr, und Bahnhöfe sind für Revolutionen nicht mehr zentral. Revolutionen gibt es trotzdem nicht. Der Deutsche „streikt”, weil die Regierung es ihm nahelegt. Arm in Arm mit der Obrigkeit, so liebt der Deutsche die Revolution. Es ist dann nur keine.

Das Streiken, wie wir es kennen in unserem Land, ist eigentlich nur für Tarifverhandlungen gedacht. Meistens geht es um Leute, die ernsthaft mehr Probleme haben als diese Hollister Kids, von denen sich die einen im selbst-gestrickten Pulli von Oma tarnen und die anderen deren Fanatismus ausnutzen, um während der Schulzeit zu „chillen“.

Streikende, das waren Arbeiter, die für ein paar Cent mehr ihre Jobs riskieren und für ein paar Cent mehr ihren schweren Jobs auch wieder nachgehen. Früher. Aber Kinder der Wohlstandklasse und Beschäftigte des gegen alle Widrigkeiten der Wirtschaft geschützten Öffentlichen Dienstes als Streikende? Sie haben ein kostenloses Abo auf die Bahnsteigkarte.

Lehrerin setzt Schüler unter Druck
Teilnahme an "Klimastreik" nicht freiwillig
Betreuter Streik ist eindeutig eine prä-pubertäre Phase eines Kindes, das sich noch nicht ganz traut in die Sturm-und-Drang-Phase zu wechseln, weil es ohne wasserfeste Kleidung nass und – viel schlimmer – auch krank werden könnte. Bevor es losgeht, also lieber nochmal Mama oder Papa fragen, wo die Gummistiefel sind und schonmal ankündigen, dass man erwünscht Verbotenes tun wird. So muss sich auch niemand Sorgen machen, wenn man zu spät zum Abendessen kommen sollte.

Der gewaltige Sog der Guten und die schulische Pflichtveranstaltung machen eher die Nicht-Streikenden zu Helden des Unangepassten.

Aber halt: Mama und Papa machen selbst mit und wollen ein Revival ihrer eigenen missglückten Sturm-und-Drang-Zeit nochmal erleben. Dafür sichern sie sich aber selbst nochmal bei „Mama Merkel“ ab. Die wiederum lässt einen Journalisten für alle Möchtegern-Ungehorsamen einen Juristen interviewen, der einem die Konsequenzen darlegt. Nach einer ausführlich durcharbeiteten Pro und Contra Liste entschließen sich Mama und Papa: „Wir gehen arbeiten. Aber du, unser aufmüpfiges Kind, zeig der Welt, wo der Hammer hängt.“ Das nennt heutzutage man Mut.

Und hier ist der Kern des eigentlichen Witzes:

Man versucht unter sicheren Umständen Unsicherheit zu schüren für mehr Sicherheit in der heutigen Unsicherheit, die man selbst verursacht hat. Weil man selber komplett abgesichert ist. Es wird keine Streikbrecher geben, die den Streikenden die Knochen brechen. Das ist gut. Aber dieser Streik FÜR die Regierung ist eben auch Mutlosigkeit, gekleidet nach der neuesten Mode der Streik-Designer.

Das ganze ist weder riskant, noch hat es für irgendjemanden Konsequenzen oder zeugt von zivilem Ungehorsam. Es ist nichts weiter als billiger Aktionismus.

Wo Diesel gut ist
Mit Flixbus zum Klima-Streik
Es gibt wohl kaum eine andere Gesellschaft auf unserem Planeten, die es schafft, mit nur einem einzigen Satz ihre ganze geistige Beschaffenheit darzulegen. Womöglich auch kaum eine Sprache, die durch so viele Verschachtelungen grammatikalisch noch Sinn ergibt. Inhaltlich eher weniger, denn Inhalte wurden scheinbar zu lange überwertet zum Verdruss des jugendlichen Geistes der Herde, der durch Europa weht.

Deswegen kommen auch solche Sätze zustande, in denen Gehorsam und Streik eine Rebellion oder einen Boykott inszenieren, der Arbeitsniederlegungen vortäuscht, die in Wahrheit einvernehmlicher Familien-Event und Kinder-Happening sind.

Zu Lenins Zitat von der Revolution mit Bahnsteigkarte: Die Deutschen streiken mit Erlaubnis der Kanzlerin. Und bevor sie die Bahnsteigkarte abholen, sichern Sie den Bahnhof auch noch ab, damit niemand auf die Gleise fallen oder „geschubst“ werden kann. Sicher ist sicher. Auch beim Klimastreik.

PS.: Ein Leser weist uns zum Thema Bahnsteigkarte darauf hin:
In Hamburg kostet die Bahnsteigkarte beim HVV 30 Cent und gilt 1h für die Haltestelle an der sie gelöst wurde. Für München kann ich nicht sprechen. Aber in Hamburg ist damit also eine Revolution möglich.

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