Tichys Einblick
Adabei

Joseph Martin – Joschka – Fischer

"Frauenfeindliches Verhalten" diktiert er dem Weltreporter in die Feder, "ist keine Frage der Herkunft oder der Religion ..." Howgh, er hat wieder gesprochen, wie der gute alte Sam Hawkens bei Karl May.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Der gute alte Joseph Martin – Joschka – Fischer sitzt wie ein weise gewordener Häuptling der 68er Bewegung auf seinem Sofa und plaudert über die Weltpolitik. Aber auch über unsere kleinere Welt, auf die er ein großväterliches Auge wirft. Seine Sprüche sind etwas grauer geworden, etwas magenfreundlicher und sozialverträglicher, und doch ist sein Sponti-Image noch nicht ganz erloschen. Seine forsche Rechthaberei spurtet ihm immer noch rasch über die Lippen.

Je älter er wird und je mehr an Gewicht er wieder zunimmt, der große Zampano Joschka Fischer, desto gewaltiger und triefender geraten seine Staats-Phrasen. Man muss ihn nur etwas fragen, wie gestern die Welt am Sonntag, und schon sprudelt es aus ihm heraus. Er steht ganz klar für alles mögliche, das er in einem Aufwasch zu benennen weiß. Die SPD, klar, macht ihm Sorgen, diese edle antike Partei muss weiter leben, zur Not mit Hilfe seiner Consultingfirma. Die Grünen, ja, das sind seine Leute bis heute, auch die Merkel-Linie in der Flüchtlingsfrage kann er nur bejahen. Allerdings, hätte er, der für manchen Kontrollverlust berühmt wurde, bei der Flüchtlingsmisere den Eindruck des Kontrollverlustes gar nicht erst entstehen lassen.

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Den Eindruck? Natürlich, das war ein klarer Kommunikationsfehler. Er hätte eine Riesenshow darum aufgebaut, er hätte die großen Fernsehanstalten sofort zu sich gerufen und zur besten Sendezeit auf beiden Kanälen dem Volk erklärt, warum das sein muss und die Flüchtlinge jetzt partout aufgenommen werden müssten. Natürlich, er hat die Führungsqualitäten, die Angela Merkel fehlen, ansonsten ist er auf ihrer Seite. Oh, Fischer ist wieder in Fahrt, jetzt könnte man ihn zu gar allem fragen, doch die Zeitung hat leider nur eine ganze Seite frei für den großen rotgrünen Helden von gestern.

Übrigens hat er gar nicht gemerkt in seiner großen Geste, mit der er die großen Sender zu seinen Diensten bestellt hätte, wie er großartig schwadroniert, welche Willfährigkeit der Medien gegenüber der Politik er damit bestätigt. Natürlich, wenn der Joschka das ZDF anruft oder die ARD, dann kommen die Domestiken wie seine Fans und halten ihm brav die Mikrofone hin. Fischer macht immer noch Quote. Man sieht ihn so gern wie früher den Rühmann oder den Max Schmeling. Bald wird er wie der alte Helmut Schmidt bei Frau Maischberger allein im Studio hocken und über die gute alte politische Sturmzeit palavern, er muss dafür nur noch ein bisschen älter und dicker werden. Die passende Hornbrille hat er jetzt schon auf.

Ach ja, dass ich’s nicht vergesse. Auch über die Leitkultur habe er oft nachgedacht. Er habe oft versucht, „diesen Begriff zu definieren. Für mich, nicht parteipolitisch, es ist mir nicht gelungen.“ Jedes Mal löste sich sein Denkversuch wieder in nichts auf. Müsste er vielleicht wieder mal mit Habermas telefonieren, vielleicht. Was der so meint. Aber schließlich: worin er „immer eine klare Haltung gehabt habe“, ist die Frauenfrage. „Frauenfeindliches Verhalten“ diktiert er dem Weltreporter in die Feder, „ist keine Frage der Herkunft oder der Religion …“ Howgh, er hat wieder gesprochen, wie der gute alte Sam Hawkens bei Karl May.

Wim Setzer ist Kunstkritiker und Journalist.