Tichys Einblick
Israel zu Beginn des vierten Kriegsmonats:

Annalena Baerbock – taktlos und ohne Gespür

Annalena Baerbock hat ihren Mangel an menschlichem und politischem Gespür für das Land im Nahen Osten, dessen Sicherheit angeblich deutsche Staatsräson ist, unter Beweis gestellt. Das Land heißt Israel. Eine Taktlosigkeit, die dem gesamten Nahen Osten Schaden zufügt.

IMAGO

Wenn die Bundesaußenministerin mit der deutschen Flugbereitschaft Berlin verlässt, ist Gefahr für das Ansehen Deutschlands angesagt. In diesen Tagen war sie mal wieder im Nahen Osten unterwegs, wo im vierten Monat ein Krieg tobt. Sie hat dort ihre Taktlosigkeit und ihren Mangel an menschlichem und politischem Gespür für das Land im Nahen Osten, dessen Sicherheit angeblich deutsche Staatsräson ist, unter Beweis gestellt. Das Land heißt Israel. Eine Taktlosigkeit, die dem gesamten Nahen Osten Schaden zufügt.

Am 8. Januar 2024 besuchte Baerbock auf Einladung eines „Außenministers von Palästina“, eines nichtexistenten Staates, den es auch noch nie gegeben hat, das Westjordanland. Ein Gebiet, das seit 3000 Jahren Judäa und Samaria heißt. Erst seit weniger als 100 Jahren nach dem biblischen Fluss Jordan benannt wird. Dort lässt sich die Bundesaußenministerin die Zustände aus der Sicht der palästinensischen Befreiungs-Organisation (PLO) erklären und sagt in die aufgestellten Mikrophone, ohne ihre Sonnenbrille abzunehmen: „… das verstößt gegen israelisches Recht und gegen internationales Recht“.

Die deutsche Außenministerin spricht von Recht in einer Umgebung der totalen Rechtlosigkeit, die ihre Gastgeber aus Ramallah seit über einem halben Jahrhundert betreiben. Eine Umgebung, in der seit drei Generationen ein Großteil der eigenen Bevölkerung von ihrer eigenen Führung in Flüchtlingslager gehalten wird, obwohl sie zur Auflösung der Elendsviertel in den letzten Jahrzehnten Milliarden an Dollars und Euros bevorzugt aus Berlin kassiert haben.

Der jüngste Beweis für das abstruse Rechtsverständnis einer Außenministerin, die „vom Staatsrecht kommt“: PLO-Führer Mahmoud Abbas hat in diesen Tagen bekannt gegeben, dass die Angehörigen der Hamas-Terroristen, die am 7. Oktober über den Süden Israels hergefallen sind, 1200 zumeist Zivilisten massakriert haben, 240 Geiseln verschleppten und rund 4000 Menschen verletzten, von der PLO eine „Rente für ihre Leistungen“ bekämen. Rente für Leistungen heißt in der Sprache der PLO: je mehr Morde an Israeli, desto höher die sozialen Zuwendungen.

Am Tag vor ihrem Besuch im Westjordanland, versprach Annalena Baerbock zum wiederholten Mal den israelischen Angehörigen der 136 Geiseln, die sich seit 95 Tagen in der Gewalt der Hamas in Gaza befinden, alles zur Befreiung auch der Kinder und der Alten zu tun. Nicht einmal 24 Stunden später ist alles vergessen oder verdrängt. Sie stellt ihrem Gegenüber in Ramallah nicht die Frage, ob auch sie bereit sind zu helfen, die Geiseln zu befreien. Kein Wort der Verurteilung des Massakers vom 7. Oktober. Stattdessen geht sie den Gastgebern auf den Leim und faselt von einer Zwei-Staaten-Lösung, für die es seit Jahrzehnten weder geographisch noch politisch ein überzeugendes Konzept gibt.

Damit unterstützt sie bewusst oder unbewusst die Strategie der Israel-Hasser, die die Gräueltaten des 7. Oktober in einen politischen Zusammenhang stellen wollen. Die Hamas strebt aber erklärtermaßen keine politische Lösung an. Sie hat mit Hilfe der „United Nations Relief and Works Agency“ (UNRWA), der Europäischen Union – Hauptzahler ist Berlin –, des Iran und anderen arabischen Staaten, eine Generation herangezogen, die mittels Morden, Verschleppen und Vergewaltigen Israel vernichten und zuallererst einschüchtern, die Moral zur Selbstverteidigung nehmen will. Jüngster Beweis: die Veröffentlichung von Fotos von vier blutverschmierten Geiseln.

Annalena Baerbock, die bekanntlich feministische Außenpolitik betreibt, hätte ihre Gesprächspartner im Westjordanland fragen können, ob sie freundlicher Weise dabei behilflich sein könnten, den vier sichtbar verletzten Mädchen, Karian Ariev, 19 Jahre jung, Agam Berger, 19 Jahre jung, Liri Albag, 18 Jahre jung, Daniela Gilboa, 19 Jahre jung, seit 95 Tagen in Gaza in Geiselhaft, zumindest Medikamente zukommen zu lassen.

Sie hätte die PLO bitten können, die arabische Hilfsorganisation Roter Halbmond gemeinsam mit dem Roten Kreuz zum Helfen zu bewegen. Helfen, die lapidare Frage zu beantworten: Wie geht es den Mädchen, die nichts anderes verbrochen haben als sich auf einem Open-Air-Konzert zu vergnügen? Sie hätte in ihre Unterlagen zur Vorbereitung des Besuches in Ramallah, den Tagesordnungspunkt aufnehmen können: Warum hat die Hamas die Frau des israelischen IDF-Offiziers Josef Mordechai, 31 Jahre jung, am Tag zuvor zur Witwe gemacht und das einjährige Kind zur Waise? Wenn die PLO Partner für eine politische Lösung wäre, würde eine Antwort auf diese Frage doch von größerem Interesse sein.

Josef Mordechai ist einer von bisher 185 israelischen Soldaten, die seit Beginn der Bodenoffensive gefallen sind. Soldaten, die nichts anderes wollen, als Israel in seiner Gesamtheit wieder friedlich bewohnbar zu machen, sicherzustellen, dass sich ein 7. Oktober nie mehr wiederholt. Die Israel Defence Forces kämpfen auch dafür, dass rund 200 000 Israeli im Norden und im Süden, die seit drei Monaten in Hotels, bei Freunden oder hilfsbereiten Mitbürgern untergekommen sind, wieder nach Hause können. Die Hamas, unterstützt von Islamic Jihad, Hisbullah und PLO will dagegen nichts anderes als Israel zu vernichten.

Es ist zweifellos zutreffend, dass man auch mit seinen Feinden im Gespräch bleiben sollte. Aber die Gespräche sollten aus der Sicht einer deutschen Außenministerin von einer Weltanschauung getragen sein, die die freiheitlich liberale Demokratie und das dazu gehörende Recht propagiert und verteidigt. Stattdessen ist zu beobachten, dass unter dem Deckmantel von Mitleid eine einseitige Politik der Unterdrückung, Zerstörung und Vernichtung betrieben wird.

Wenn Annalena Baerbock noch Raum für Mitleid hat, gibt es dafür eine Adresse: das Sheba-Krankenhaus in Tel Aviv. Allein dort sind am 7. und 8. Oktober rund 800 Verletzte eingeliefert worden. Verletzt heißt nicht selten Amputation von Armen oder Beinen, Gehirntraumata mit lebenslangen Behinderungen. Natürlich leiden auch in Gaza unschuldige arabische Kinder und Frauen. Klar und deutlich müssen dabei die Verantwortlichen für die aktuelle Katastrophe im Nahen Osten genannt werden: Das ist die Hamas und ihre Helfershelfer, die den 7. Oktober langfristig geplant, angezettelt und in einer unmenschlichen Brutalität exekutiert haben.

Ein israelischer Historiker hat schon vor längerer Zeit das satirische Zitat geprägt, das auch Ausdruck von Verzweiflung ist: „Deutschland wird den Juden Auschwitz niemals verzeihen“. Es hat allen Anschein, dass Annalena Baerbock Israel den 7. Oktober nicht verzeihen will.

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