Tichys Einblick
Ausgerechnet wegen Irans Revolutionsgarde:

Die „taz“ entlarvt Baerbocks Außenpolitik als Geheimniskrämerei

Baerbocks Ministerium behauptet, die iranische Revolutionsgarde könnte nicht auf die EU-Terrorliste gesetzt werden und verweist auf eine 12-seitige „Verschlusssache“. Juristen sehen das allerdings anders. Es wird höchste Zeit, dass sich die „Völkerrechtlerin“ Baerbock endlich persönlich um die Sache kümmert.

Annalena Baerbock bei der Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrates zur Lage in der Islamischen Republik Iran, Genf, Schweiz, 24.11.2022

IMAGO / photothek

Die „taz“ („tageszeitung“) nimmt man nicht ganz zu Unrecht als heimliches Parteimagazin der „Grünen“ wahr. Insofern ist es sehr ungewöhnlich, dass sich die „taz“ nun mit einer großen, tiefschürfenden Recherche ausgerechnet die „grüne“ Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zur Brust nimmt und in einem ausführlichen Beitrag einleitend gar schreibt: „Bei der Außenpolitik gegenüber Iran könnte die Fallhöhe für Annalena Baerbock nicht größer sein.“ Nun ja, stimmt. Allerdings sei angefügt, dass es über Jahre hinweg die „taz“ war, die Baerbock in luftige Höhen emporhievte.

Was war geschehen? Baerbocks Ministerium behauptet, die iranische Revolutionsgarde (Englisch: Islamic Revolutionary Guard Corps, IRGC) könnte nicht auf die EU-Terrorliste gesetzt werden und verweist auf eine 12-seitige „Verschlusssache“ („Restreint UE / EU restricted“) des „Council Legal Service“ der EU. Nun aber liegt diese „Verschlusssache“ der „taz“ vor, und die „taz“ kann die Darstellung des Außenministeriums ganz und gar nicht bestätigen.

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Tatsächlich hatte Baerbock unmittelbar nach dem gewaltsamen Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 getwittert: „Die Revolutionsgarde als Terrororganisation zu listen, ist politisch wichtig & sinnvoll“, schrieb sie am 9. Januar auf Twitter (heute X). Amini war kurz vor ihrem 23. Geburtstag wegen „un-islamischer“ Kleidung in einer Teheraner (Sitten-)Polizeistation schwer verletzt worden und danach verstorben. Baerbock wollte Amini zum Präzedenzfall für ihre „feministische Außenpolitik“ nach der Lesart machen: In Iran gebe es eine Revolte von Frauen, die sich nicht länger unterdrücken lassen wollen.

Gelistet wurden die IRGC bis heute nicht, wiewohl sogar das EU-Parlament diese Listung Anfang 2023 (auch mit den Stimmen der „grünen“ MdEPs) und nochmals im Juni 2023 mit Mehrheit beantragt hatte. In dem Antrag wird unter anderem darauf verwiesen, dass es in Europa wiederholt Anschläge gab, die der Iran verübt habe, oft auch in Verbindung zur Revolutionsgarde. Matthew Levitt, früherer FBI-Analyst für Terrorismusbekämpfung, veröffentlichte im Februar eine Ausarbeitung unter dem Titel: „Die EU kann und sollte die IRGC als terroristische Vereinigung bezeichnen.“ Er zählte 33 solche Anschläge binnen fünf Jahren.

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Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Listung lägen aber gegenwärtig nicht vor, sagt indes das Außenministerium immer wieder und verweist auf die genannte Verschlusssache. Baerbock selbst beruft sich nach wie vor auf die Einschätzung des Juristischen Dienstes des Europäischen Rates. Das ist das EU-Gremium der Staats- und Regierungschefs. „Die Antwort lautete: Nein“, sagte Baerbock damals in einem Interview mit der Welt. Begründung Baerbocks zudem: „Den Frauen im Iran wäre nicht geholfen, wenn eine Listung sofort vor dem Gericht der Europäischen Union einkassiert würde.“ (Zum Verständnis: Das Gericht der EU ist eine dem Gerichtshof der EU untergeordnete erste Instanz.)

Die „taz“ hat das „Gutachten“ nun in die Hand bekommen und schlussfolgert: Daraus lässt sich nicht schließen, dass die Listung derzeit rechtlich grundsätzlich nicht möglich sei. Die „taz“ hat zudem drei Völkerrechtler um eine Bewertung des Gutachtens gebeten (siehe unten). Alle drei kommen zu dem Ergebnis: So, wie Baerbocks Ministerium auf das Gutachten verweist, ist die Argumentation „eklatant“ nicht gedeckt.

Warum eiert das Außenministerium, und warum eiert Baerbock herum? Nach Ansicht der „taz“ gebe es im und um das Auswärtige Amt herum zahlreiche Stimmen, die eine Terrorlistung der Revolutionsgarde ablehnen. Begründung: Die Garde sei mittlerweile stark in die iranische Wirtschaft verstrickt. Man geht davon aus, dass die Garde mit der Hälfte der iranischen Unternehmen verbunden sei. Aha: „It’s the economy, stupid!“

Wieder andere Gegner einer Listung reden sich auf die Atomgespräche mit dem Iran hinaus: Mit einer Listung schwinde der diplomatische Spielraum, und die Atomgespräche wären damit beendet, Verhandlungskanäle verschlossen. Und dann auch noch die Ausrede der Bundesregierung vom November 2023: Auch die kanadische Regierung habe die iranische Revolutionsgarde bislang nicht gemäß dem „Anti-Terrorism Act“ gelistet.

Die EU-Terrorliste

Diese Liste entstand in der Folge von „Nine-Eleven“, sie umfasst aktuell 21 Organisationen und 13 Einzelpersonen, darunter etwa die Hamas, die Hisbollah, die PKK und die palästinensische PFLP. Folgen einer „Listung“ können sein: Vermögen der Organisationen und der Firmen, an denen sie Anteile haben, könnten eingefroren werden. Eine finanzielle Unterstützung der Organisation könnte unter Strafe gestellt werden. Es wären Einreisebeschränkungen für die Vertreter der Organisation möglich. Und: Jede Unterstützung der Revolutionsgarde, die zumal auch in Deutschland stattfindet, wäre strafbar, bis hin zum Verbot von Rekrutierungsversuchen und dem Zeigen ihres Emblems.

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Dennoch hieß es etwa Anfang Dezember 2023 vom Auswärtigen Amt erneut: „Der Juristische Dienst des Rates hat in seiner schriftlichen Stellungnahme im Februar 2023 festgestellt, dass für eine Listung einschlägige Ermittlungen oder Urteile gegen die Iranischen Revolutionsgarden aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorliegen und dass bestehende Urteile aus den USA nicht herangezogen werden können.“ Das heißt aber auch nichts anderes als: Die Bundesregierung, namentlich das Auswärtige Amt, hat es versäumt, erst einmal national eine Aufnahme der IRGC in die EU-Terrorliste vorzubereiten. Denn eine erste Aufnahme in die Liste erfordert eine nationale Entscheidung.

Die „taz“ bat drei Juristen, die Aussagen des Gutachtens zu bewerten.

  • Christian Marxsen, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, erklärte dazu: Es finde sich „in dem Gutachten keine Aussage dazu, ob es anderweitige Anknüpfungspunkte – zum Beispiel weitere Gerichts- oder Verwaltungsentscheidungen aus anderen Staaten – für eine solche Listung gibt.“
  • Professor Matthias Herdegen, an der Universität Bonn unter anderem Direktor des Instituts für Völkerrecht sowie Direktor am Center for International Security and Governance, sagt: „Die Positionen des Juristischen Dienstes liefern keine überzeugende Begründung gegen die Terrorlistung. Es entsteht der Eindruck, dass sich die Bundesregierung hinter einer schwachen juristischen Argumentation verschanzt.“
  • Lukas Märtin, Rechtswissenschaftler am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, erklärte zu dem Gutachten: „Dass die Voraussetzungen für eine Aufnahme der Revolutionsgarden gegenwärtig rechtlich nicht vorlägen, geht aus der Stellungnahme des Juristischen Dienstes vom 15. Februar 2023 nicht hervor.“ Märtin hat zur Frage der Listung der IRGC und der angeblichen rechtlichen Hürden im Oktober eine Ausarbeitung veröffentlicht. Märtin kritisiert darüber hinaus: In Deutschland gebe es eine Tendenz, politische Debatten stark zu verrechtlichen. Man wolle offenbar politische Entscheidung vermeiden, so Märtin.

Unser Rat: Es wird höchste Zeit, dass sich die „Völkerrechtlerin“ Baerbock endlich persönlich um die Sache kümmert.

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