Tichys Einblick
In Frankreich neuer Messermord

Hamburg: Das Extremistentreffen, das die Ampel unter den Teppich kehren möchte

In Hamburg gab es kurz vor dem Ramadan-Ende ein Treffen extremer Muslime, das kaum Aufsehen erregte. Drei Zeitungen berichteten, die Berliner Politik schweigt weiterhin ausdauernd zu dem Problem. Zumal Nancy Faeser hat gezeigt, dass ihr der muslimische Extremismus im Lande egal ist.

IMAGO / Hanno Bode
Der Ramadan ist vorbei, Zeit für eine Bilanz. In Frankreich führte auch der religiöse Fanatismus zu einer Reihe von Gewalt- und Bluttaten, bei denen ein junger Mann starb und ein Mädchen von 13 Jahren ins Koma geprügelt wurde. In Großbritannien setzten sich die Pro-Hamas-Demonstrationen fort, und eine Umfrage zeigt, wes Geistes Kind die Muslime des Landes sind. Auch in Deutschland passierte einiges. Vor allem durfte die deutsche Öffentlichkeit einiges über den Ramadan und seine Bräuche lernen, sich an Stadtbeleuchtungen zum Thema erfreuen, die in den transformierten Vierteln selbst angeblich kaum jemanden mehr störten. Längst gibt es Bestrebungen in Großbritannien und Italien, das große Fastenbrechen am Ende dieses Mondmonats zum nationalen Feiertag zu machen.

In Hamburg trafen sich noch vor Ende des Ramadans mehr als 400 meist junge Männer, die teils in großen Karossen der Marken Mercedes oder BMW vorfuhren, zu einem Treffen, das die Gruppe „Muslim Interaktiv“ organisiert hatte. Inzwischen hat NRW-Innenminister Herbert Reul daran erinnert, dass die Gruppe „brandgefährlich“ ist und offenbar eine Tochter der in Deutschland verbotenen Hizb ut-Tahrir. Das hatte Reul auch im letzten November schon gesagt. Doch Nancy Faeser, zwangsläufig aktiv geworden bei Betätigungsverboten für die extremistischen Organisationen Hamas und Samidoun, tat nichts. Unklar ist, warum: Liegt es daran, dass ihr die Umtriebe egal sind? Weiß sie selbst oder ihr Haus nicht genug über die Gruppen? Oder tut man sich schwer, V-Leute bei den Salafisten einzuschleusen? Bis heute gibt es kein Verbot von „Muslim Interaktiv“ oder verwandter Gruppen wie „Realität Islam“ oder „Generation Islam“.

Hizb ut-Tahrir („Partei der Befreiung“) ist die radikale Schwester der Muslimbruderschaft und wurde 1953 in Ostjerusalem gegründet. Das Hauptziel der Bewegung oder Sekte ist die Wiedererrichtung des Kalifats, das seit 1924 vakant ist, seit der letzte osmanische Sultan abtrat. Indem die Gruppe die Abwesenheit eines Kalifats zur Sünde der Muslime stilisiert, werden die bei HuT engagierten Mitglieder zu exemplarischen Reinen, die den anderen Muslimen überlegen wären. Es ist dieselbe Logik des Glaubenseifers wie immer, eine Logik, die das Christentum europäischer Prägung – wenn es sie je besaß – lange hinter sich gelassen hat.

Redner erklärt, was Christen falsch machen

Es ist dabei nicht ganz richtig, dass die Gruppen das Kalifat nur in Deutschland errichten wollen. Aber sie wollen es auch hier errichten. Das ist anscheinend einer der Unterschiede zu den Muslimbrüdern, dass diese die nationalen Staaten unterstützen, wo die Kalifatsanhänger eben diese, von ihnen bevorzugte Herrschaftsform (das Kalifat) als ein weltweites Modell für alle Muslime und Nicht-Muslime befürworten.

Doch in den Medien kam das Treffen kaum vor. Das Hamburger Abendblatt berichtete vom „Riesenandrang“ bei der extremistischen Veranstaltung in Billbrook, der Verfassungsschutz sei alarmiert. Die Hamburger Morgenpost schickte einen Reporter zu dem Treffen, doch der wurde schon an der Tür zurückgewiesen: „Privatveranstaltung“. Die NZZ machte es zum Tagesthema ihres Newsletters. Das war es schon beinahe.

Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass auch der Redner auf der Veranstaltung, der bekannte Salafist Marcel Krass, in verschiedenen Verfassungsschutzberichten vorkommt. Er soll sogar mit einem der Attentäter vom 11. September 2001 Kontakt gehabt haben, wie das Abendblatt schreibt. In seinen Videos erklärt er unter anderem, was Christen falsch machen (an einen Sohn Gottes glauben) oder dass ein gut geschmiedetes Messer oder auch ein Mercedes ein perfektes Beispiel für die Schöpfung sein kann. Außerdem soll man dem Koran besser nie den Rücken zukehren.

Nun ist es vielleicht nur eine Frage der Zeit, wann auch die Vorfeld-Organisationen von Hizb ut-Tahrir verboten sind, mit letztlich fraglichem Wirkungsgrad. Denn die Aktivitäten des Hamburger Islamismus dürften weitergehen. 1.775 Personen werden derzeit vom Hamburger Verfassungsschutz diesem Phänomenbereich zugeordnet, darunter 490 Salafisten (Fundamentalisten) und 225 Dschihadisten (offen militante Fundamentalisten). Sie werden ihre Umtriebe wohl fortsetzen, auch nach dem Verbot weiterer Tarnorganisationen.

Scholz und Faeser bleiben stumm angesichts dieses Extremismus

Aber etwas anderes fehlte zur Gänze: Es gab keinen hörbaren Aufschrei – sicher nicht aus der Berliner Ampel-Koalition – zu diesem Treffen, das sich viel klarer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wendet, als es irgendeine Potsdamer Konferenz zur Remigration kann. Diese Grundordnung scheint jedenfalls kaum mit einem globalen Kalifat vereinbar zu sein, nicht mal mit seinem deutschen Ableger. „In einem solchen Kalifat gibt es keine Grundrechte“, sagte denn auch ein Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes dem Hamburger Abendblatt. Sogar der migrationspolitische Sprecher der Hamburger SPD, Kazim Abaci, sagte laut Focus: „Diese geheimen Veranstaltungen in unserer Stadt zeigen, dass neben Rechtsextremisten auch die Islamisten eine reale Gefahr für unsere Freiheit und für unser friedliches Zusammenleben sind. Wir müssen wachsam bleiben. Wir dürfen den Islamismus nicht aus den Augen verlieren.“

Die Stimme Faesers war in dieser Sache unhörbar. Wie wäre es beim neueren Anlass mit dem folgenden Satz gewesen: „Diese [religiöse] Ideologie richtet sich gegen das Fundament unserer Demokratie“? Das fiel Faeser mit dem Adjektiv „völkisch“ zum Potsdamer Treffen ein. Zum Billbrooker Treffen fiel ihr gar nichts ein. Faeser hat den Expertenkreis Politischer Islamismus aufgelöst und stattdessen von interessierter Seite eine längliche Broschüre (euphemistisch „Studie“ genannt) zur Muslimfeindlichkeit verfassen lassen, die nicht vor der Diffamierung von Islamkritikern wie Henryk M. Broder zurückschreckte. Die Broschüre musste nach einem entsprechenden Gerichtsurteil eingestampft werden.

Auch Olaf Scholz, der sich einen Tag nach dem Correctiv-Artikel zu den dort versammelten Vorwürfen äußerte, blieb stumm. Er hatte die Potsdamer Diskussion über im Gesetz vorgesehene Abschiebungen als „Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“ bezeichnet. Dabei ist die Gefahr durch islamistischen Terror – laut den im letzten Jahr eingeleiteten Verfahren der Bundesanwaltschaft – um mehr als das 20-Fache höher als die Gefahr durch den Rechtsextremismus.

Jordan Bardella: Aufschrecken dringend nötig

Wie brisant das Thema werden kann, zeigt dabei auch eine neue Nachricht aus Frankreich. Im Zentrum von Bordeaux gab es am letzten Tag des Ramadan, also am vergangenen Mittwoch, eine blutige Szene. Ein Mann nordafrikanischer Herkunft griff zwei Algerier mit einem Messer an, die das Ende der Fastenzeit mit einem alkoholischen Getränk begingen. Dem Angreifer ging es angeblich um diesen Akt der Verunreinigung des islamischen Festes, um das Nicht-Orthodoxe an dem Fastenbrechen-Umtrunk.

Er selbst trug eine Dschellaba, jenen Kapuzenmantel, der vor allem in Marokko, aber auch sonst im Maghreb üblich ist. Auf Videos der Tat kann man sehen, wie sich der Mann herunterbeugt, um einer Person, die am Boden liegt, Messerstiche zu versetzen. Umstehende riefen „Hör auf“, doch der Täter konnte fliehen. Beim Versuch der Festnahme schoss ein Polizist auf den immer noch bewaffneten Mann und verwundete ihn tödlich.

Eines der Opfer, ein 36-jähriger Algerier, starb durch Verletzungen im Halsbereich. Sein Bekannter schwebte in Lebensgefahr. Der grüne Bürgermeister von Bordeaux, Pierre Hurmic, ließ ein islamistisches Motiv offiziell verneinen. Aber das glaubte ihm offenbar keiner. Jordan Bardella, EU-Spitzenkandidat des Rassemblement National (RN), dankte dem Polizisten für die Verhinderung eines größeren Blutbades. Bardella wies darauf hin, dass immer mehr Muslime in Frankreich die Scharia, ein System islamischer Gesetze, einführen wollen. Ein „Aufschrecken“ der Öffentlichkeit in dieser Frage sei dringend nötig. Auch die Senatorin der Républicains, Valérie Boyer, fragte, wie lange „die Regierung“ noch Details und Analysen zum zunehmenden Einsatz von Stichwaffen in Frankreich verheimlichen werde.

Anzeige