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Gute Nachrichten: Trump brüskiert G6

Trump wurde gewählt, um das politische Establishment zu brechen und in einigen konzentrierten Momenten gelingt ihm dies gar nicht schlecht. Aber das ist der einfache Teil. Gemessen an den Möglichkeiten eines US-Präsidenten muss er erst noch liefern.

Front row, L-R: Kenya's President Uhuru Kenyatta, Guinea's President Alpha Conde, US President Donald Trump, Italian Prime Minister Paolo Gentiloni, French President Emmanuel Macron, Niger's President Mahamadou Issoufou and Tunisian President Beji Caid Essebsi pose for a family photo with other participants of the G7 summit during the Summit of the Heads of State and of Government of the G7, the group of most industrialized economies, plus the European Union, on May 27, 2017 in Taormina, Sicily. The leaders of Britain, Canada, France, Germany, Japan, the US and Italy will be joined by representatives of the European Union and the International Monetary Fund (IMF) as well as teams from Ethiopia, Kenya, Niger, Nigeria and Tunisia during the summit from May 26 to 27, 2017

© Stephane De Sakutin/AFP/Getty Images

Der gerade vorübergegangene G7-Gipfel hat eine gewisse Chance, von den Historikern der Zukunft als Zäsur im transatlantischen Verhältnis gewertet zu werden. Immerhin sah sich im Anschluss sogar die so oft um lauwarme Worte bemühte Bundeskanzlerin Merkel genötigt, öffentlich auszusprechen, dass sie die Vereinigten Staaten unter deren derzeitiger Regierung nicht mehr für verlässliche Partner hält. Obwohl sich hier die Frage aufdrängen mag, wer Angela Merkel wohl nach ihren abrupten oder schleichenden Kehrtwenden in der Energiepolitik, der Rentenpolitik, der Europolitik und der Migrantionspolitik noch für eine verlässliche Partnerin hält – der Gipfel hat anscheinend Spuren hinterlassen.

Diese Spuren finden sich weniger in dem, was die G7 verlautbaren ließen, denn in dem, was sie nicht bekanntgab – nicht bekanntgeben konnte, weil die US-amerikanische Delegation sich querstellte.

Zu den Themengebieten, auf denen Präsident Trump sich merklich verweigerte, gehörte auch die „Flüchtlingspolitik“. Der dazu beim Gipfel vorgelegte italienische Vorschlag verkörperte lediglich ein weiteres Mal die von den europäischen Eliten seit Jahren verbreiteten Illusionen und auch Unwahrheiten: Migration lasse sich nicht aufhalten, es sei auch nicht wünschenswert, sie aufzuhalten, denn sie mildere Europas demografisches Problem, sie könne höchstens dadurch reguliert werden, indem mit viel Geld und Programmen die Migrationsursachen in den Herkunftsländern bekämpft würden.

Als Ergänzung warf der Vorschlag zum wiederholten Male die Nebelkerze der Vorteile von hochqualifizierter Migration in den Raum. Nicht, dass es diese Vorteile nicht gäbe, aber der Anteil Hochqualifizierter am Migrantenstrom aus Afrika ist so gering, dass es sich hierbei um eine bestenfalls akademische Diskussion ohne Bezug zur Realität handelt. Man spricht über hochqualifizierte Migranten, weil letztere sich den Wählern kontroverslos verkaufen lassen, nicht weil es sich wirklich um ein Schlüsselthema handelt.

Statt des italienischen Vorschlags landete schließlich auf Drängen der USA ein kurzer Passus in der Abschlusserklärung des Gipfels, in dem das Recht der Staaten auf Kontrolle ihrer Grenzen und Beschränkung der Zuwanderung betont wird – also genau das Recht, das viele Bürger in Deutschland und anderen EU-Staaten niemals aufgeben wollten, dessen Aufgabe aber von der Regierung Merkel im Alleingang entschieden worden war. Mit diesem ins Gesicht der deutschen Kanzlerin gereckten Mittelfinger wird Trump sich manchen Freund gemacht haben.

Den Schock darüber, dass da einer auf dem G7-Gipfel einfach aus der Reihe tanzt, konnte man auch denjenigen anmerken, die sich sonst darauf verstehen, hinter den Kulissen derartiger Zusammenkünfte die Fäden zu ziehen.

DIE WELT zitiert eine anonyme Vertreterin einer Entwicklungsorganisation mit dem Satz „Ich habe noch nie einen solchen Gipfel erlebt“. Das sind gute Nachrichten. Denn anscheinend war die betreffende Dame es bereits bestens gewohnt, den Regierungschef der G7 die Themen und Standpunkte für deren Abschlusserklärungen praktisch ins Stammbuch zu schreiben. Ein völlig intransparenter Konkurrenzkampf der unzähligen NGOs, ausgetragen in luxuriösen Hotel-Lobbys und -Korridoren ohne demokratische Kontrolle und zudem natürlich für die Dauer des Gipfels enorm abgesichert gegen Migrantenboote, die Sizilien angesteuerten.

Zu den Organisationen, die sich namentlich über die mageren Resultate des Gipfels beschwert haben, gehören Oxfam und ONE.

Oxfam ist diejenige an Skandalen im Allgemeinen nicht arme NGO, die die Grenzen zu „fake news“ überschreitende Studien erstellt, um Lobbying für das Thema der globalen Ungleichheit zu betreiben.

ONE betreibt selbst kein einziges Projekt „on the ground“, um Armut zu bekämpfen. ONE versteht sich als reine Kampagnenorganisation, die bei Regierungen und Institutionen Lobbying für „Armutsbekämpfung“ betreibt – sprich, Geld auftreibt. Nicht genug, dass sie U2-Sänger Bono zu ihren Gründern zählt; ONE versteht sich auch darauf, die Drehtüren zwischen Politik und Lobbyisten zu nutzen. So ist die derzeit amtierende ONE-Präsidentin Gayle Smith noch bis Anfang des Jahres die von Barack Obama bestimmte Leiterin der staatlichen Entwicklungshilfebehörde USAID gewesen.

Noch einmal: Wenn diese Leute sich ärgern, sind das sehr gute Nachrichten – sowohl für die Bürger der G7-Länder, deren Zweifel an der tugendhaften Globalsteuerung von den Lobbyisten erstickt werden und nicht mehr zu den gewählten Regierenden durchdringen, als auch für die Bürger der Staaten, in denen diese „NGOs“ aktiv sind, denn der finale Sieg über den Hunger wäre das Schlimmste, was letzteren passieren könnte.

Jedoch fällt auch der Wermutstropfen über Trumps Brüskierungen vergleichsweise groß aus. Denn der Präsident ist zwar gut darin, mit den so einstudierten und immer gleichen Abläufen und Gepflogenheiten der politischen Eliten zu brechen. Aber bisher hat er noch nicht bewiesen, dass er etwas an die Stelle des angerichteten Scherbenhaufens setzen kann, nachdem die Genugtuung über die ratlosen Gesichter der EU-Politiker verflogen ist. Schließlich sind die Probleme, mit denen die G7 und andere Institutionen sich befassen, auch abgesehen von der Migrationskrise alles andere als trivial. Sie bedürfen allerdings neuer Ideen, neuer Argumentationen und neuer Partner. Hier hat die Trump-Regierung noch nichts von sich hören lassen und mit jeder Woche sinkt die Hoffnung darauf, dass sie etwas Nennenswertes anzubieten hätte.

Trump wurde gewählt, um das politische Establishment zu brechen und in einigen konzentrierten Momenten gelingt ihm dies gar nicht schlecht. Aber das ist, wenn man so will, der einfache Teil. Für das Amt des US-Präsidenten und angesichts der Möglichkeiten, die dieses Amt eröffnet, scheint dieser Auftrag, insbesondere auf vier Jahre ausgedehnt, viel zu gering. Wenn Angela Merkel ankündigt, sich in Zukunft nicht mehr auf Amerika zu verlassen und stattdessen mit Europa ein eigenes Programm durchzuziehen, dann sollte Donald Trump sehr darauf achten, nicht eines Tages von ihr abgehängt zu werden. Gesetzt den Fall, dass Merkels Wort mehr ist als die morgen vergessene Tagesmeldung.