Tichys Einblick
142 Geschenke für EU-Parlamentspräsidentin

Die Geschenke-Affäre im EU-Parlament legt mangelnde Kontrollen offen

Die Korruptionsaffäre im EU-Parlament ist nicht ausgestanden, da fällt ausgerechnet Parlamentspräsidentin Roberta Metsola mit Intransparenz auf. Doch die 125 Geschenke, die sie nicht gemeldet hat, lenken vom eigentlichen Thema ab.

IMAGO / Panama Pictures

Einhundertfünfundzwanzig Geschenke hat EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in ihrer einjährigen Amtszeit angenommen – und zu spät deklariert. Das ist für die Malteserin gleich doppelt problematisch. Denn erstens ist die Affäre im EU-Parlament um Gefälligkeiten von Fremdstaaten immer noch nicht ausgestanden. Und zweitens hatte gerade Metsola vor wenigen Tagen sich an die Spitze der Aufklärung stellen und mit einem 14-Punkte-Programm aufräumen wollen.

Insofern geschieht eine Umdeutung der Geschehnisse. Die Offenlegung der Geschenke wird von ihrem Team nun als „Transparenz“ bewertet. 142 Geschenke hatte sie angenommen, bei 125 die Frist verpasst – aber anders als andere hätte sie diese überhaupt angegeben. Als Abgeordnete ist Metsola dazu angehalten, Geschenke spätestens am Ende des darauffolgenden Monats zu melden.

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Mitarbeiter von Metsola behaupteten, dass es nicht üblich sei, dass der Parlamentspräsident angenommene Geschenke angeben müsse. Auf welcher rechtlichen Grundlage diese Gepflogenheit aufbaut, konnte das Team laut dem Magazin Politico jedoch nicht angeben. Verteidiger Metsolas argumentieren, sie hätte die Geschenke zumindest „intern“ gegenüber der Administration angegeben. Metsola selbst erklärte Politico gegenüber, dass sie die Aufmerksamkeiten nicht in ihrer Funktion als Mitglied angenommen habe, sondern „als Parlament“.

Tatsächlich sind eine Vielzahl der im Register aufgeführten Geschenke, die Metsola erhalten hat, mit Sicherheit keine persönlichen Gegenstände, sondern haben symbolischen Wert. Ein hessischer Löwe von Volker Bouffier, Plastiken, die als Aushängeschild befreundeter Parlamente gelten, ein blaues Schaf der „European School“ in Karlsruhe, CDs vom Gewinner des European Song Contest – bei manchen Gefälligkeiten überlegt man selbst, ob man sie haben möchte. Die Kitschsammlung passt prächtig zu der Versammlung, der Metsola als Präsidentin vorsteht.

Auch andere Geschenke sind weniger verfänglich. Zwar dürften Schokolade, Kaffee, Kekse, Brezeln und Weinflaschen als verderbliche Güter kaum in die Kategorie von Parlamentsgeschenken fallen. Metsolas Mitarbeiter haben unterstrichen, dass diese Produkte allesamt im Zuge der Parlamentssitzungen serviert worden seien. Und ob eine nicht beim Transparenzregister angegebene Flasche Wein ausreicht, um von einer neuen Affäre des Parlaments zu berichten, ist durchaus fraglich.

Doch es gibt auch weitere Zuwendungen. Etwa ein weißes Kleid mit Goldstickereien aus Bahrein. Und stehen die Schals, die Metsola etwa vom luxemburgischen Großherzog oder dem italienischen Europaminister erhalten hat, wirklich dem ganzen Parlament zur Verfügung? Was ist mit der Bluse aus Moldawien – reines Symbol moldawischer Handwerkskunst oder persönliches Accessoire? Und handelt es sich bis auf eine einzige Ausnahme (eine Plakette mit goldenen Datteln aus den Vereinigten Arabischen Emiraten) wirklich alles um Geschenke im Wert von unter 150 Euro, wie Metsola angibt?

Es sind Fragen, die die Medien beschäftigen, teils genutzt werden, um die Causa herunterzuspielen. Dabei liegt der Punkt ganz woanders. Denn das mittlerweile veröffentlichte Register zeigt nicht nur, dass Metsola zu den wenigen Abgeordneten gehört, die ihre Geschenke überhaupt angibt: Nur 10 von 751 Mitgliedern des EU-Parlaments haben deklariert, dass sie Geschenke erhalten haben. Dass eine so niedrige Zahl nur mit der Endphase der Corona-Krise zusammenhängt, darf bezweifelt werden.

Viel gewichtiger ist dagegen eine andere Feststellung. Denn die erhaltenen Geschenke müssen ausgerechnet beim Parlamentspräsidenten angegeben werden. Auch für die Einhaltung und Sanktionierung bei Verstößen gegen diese Ordnung ist der Parlamentspräsident verantwortlich. Metsola muss also im Fall Metsola prüfen, ob sie eine Bestrafung verdient hat. Die Geschichte um kitschige EU-Schafe, brescianische Salami und arabische Gewänder entlarvt also einen ganz anderen Skandal: Im Falle von Intransparenz und Korruption ist der Parlamentspräsident für sich selbst zuständig.

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