Tichys Einblick
Verstaatlichung des Energiesektors

Das Wirtschaftsministerium als Zaubereiministerium: Kommt das Gas aus den Gaskraftwerken?

Hinter Habecks Vorhaben, den Bau von Gaskraftwerken zu fördern, steht nicht nur die Absicherung der Windkraft, sondern der größere Plan, die Soziale Marktwirtschaft in die klimaneutrale Kommandowirtschaft zu transformieren – indem man durch Verstaatlichung den Energiemarkt in einen staatlichen Energiesektor umwandelt.

IMAGO / Jens Schicke

Robert Habeck ist den Niederungen der Muggelwelt endlich entfleucht und lebt nun in der Parallelwelt der Zauberer, wie sie einst Joanne K. Rowling so schön beschrieb. Denn nur unter magischen Gesichtspunkten lässt sich der neueste Geniestreich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Zauberei verstehen. Die Meiler D und E des Kohlekraftwerks Neurath sollten ursprünglich wie die drei Kernkraftwerke bis zum Ende des Jahres vom Netz gehen. Doch dank der großen Erfolge von #DankeRobert in der Gasbeschaffung, da er uns doch unabhängig von russischen Gaslieferungen gemacht hat, werden die Kernkraftwerke und die Kohlekraftwerke mehr denn je benötigt.

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Der Deal mit RWE sieht nun folgendermaßen aus. Die beiden Meiler in Neurath bleiben nicht bis zum 31.12.2022 am Netz, sondern bis Ende März 2024. Im Gegenzug wird in NRW der Kohleausstieg vorgezogen. So wird Wüsts (CDU) NRW statt zu einem klimaneutralen Industrieland zu einem industrieneutralen Klimaland. Ursprünglich hatte die Regierungskommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ im Jahr 2019 empfohlen, dass die Kohleverstromung im Jahr 2038 beendet wird. Nun soll sie als „Gegenleistung“, damit Neurath D und E knapp anderthalb Jahre länger am Netz bleiben, um 8 Jahre vorgezogen werden, das heißt 2030 erfolgen, als Ausgleich sozusagen, damit das gute grüne Gewissen der grünen Basis aus Oberlehrern, Gender-Professorinnen und Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nebst den alimentierten Angehörigen der zahllosen NGOs beruhigt wird.

Auf Kosten der Zukunft des Landes genehmigen sich die Grünen also die holdseligen Spießerträume eines übersättigten Juste Milieu, das sich das Elend, das es erzeugt, nicht einmal im Ansatz vorzustellen vermag. Anstatt am an sich falschen Kohleausstieg 2038 zu rütteln, wird er nun auch noch auf 2030 vorgezogen. Doch damit sendet das Bundesministerium für Wirtschaft und Zauberei falsche Signale in den Markt, die uns teuer zu stehen kommen werden, uns, nicht RWE, auch nicht den RWE-Chef Markus Krebber.

TE hat gestern berichtet, wie RWE Teile des Geschäfts in die USA verlagert, woran der Finanzdienstleister und Vermögensverwalter BlackRock beteiligt ist. Passend dazu fällt BlackRock in letzter Zeit durch Werbung auf Twitter auf, die inhaltlich wie ästhetisch der Spinnstube grüner Träume zu entstammen scheint, nur das BlackRock nicht spinnt, sondern Geld verdient – auch mit der Naivität des deutschen Steuerzahlers. Erinnert man sich daran, dass Friedrich Merz im Aufsichtsrat von BlackRock saß, dann liegt darin vielleicht ein Grund für die Operetten-Opposition der CDU, vor allem für Merzens politisches Balzen um Ricarda Lang.

Robert Habeck, Bundesminister fuer Wirtschaft und Klimaschutz, Buendnis 90/Die Gruenen, Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, PK zum Thema: Energieversorgung und Klimaschutz, DEU, Berlin, 04.10.2022 © IMAGO / Jens Schicke

Doch damit sind wir noch von der eigentlichen Magie des Deals zwischen Bundesregierung und RWE entfernt. Laut einem Bericht der WELT einigten sich darüber hinaus die Bundesregierung und RWE auf den Bau von Gaskraftwerken bis 2030 mit einer Leistung von 3000 Megawatt in Nordrhein-Westfalen. Zwar haben wir eine Gaskrise, zwar verspricht die Regierung 200 Milliarden Euro, um den Gas- und den Strompreis zu deckeln, zwar erlebt die Bundesrepublik eine Insolvenzkrise, eine Inflation nunmehr faktisch von 10 Prozent und gefühlt von 34 Prozent und steht am Beginn einer Wirtschaftskrise, um das noch nette Wort Rezession zu vermeiden, zwar gelang es #DankeRobert uns von russischen Gaslieferungen abzuschneiden, zwar hat er bis jetzt noch nicht für Ersatz gesorgt, aber all das ficht das Bundesministerium nicht an, denn jetzt wird Wirtschaftspolitik zur wahren Zauberei.

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Denn Zauberei ist notwendig, wenn das Gas nicht mehr in den Gaskraftwerken verbraucht werden, sondern in ihnen erzeugt werden soll. Anders lässt sich Habecks famose Idee, weil kein Gas da ist und die Versorgungssituation ungeklärt ist, Gaskraftwerke zu bauen, jedenfalls nicht erklären. Als von niemanden mehr der eklatante Mangel an Zement bei der Industrialisierung der Sowjetunion übersehen werden konnte, schrieb der Schriftsteller Fjodor Gladkow einen erzählerischen Hymnus auf ein Zementwerk, den der Dichter Waldimir Majakowski in einem Gedicht sarkastisch mit den Versen kommentierte: „Weit und breit kein Zement, doch auf Gladkows Geheiß/plärrt man Dankgebete – für Zement.“ Weit und breit keine Gaslieferungen, aber nach dem Willen der Grünen soll RWE Steuergelder zum Bau von Gaskraftwerken erhalten.

Die Begründung für die Förderung durch die Bundesregierung ist einfach zauberhaft, denn weil es auf längere Zeit an privaten Investoren mangelt – warum wohl? –, beteiligt sich die Bundesregierung am Bau der Back-up-Kraftwerke. Denn die Gaskraftwerke werden benötigt für die Absicherung der Grundlast als Reserve für die höchst unsicheren Windparks und Photovoltaik-Anlagen. Klarer kann man es nicht ausdrücken: ohne Gaskraftwerke keine Windräder, ohne Gaskraftwerke keine Energiewende. Darin besteht der eigentliche Grund für die deutsche Energiekrise, die merkelgemacht und habeckbeschleunigt ist.

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Hinter Habecks Förderung des Baus von Gaskraftwerken steht jedoch nicht nur die Absicherung der Windkraft, sondern der größere Plan von der Transformation der Sozialen Marktwirtschaft in die klimaneutrale Kommandowirtschaft, indem man durch Verstaatlichung den Energiemarkt in einen staatlichen Energiesektor umwandelt. Die von der Ampel betriebene Schaffung eines staatlichen Energiesektors wird nicht nur über den Weg der Verstaatlichung betrieben, sondern auch, indem Habecks Ministerium die Schaffung eines Kapazitätsmarktes im Energiebereich vorantreibt. Bisher galt das Prinzip des Energy-only-Marktes, das heißt neue Investitionen im Bereich der Kraftwerke werden von der Knappheit, also von der benötigten Energiemenge ausgelöst.

Wenn der Strombedarf die Kapazitäten übersteigt, werden Kraftwerke erweitert oder neu errichtet, in vulgo: Das marktwirtschaftliche Prinzip von Angebot und Nachfrage regelt. Nach diesem Prinzip lässt sich aber die Energiewende, das heißt der massenhafte Ausbau von Windkraft und Photovoltaik nicht vorantreiben, weil das Angebot nicht steuerbar ist, weil Wind und Sonne Zufallsenergien mit geringer Energiedichte sind. Deshalb will Habeck unabhängig von der Nachfrage ein Kapazitätsangebot aufbauen, allerdings in Reserve. Heißt: Wenn die Windräder zu wenig Strom liefern, werden die Reservekraftwerke hochgefahren. Deshalb will Habeck eine Art „Kapazitätsmarkt“ für Back-up-Kraftwerke einrichten. Kraftwerksbetreiber können an diesem Markt nur Kapazitäten zur Aufrechterhaltung der Versorgung im Notfall anbieten.

Bisher konnten die Kraftwerksbetreiber immer anbieten, jetzt sollen sie nur anbieten dürfen, wenn Sonne und Wind nicht genügend Energie abwerfen, nur ist ein solches Modell wirtschaftlich nicht darstellbar. Aus diesem Grund findet sich weder ein privater Investor, für den nun der Staat, also der Steuerzahler einspringt, und auch kein privater Kraftwerksbetreiber, dessen Kosten nicht aufhören, wenn er nicht produziert, wie sich das Robert Habeck so vorstellt. Aus diesem Grund muss sich der Staat beteiligen – und über dessen Beteiligung an den an sich unrentablen reinen Reservekraftwerken wird der Energiesektor verstaatlicht. Wer aber den Energiesektor in seiner Hand hat, der bestimmt über die Volkswirtschaft, darin besteht der eigentlich Plan der Grünen.

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Und auch der Unternehmensfunktionär von RWE mit dem märchenhaften Verdienst bei Abwesenheit persönlichen Risikos, Markus Krebber, sieht die Voraussetzung des Vorziehens des Kohleausstiegs 2030, im „massive(n) Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen, Speichern sowie zusätzlicher gesicherter Leistung in Form von modernen Gaskraftwerken, die perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden können“. Wie praktisch übrigens, wenn man mit der Bundesregierung den Bau von Gaskraftwerken aushandelt und gerade für 6,9 Milliarden Euro den US-Solar-Spezialisten „Con Edison Clean Energy Businesses“ kauft. Ein Geschäft zu Lasten Dritter: RWE verdient, die Wind- und Sonnenenergiebranche gewinnt, die Finanzindustrie gewinnt, die Grünen gewinnen ungeahnte politische Macht.

Nur der Bürger, die Familien verlieren – und zwar massiv an Sicherheit und Wohlstand. Der Manchesterkapitalismus erlebt im staatssozialistischen Gewand seine Auferstehung als klimaneutrale Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Wenn Habeck sagt, „Putins Angriffskrieg zwingt uns, vorübergehend stärker Braunkohle zu nutzen, damit wir in der Stromerzeugung Gas sparen“, stellt sich die Frage, weshalb er Gaskraftwerke gerade jetzt bauen will. Die Frage beantwortet sich nicht mit Blick auf die Wirtschaft, sie beantwortet sich mit Blick auf die angestrebte Transformation der Gesellschaft, auf die Mission, von der Habeck her denkt.

In der schönen Zauberwelt der grünen Ideologie, wie sie wirtschaftlich von der Lobby Organisation Agora Energiewende, der einst Habecks Staatssekretär Patrick Graichen vorstand, ersonnen worden ist, mag sich Robert Habeck als Albus Dumbledore fühlen, in der realen Welt ist er ein Zauberlehrling, dem aber kein Meister aus dem selbstverursachten Chaos helfen wird. Aus ihrem selbst angerichteten Chaos kann niemand die Grünen befreien, der Bürger kann es nur beenden, indem er die Grünen von der Macht verdrängt. In Niedersachsen fand Habecks Wahlkampfauftritt unter Polizeischutz in einer Gaststätte vor handverlesenem Publikum statt. Seine Anhänger durften der Rede ihres Idols draußen im Biergarten vor einem Monitor folgen. Es hat den Anschein, als wollen sich die Grünen für ihre klimaneutrale Gesellschaft ein neues, ein klimaneutrales Volk suchen. Mit dem alten geht es immer schlechter.

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