Tichys Einblick
Namen hinter dem Versagen

Wer für den desolaten Zustand der Bundeswehr hauptverantwortlich ist 

Für die jüngeren Desaster der Bundeswehr stehen drei Namen: Karl-Theodor zu Guttenberg, Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer. Doch über allen waltete eine Frau, die im Kriegs- und Verteidigungsfall die Oberbefehlshaberin der Bundeswehr gewesen wäre: Angela Merkel.

IMAGO / Future Image

Sicherheitspolitisch scheint Deutschland seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine aufgewacht. Ob dieser Wachzustand anhält oder bald wieder Wachkoma angesagt ist, wissen wir nicht. Immerhin lautet die regierungsamtliche Losung jetzt: Wir müssen der Bundeswehr mit 100 Milliarden „Sondervermögen“ (= letztlich neue Schulden) unter die Arme greifen. Und wir wollen die NATO-Vereinbarung erfüllen, ja übererfüllen, und mehr als zwei Prozent unseres Bruttosozialprodukts für Verteidigung ausgeben. Derzeit stehen wir – schön gerechnet – bei 1,5 Prozent. Noch einmal: Wie lange die Pläne vorhalten, wissen wir nicht. Denn es knistert bereits im „Ampel“-Gebälk. 

Aber lassen wir das vorläufig. Schauen wir nicht nach vorne, sondern ein wenig zurück – um aus alten Fehlern zu lernen. Schließlich hat der desaströse Zustand der Bundeswehr mit teilweise nur 50 Prozent einsatzfähiger Waffensysteme und dem Fehlen von Zehntausenden an Nachwuchsleuten mit zurückliegenden politischen Fehlern zu tun.

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Und: Dieser Zustand hat mit konkreten Namen zu tun. Nehmen wir als Maßstab allein die Truppenstärke. Sie wurde in Helmut-Kohl-Zeiten von der Wiedervereinigung (1989 gab es 487.000 Bundeswehr-Soldaten) bis Ende 1998 auf 331.000 abgebaut. Nicht mitgerechnet ist die Auflösung der Nationalen Volksarmee (NVA) mit ihren rund 155.000 Angehörigen. Die Schröder-Regierung baute die Bundeswehr binnen sieben Jahren auf 252.000 „Mann“ (2005) ab. Dann folgten 16 Jahre „Merkel“, und die Bundeswehr wurde auf 178.000 (2016) und zuletzt 183.000 (2021) dezimiert. „Friedensdividende“ war offenbar auf immer und ewig angesagt.

Bleiben wir bei Namen, die in den vergangenen 16 Jahren maßgeblich für die Bundeswehr standen. Wir lassen dabei die Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU, 2005 – 2009) und Thomas de Maizière (CDU, 2009 – 2013) außen vor. Die beiden haben immerhin keine großen „Böcke“ geschossen, wenngleich sie keine Alphatiere waren und solche auch nicht sein wollten.

Als Alphatiere indes haben sich mindestens zwei der Nachfolger geben wollen. Eine dritte Nachfolgerin nach 2013, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), hatte mit nur 28 Minister-Monaten (Juli 2019 bis Dezember 2021) gar nicht die Zeit, um Alphatier zu werden: Sie war durch die Doppelbelastung, Verteidigungsministerin und zugleich CDU-Vorsitzende von Merkels Gnaden zu sein, schlicht und einfach überfordert. Für die jüngeren Desaster der Bundeswehr stehen drei Namen.

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)

Er war als „shooting star“ gestartet. Eines Tages könne man dem smarten Baron gar die Kanzlerschaft zutrauen, hieß es. Indes reichte es bis zur Aberkennung seiner Dissertation nur zu 16 Minister-Monaten (Oktober 2009 bis März 2011). Diese rund eineinhalb Jahre aber genügten, die Bundeswehr auf den Kopf zu stellen. 8 Milliarden sollten eingespart werden, und die Wehrpflicht wurde – maßgeblich von ihm, aber nicht nur von ihm initiiert – ausgesetzt. Die Bundeswehr hat sich davon nicht erholt. Sie wurde aus der Mitte der Gesellschaft herausgerissen, und sie hatte plötzlich keinen Bewerber-„Pool“ für Längerdienende mehr.

Und auch sonst ging der Adelige hemdsärmelig zu Werke: Weil er sich über die Bombardierung eines Tanklasters bei Kundus/Afghanistan (geschehen im September 2009, also noch in der Amtszeit von Guttenbergs Vorgänger Jung) schlecht informiert fühlte, feuerte Guttenberg gleich zu Beginn seiner Amtszeit kurzerhand Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Dr. Peter Wichert. Die Spitze der Bundeswehr verlor damit mit einem Mal zwei der wichtigsten und anerkanntesten Führungskräfte. Und Guttenberg verlor die beiden für ihn eigentlich wichtigsten Fachleute.

Ursula von der Leyen (CDU)

Den Gipfel der Fehlbesetzung an der Spitze des Verteidigungsministeriums und des Ansehensverlustes der Bundeswehr stellte von Dezember 2013 bis Juli 2019, quälende 67 Monate lang, nämlich bis zu ihrer „Beförderung“ zur EU-Kommissionspräsidentin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dar. Verirrungen und Affären pflasterten ihren Weg. Wir nennen nur Stichworte: Die Affäre um das Gewehr G26. Die Anordnung von „Säuberungen“ in Kasernen, weil die Bundeswehr angeblich ein Haltungsproblem habe. Die Einführung von Schwangerenuniformen und Kitas. Die Tauglichmachung von Panzern für Schwangere. Die Aufblähung des Mitarbeiterstabes. Die Bestellung der McKinsey-Frau Katrin Suder als Staatssekretärin. Die Verschwendung von 200 Millionen für externe Beraterverträge. Die Löschung ihres Diensthandys.

„vdL“ bzw. „Flinten-Uschi“ (so der truppeninterne Jargon) ging es um Publicity. Wenn sie wie 2014 ein Schiff der Bundesmarine im Hafen von Beirut besuchte, dann mussten für ein Pressefoto erst einige Frauen ins Bild gebracht werden und alle Soldaten ihre Waffen verschwinden lassen. Oder nehmen wir den krampfhaften Versuch in von der Leyens Ministerzeit: Texte sollten geschlechtergerecht werden. Daraus sind dann – entgegen dem Gebot klarer und knapper militärischer Ansagen – Satz-Ungetüme wie die folgenden im Erlass „Traditionspflege“ vom 28. März 2018 geworden: „Traditionspflege und historische Bildung sind Führungsaufgaben. Sie liegen in der Verantwortung der Inspekteure beziehungsweise Inspekteurinnen und Leiter beziehungsweise Leiterinnen der Organisationsbereiche der Bundeswehr sowie insbesondere der Kommandeure beziehungsweise Kommandeurinnen, Dienststellenleiter beziehungsweise Dienststellenleiterinnen und Einheitsführer beziehungsweise Einheitsführerinnen.“

Von der Leyens Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer wollte offenbar daran anknüpfen: Es gab Versuche, die Dienstgrade zu „gendern“: Generalin, Leutnantin … Gescheitert ist die Sache an „Hauptmann“. Wäre die gegenderte Form „Hauptmännin“ oder gar eine muslimisch-kultursensible „Hauptfrau“ geworden?

Angela Merkel (CDU)

Zu Guttenberg, von der Leyen und Co: Über allen waltete eine Frau, die im Kriegs- und Verteidigungsfall die Oberbefehlshaberin der Bundeswehr gewesen wäre: Bundeskanzlerin Merkel. Ob ihr irgendjemand das mal gesagt hat? Egal, für Bundeswehr hatte sie nullkommanix übrig. Nehmen wir allein den letzten Koalitionsvertrag, den Merkel an oberster Stelle zu verantworten hatte, nämlich den vom Februar/März 2018. Wenn der Umfang einzelner Kapitel etwas aussagt über die Bedeutung eines Politikfeldes, dann konnte man daraus ableiten, dass Merkel die Bundeswehr sonst wo vorbeiging. Gerade mal drei Seiten dieses 177-seitigen GroKo-Vertrages von CDU, CSU und SPD waren dem Punkt „Moderne Bundeswehr“ gewidmet.

Damit trifft zu, was Volker Rühe (CDU, Verteidigungsminister 1992 – 1998) am 10. Februar 2019 im Tagesspiegel sagte: „Guttenberg hat die Bundeswehr zerstört … Er hat freiwillig acht Milliarden eingespart. Und kopflos die Wehrpflicht abgeschafft ohne ein Konzept, wie man auf dem freien Arbeitsmarkt die Leute bekommt … Danach gab es einige Fehlentscheidungen, unter mehreren Verteidigungsministern, aber unter einer Kanzlerin.“ E i n e r  Kanzlerin! Einer Kanzlerin, die unter anderem eine Ursula von der Leyen zur Verteidigungsministerin machte.

Und die „Neue“?

Seit Anfang Dezember heißt die neue Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Eigentlich wollte sie sich Ende 2021 auf das politische Altenteil zurückziehen, jedenfalls hat sie auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag verzichtet. Angeblich wurde das Verteidigungsressort auch wie eine heiße Kartoffel unter den „Amplern“ herumgereicht. Lambrecht fühlte sich dann doch berufen und wurde berufen. Wieder eine „Dienstherrin“, die in ihrem Ressort von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte und wohl immer noch nicht hat.

Wahrscheinlich musste sie sich vor ihrer Vereidigung erst einmal von einem Gefreiten eine paar Basics beibringen lassen: Teilstreitkräfte, Dienstränge, Unterschied zwischen einem Gewehr und einem MG … Das hinderte sie nicht, umgehend personell durchzukehren und Berater zu suchen (TE berichtete). Damit dürfte ja eines Tages der Weg frei sein Richtung Brüssel. Von der Leyen hat ja die Bundeswehr auch als Durchlauferhitzer gehabt.