Tichys Einblick
Der "Shooting-Star"

FDP-Justizminister Buschmann mausert sich zum pseudoliberalen Chefideologen

Marco Buschmann gibt den Streber unter den FDP-Ministern. Dabei erweist er sich – wie es offenbar FDP-Art geworden ist – auch mal als sehr wendig und woke. Nachfolgend drei Beispiele.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner hat sich spätestens im Dezember 2021 entschieden: Lieber schlecht regieren, als nicht regieren. Von Schuldenbremse will er nichts mehr hören, vom Kampf gegen die galoppierende Inflation nicht, vom informationellen Selbstbestimmungsrecht in Zeiten eines staatlich geförderten Denunziantentums ebenso wenig; bei der Verteidigung von freier Wissenschaft und freier Meinungsäußerung taucht er ab, mal ist er für Atomkraft, mal dagegen … Nach den Peinlichkeiten seiner pseudo-royalen Hochzeit auf Sylt wird er freilich eine Zeit lang abgetaucht bleiben.

Dafür erstrahlt der Stern seines engen Vertrauten und FDP-Justizministers Marco Buschmann umso heller. „Shooting Stars“ heißen solche Leute im Showbusiness – fälschlicherweise oder auch realitätsnah, weil ein „shooting star“ in der englischen Sprache ein verglühender Komet ist.

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Nun ja, Marco Buschmann, der am 1. August 45 Jahre alt wird, ist immerhin promovierter Volljurist. Er hat nach beiden juristischen Examina über den Bereich „Europäischer Gerichtshof und Eigentumsrechte“ seine Dissertation geschrieben. Rechtsanwalt ist er auch. Aber eigentlich war er nie etwas anderes als Parteimann. Mit 17 Jahren in die FDP eingetreten, brachte er es bald zu führenden Funktionärsposten in der FDP: nach diversen kommunalen Pöstchen 2009 als Bundestagsabgeordneter, 2012 als Generalsekretär der NRW-FDP, 2014 als Bundesgeschäftsführer der Bundes-FDP, 2017 als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Was will man mehr.

Auch Reserveoffizier ist er – wie sein Freund Christian Lindner auf eigenartigen Wegen: Beide haben den Wehrdienst verweigert, Ersatzdienst geleistet, sich dann der Bundeswehr besonnen, Wehrübung gemacht und es zum Oberleutnant der Reserve (Buschmann) bzw. Major (Lindner) gebracht. Im Unterschied zu Lindner, der der katholischen Kirche bereits mit 18 Jahren den Rücken gekehrt hatte, ist Buschmann – so heißt es – „bekennender Katholik“. Aber was heißt das schon in einer Zeit, in der so manche deutsche Bischöfe über den sogenannten synodalen Weg eine katholische deutsche Nationalkirche als zweite evangelische Kirche in Deutschland anstreben?

Aber das ist nicht Buschmanns Beritt. Buschmann gibt lieber den Streber unter den FDP-Ministern. Dabei erweist er sich – wie es offenbar FDP-Art geworden ist – auch mal als sehr wendig und woke. Nachfolgend drei Beispiele.

Buschmanns „Ambitionierte Impfkampagne“

Am 23. April beschloss die damalige CDU/CSU/SPD-Koalition das „Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (die „Bundesnotbremse“). Die damalige Oppositionspartei FDP votierte dagegen. Wenige Tage später reichte die FDP gar Verfassungsbeschwerde ein. Diese auch von anderen Klägern eingereichte Klage wurde am 30. November 2021 vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts (sogenannter Harbarth-Senat) abgelehnt. Die Richter attestieren dem Gesetzgeber nicht nur Verhältnismäßigkeit, sondern schier einen verfassungsrechtlichen Sachzwang.

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Aber was tut ein führender FDP-Mann heute, als er mittlerweile zum Bundesjustizminister aufgestiegen ist? Er liebäugelt mit den sattsam bekannten Kassandra-Rufen des Gesundheitsministers Lauterbach (SPD), kann sich eine erneute Maskenpflicht vorstellen und kündigt eine „ambitionierte Impfkampagne“ der Bundesregierung für den Spätsommer an.

„Kampagne“ – was heißt das? Es heißt, dass die Bundesregierung wieder für viel Geld Anzeigen in den Mainstream-Medien schaltet und diese damit für sich auch weiterhin regierungsnah gnädig stimmt. Bis Januar 2022 waren das in der Summe bereits 295 Millionen Euro gewesen – davon exakt die Hälfte für Anzeigen in regionalen und überregionalen Tageszeitungen. Ein Schelm, der Schlimmes dabei denkt!

Buschmanns „Co-Mutterschafts-Gesetz“

Noch im Jahr 2022 will Justizminister Buschmann ein Gesetz zur Co-Mutterschaft für lesbische Paare auf den Weg bringen. Wörtlich sagte Buschmann soeben dazu: „Wir wollen Regeln schaffen, damit Kinder von Geburt an eine rechtssichere Beziehung zu beiden Elternteilen haben – und niemand sich als Elternteil zweiter Klasse fühlen muss.“ Als Beispiel nannte Buschmann Geburten nach einer registrierten Samenspende für lesbische Paare.

Buschmann weiter: „In diesem Fall ist völlig klar: Der Samenspender möchte nicht an der Erziehung teilhaben.“ Da sei es „eine gute Sache“, wenn beide Elternteile durch das Recht anerkannt würden. Anmerkung, nicht von Buschmann: Das kann ja lustig werden, wenn diese beiden „Eltern“ dann eines Tages auch noch im jährlichen Wechsel auf die Idee kommen, das hier nachfolgend beschriebene „Selbstbestimmungsgesetz“ in Anspruch zu nehmen.

Das grün-gelbe „Selbstbestimmungsgesetz“

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Ende Juni 2022 haben der Bundesminister für Justiz Buschmann und die Bundesministerin für Familie Lisa Paus den Entwurf eines neuen Selbstbestimmungsgesetzes vorgestellt. Damit soll das „Transsexuellengesetz“ ersetzt werden. Es geht hier darum, dass jede Person (es handelt sich wohl um 0,02 Prozent der Bevölkerung, die das in Anspruch nehmen werden) ohne Vorlage eines ärztlichen Attests standesamtlich ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern können soll – unabhängig davon, ob es sich um einen transgeschlechtlichen, nicht-binären oder intergeschlechtlichen Menschen handelt.

Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung beim Standesamt abgeben. Jugendliche ab 14 Jahren sollen die Erklärung selbst abgeben können, allerdings mit Zustimmung der Eltern. In Fällen, die innerhalb einer Familie strittig sind, kann das Familiengericht entscheiden, was im Interesse des Kindeswohls ist. Übrigens: Um sicherzustellen, dass hinter der gewünschten personenstandsrechtlichen Änderung eine ernsthafte Entscheidung steht, ist eine einjährige Sperrfrist vorgesehen.

So, das ist dreimal der aktuelle Buschmann. Nominell „Freidemokrat“, real indes obrigkeitsstaatlicher Umkrempler, gesellschafts- und familienpolitischer Transformator, woker Mainstream-Surfer und damit mittlerweile ideologischer Frontmann der F.D.P.

Denk’ ich an die FDP in der Nacht, bin ich allerdings schon lange nicht mehr um den Schlaf gebracht.