Tichys Einblick
Wer austeilt, muss einstecken

EU-Parlament: Wenn die Nerven blank liegen

Matteo Salvini hat für Guy Verhofstadt und Co. eine Botschaft: "Es wird Zeit, dass diese Politiker ihre Kartons zusammenpacken. Der Wähler wird diese Leute nach Hause schicken ..."

FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images

Die Nerven müssen derzeit so richtig blank liegen bei denen im Parlament und der Kommission der EU, den sozialistischen wie demokratischen Kräften und Vereinigungen. Anders ist es sonst kaum zu erklären, dass Politiker und EU-Abgeordnete immer öfter zu  wüsten Beleidigungen und dreisten Diffamierungen greifen.

Immer mal wieder sind es die Engländer, die wegen ihres Brexits und der sich hinziehenden Abwicklung verächtlich gemacht werden (wobei die EU nur drohend und mauernd statt richtungsweisend auftritt). Als nächstes trifft es Ungarn mit seinem Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die Visegrad-Staaten sowieso permanent. Und Italiens Regierung ist derzeit der „Lieblingsfeind“ der EU-Mandarine schlechthin. Die Griechen haben vorerst Ruhe, aber auch nur so lange, wie sie parieren. Es kommen sicher auch wieder andere Zeiten, denn ewig zähmen lassen sich die Hellenen nicht, wenn die Bürger weiter dahin darben und der Regierung wieder stärker auf den Pelz rücken.

Man halte fest, sogenannte „demokratische“ Kräfte der EU bekämpfen und diffamieren Regierungen, die demokratisch legitimiert und eben durch freie demokratische Wahlen bestätigt wurden.

Den Sozialisten, Demokraten, aber auch (Links-)Liberalen gehen Ideen und daher auch überzeugenden Kampagnen komplett ab. Womit könne man die Bürger EU-weit überzeugen, wenn diese derzeit mehrheitlich sozial- und christdemokratische Parteien mit Nichtbeachtung strafen bei Wahlen und Umfragen. Nicht, dass die „alten“ Ideen per se schlecht klingen, der mündige Bürger zählt allerdings eins und eins zusammen, und sieht sich immer öfter mit der Frage konfrontiert, wieso er den etablierten Parteien mit ihren verbrauchten Politikern ausgerechnet jetzt vertrauen soll? So kurz vor den Wahlen, wo wieder Mega-Geschenke in Form von Placebos versprochen werden? Woher soll das Geld für all die Wohltaten (für die plötzlich Geld vorhanden sein soll) denn sprudeln, wenn nicht über Steuern?

Dass es den Bürgern in den jeweiligen Nationen der EU auch um kulturelle Identitäten geht, um eine soziale Zusammengehörigkeit in der Gesellschaft, dass eben diese verteidigt werden muss, all das scheinen die realitätsfernen EU-Mandarine in ihren hermetischen Blasen Brüssel und Straßburg nicht verstehen zu wollen – oder zu können.

Sie, die Grünen, die Linksliberalen und Sozialisten, geben vor, modern und zukunftsweisend zu sein und erzählen stattdessen Geschichten der Vergangenheit, von der sie auch noch allen Ernstes glauben, sie allein hätten darüber die Deutungshoheit. Wer glaubt, modern und trendy zu sein, nur, weil er Antidiskriminierungs-Ideologen und Diversity-Minderheiten-Strömungen bedient (die die Natur und Biologie, aber auch die Determination der Soziopsychologie leugnen), täuscht sich gewaltig, weil er die mündigen Bürger EU-weit verkennt.

Es zieht einfach nicht mehr, sachliche und berechtigte Kritiker des Multikulturalismus und des Migrationspaktes in die Ecke von Neofaschisten zu stellen. Zu plump, zu billig. Die Daten und (auch traurige) Fakten sprechen eine deutliche Sprache – gegen einen Multikulturalismus in Europa, wo mehrheitlich strenggläubige muslimische Männer(!) aus rückständigen Sozialisationen und mit einer ganz anderen Wertevorstellung ins aufgeklärte Europa strömen.

Nun also einmal mehr die Italiener, die neulich wieder im Parlament der EU beleidigt wurden. Die Regionalwahlen in den Abruzzen bestätigten erneut Salvinis Lega, und das mit einem immensen Stimmenzuwachs. Alles kann daher wohl nicht falsch sein, was die Mitterechts-Koalition seitdem in Angriff genommen hat und auch in die Tat umsetzte, vor allem beim Thema Migration und Sicherheit. Was die EU-Politik jahrelang befeuerte, löste nun das Dekret Salvini. Rigoros, aber auch erfolgreich.

Weniger illegale Einwanderer, medial nicht mehr immer Flüchtlinge“ genannt, die sich über das Mittelmeer aufmachten, und dadurch auch weniger Tote durch Ertrinken. „Was also will diese EU“, fragt Salvini als Gast in den politischen Talkshows? An Ort und Stelle in ihren Ländern müsse den Leuten geholfen werden. Und diese harte Linie, so Salvini, aber auch Di Maio von den Cinque Stelle, käme den echten Migranten und Asylsuchenden zugute. Der eigenen Bevölkerung sowieso. Bei „über fünf Millionen“ prekär lebenden Italienern müssten sich die Politiker zuerst um eben jene kümmern, Jobs beschaffen, die Steuern etwas senken, um die Kaufkraft zu stärken. Diese Integrationspolitik spare zudem Beträge in Milliardenhöhe.

Als „Puppe“, ja, als Marionette, wurde nicht etwa Salvini, der auch noch ein Mandat im Parlament der EU inne hat, sondern ausgerechnet Ministerpräsident Giuseppe Conte beleidigt. Quasi als Anhängsel der radikalen Mitterechts-Regierung um Salvini. Diese dreisten und respektlosen Worte äußerte der Belgier und EU-Brexit-Unterhändler Guy Verhofstadt. Verhofstadt ist auch eine Art Sprecher der Allianz der Demokraten und Liberalen im Parlament der EU. Unterstützung der Sozialisten, Altkommunisten und Sozialdemokraten wie Grünen sind ihm und der Fraktion ALDE stets sicher. Besonders dann, wenn es um mehr Zentralismus der EU geht.

Verhofstadt, der selbst in Belgien wegen seiner cholerischen Art nie wirklich beliebt gewesen zu sein schien, wurde nach EU-Europa weggelobt. So wie in etwa jetzt auch bei der SPD Katharina Barley, die Justizministerin und nun EU-Spitzenkandidatin. Neben ihr ein SPD-Methusalem und „Hardliner“, ebenfalls wieder Spitzenkandidat, der 62-jährige Udo Bullmann aus Gießen – aber gefühlt schon ein halbes Leben in der EU. Übrigens ist Bullmann auch im SPD-Vorstand. Sein Standing scheint groß zu sein, zudem ist er ja ein Mann, denn, eigentlich wollte Nahles die Kandidatenliste viel jünger gestalten. Bullmann blieb, während die langjährige Genossin und Abgeordnete im Parlament der EU, Evelyne Gebhardt, mit einem aussichtslosen Listenplatz abgespeist wurde. Zugeständnisse á la SPD.

Jedenfalls spuckte auch Udo Bullmann große Töne gegen Italiens Regierung, angeheizt von Guy Verhofstadt. Wenn manche Männer toll werden, dann vergessen sie sich, und verraten auch ihr wahres Ansinnen. Udo Bullmann, ganz Sozialismus- und Kommunismus-Nostalgiker: „Italien soll endlich wieder sein humanes Gesicht zeigen“, und eben nicht dieses „unmenschliche“. Außerdem so Bullmann weiter, während er von einer Reise nach Catania zur Sea-Watch berichtete: „Das ist nicht das Italien, das wir kennen. Das wahre Italien, das wir kennen, ist das Italien von Spinelli…“. Spinelli-wer? Dem Normalbürger kaum noch bekannt, ist Altiero Spinelli gemeint, ein früheres Mitglied der italienischen Kommunistischen Partei, 1986 verstorben. Nach dem Kommunisten wurde innerhalb der EU auch eine Arbeits- oder Interessengruppe benannt.

Guy Verhofstadt als einer der Sprecher und Leiter der „Spinelli-Group“, und genauso Udo Bullmann, verfolgen quasi als Erbe Spinellis das Ziel, die Implementierung zentralistischer Ziele, unabhängig aller nationaler und kultureller Eigenständigkeit und Unterschiede. Hinter „The Spinelli Group“ steckt viel mehr, nämlich eine Ideologie im sozialen Kleid; nicht die Bürger als Wähler zählen, sondern die Politiker und Parteien, die unter der irreführenden Losung Föderalismus die Entwicklung zu einem einzigen europäischen Staat mit einer einzigen Regierung forcieren möchten.

So erklärt es sich natürlich, dass momentan alle nervös werden, jetzt, wo das große Projekt immer deutlicher stagniert, weil die Gesamt-Linke-Liberale die Bürger nicht mehr erreicht. Schon Martin Schulz verschoss seine letzten Wort-Patronen, da war er schon kein Protagonist mehr, als er von den „Vereinigten Staaten von Europa“ schwadronierte. Erst einmal verschoben.

So war es also ein „No-Go“, dass jüngst ausgerechnet Giuseppe Conte als Marionette beleidigt wurde. Nun tat sich Conte bisher immer als Vermittler und „Tranquilizer“ in der EU hervor, und der Juraprofessor Conte schaffte es gar, Salvini zu mäßigen, ihn staatsmännischer auftreten zu lassen.

Doch nun konterten Salvini und Luigi di Maio unisono – man frage sich wirklich, „wer hier eine Marionette sei?“, ein Ministerpräsident wie Conte, der autark und unabhängig sei, oder ein EU-Abgeordneter wie Verhofstadt, der einer Lobby der Banken und der Wirtschaft folge. Man verbitte sich, mit unhaltbarer Kritik gegen den Ministerpräsidenten, auch „die italienischen Wähler“ zu beleidigen.

Und dann setzte Matteo Salvini, so gar nicht staatsmännisch – aber sehr authentisch – ein Signal an die EU mit Verhofstadt für den 26. Mai, den Tag der Wahlen zum Parlament der EU: „Es ist interessant, wenn diejenigen unseren Ministerpräsidenten beschimpfen, die eine Politik der Eliten gegen die Bürger vertreten. Sie verstehen die Menschen und Wähler nicht mehr. Es wird Zeit, dass diese Politiker ihre Kartons zusammenpacken. Der Wähler wird diese Leute nach Hause schicken …“


Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist, ist seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.