Tichys Einblick
Weniger Freiheit

EU-Parlament für mehr Disziplinierung

Die EU nähert sich langsam chinesischen Zuständen an. Nicht nur die staatliche Wirtschaftspolitik wird immer zentralistischer und dirigistischer. In China hält in Zukunft ein Punktesystem die Bürger zu korrektem Verhalten an. Auch die EU-Überwachung soll engmaschiger werden.

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Das EU-Parlament hat am 25.10.2018 in Straßburg eine Resolution gegen den „Aufstieg neofaschistischer Gewalt in Europa“ mit breiter Mehrheit angenommen. Meine Fraktion, die EKR (Tories, Pis, Dänische Volkspartei, Einzelabgeordnete), hatte im Vorwege an einem gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Text mitgearbeitet, der alle Formen von Extremismus und Gewalt ablehnt – also eben auch linksextreme oder islamistische Gewalt. Leider konnten wir uns mit unserem weiterreichenden Antrag gegen die breite Alliance bestehend aus der EPP ( CDU und CSU ) S&D (SPD), ALDE (FDP, Freie Wähler), Grünen (Grüne, Piraten) und GUE (Linke, ÖDP ) nicht durchsetzen.

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Ich habe mich – wie viele Mitglieder meiner Fraktion – dazu entschlossen, mich bei dieser Resolution zu enthalten. Nicht etwa, weil ich rechtsextreme Gewalt gutheißen würde, sondern weil es hier ganz offensichtlich um eine politische Falle geht: wer kann schon eine Resolution gegen neofaschistische Gewalt ablehnen, ohne selbst unter Verdacht zu geraten. Das vollständige Auslassen von linker Gewalt ist jedoch nur eine der vielen Kröten, die von mir und meinen Kollegen nicht geschluckt werden wollten. Der gesamte Aufruf besteht nämlich nicht nur aus einer Überschrift oder einer einzelnen Kritik, sondern hat mehrere Seiten an Text und vielfältige Forderungen. Und einiger dieser Anliegen gehen deutlich über das Ziel hinaus.

Es beginnt damit, wie „neofaschistische“ Gewalt bzw. Politik zu definieren ist, ein Umstand, der in dieser Resolution gänzlich fehlt. Ein Gegenantrag meiner Fraktion beinhaltete eine solche Definition, die einen historischer Bezug auf rechtsextreme, nationalistische und rassistische Ansichten herstellen sollte, wie sie von den italienischen Faschisten zur Zeit des zweiten Weltkrieges vertreten worden sind. Aus meiner Sicht wäre eine Ablehnung totalitärer Ideen insgesamt gut gewesen. Linke und rechte Ideologien unterscheiden sich in Bezug auf Gewaltbereitschaft und die Ausgrenzung anders Denkender nur wenig voneinander.

Die Mehrheitsparteien, wollten den Begriff lieber nicht so genau festlegen. Sonst kämen eventuell auch Politiker wie Franziska (Ska ) Keller von den Grünen, die sich im Plenum des Europäischen Parlamentes mit der Antifa-Fahne hat fotografieren lassen, selbst in Bedrängnis.

Zudem habe ich Sorge, dass es zu einem Eingriff in die Meinungsfreiheit kommen könnte, da einige Passagen – sicherlich nicht ganz unabsichtlich – schwammig formuliert sind. 

In diesem Aufruf wird dann auch ein viel umfangreicheres Anliegen verfolgt, als der Titel vermuten ließe:

  1. Das „mangelnde Vorgehen“ gegen Neofaschisten und neo-Nazis habe zum „Anschwellen der Fremdenfeindlichkeit in Europa“ geführt. Ausgelassen wird damit die jahrzehntelange Erfahrung mit Migranten in vielen europäischen Ländern, die eben nicht reibungslos verlaufen ist. Ebenfalls wird ausgelassen, wie stark die Belastungen der europäischen Gesellschaften im Rahmen der Flüchtlingskrise waren. Zumal sich schnell herausstellte, dass unter den vielen tatsächlichen Flüchtlingen auch ehemalige IS-Kämpfer waren oder Kriminelle, die in Europa ihr Glück suchen. Kein Wort zu Terroranschlägen in Frankreich oder Deutschland. Kein Wort zu tschetschenischen Banden, die in Westeuropa auf Beutetour gehen.
  2. Ebenso mag sich das EU-Parlament nicht zur extremen linken Gewalt in Europa wie etwa die der Antifa beim G20-Gipfel in Hamburg äußern, die in ihrem aggressiven Auftreten wahrscheinlich nicht nur von mir als neofaschistisch wahrgenommen wird. Die Bilder von den bürgerkriegsähnlichen Umständen aus Hamburg stehen wohl für sich und suchen mit ihren schweren Gewaltausbrüchen wohl ihresgleichen in der jüngeren deutschen Geschichte.
  3. Im Bericht wird ein Erstarken von Rassismus, Xenophobie und Intoleranz beklagt. Hasssprache und „psychologische Gewalt“ seien auf dem Vormarsch und sollen durch neue und härtere Gesetze bekämpft werden. Wo beginnt und wo endet die erlaubte Kritik an religiösen oder kulturellen Gruppen? Ist Kritik am DITIB noch erlaubt oder ist das bereits Xenophobie, also eine krankhafte Angst vor dem Fremden? Darf man noch auf die Gefahr durch arabische oder kurdische Mafiaclans hinweisen oder kann das als Rassismus ausgelegt werden? Wir erinnern uns, die Schuld am Erstarken der Fremdenfeindlichkeit liegt nach Aussage des Textes bei den Neofaschisten und nicht etwa in der berechtigten Ablehnung dieser teils kriminellen Gruppen.
  4. Es wird vor neofaschistischer Gewalt gegen Juden, Behinderte oder sexuelle Minderheiten gewarnt. Nicht zur Sprache kommt hier, dass ein Großteil der Gewalt gegen Juden oder sexuelle Minderheiten von muslimischen Migranten und ihren Nachkommen ausgeht. Viele Juden verlassen beispielsweise Frankreich aus Angst vor Übergriffen durch Muslime. Auch in Deutschland gab es in der Vergangenheit mehrfach Übergriffe auf Juden durch Asylbewerber und Migranten. Eine solche Aussage fehlt im Text und wäre möglicherweise sogar demnächst verboten.
  5. Besonders „zivilgesellschaftliche“ Organisationen sollen zukünftig von den Gesetzen vor Hasssprache geschützt werden. Gleichzeitig sollen sie bei der Überwachung eingebunden werden und Verstöße melden. Es wäre in der Folge erheblich schwieriger, linke Organisationen, etwa „Rettungsschiffe“ im Mittelmeer, zu kritisieren.
  6. Die Arbeit der Polizei soll viel stärker als bisher überwacht und sanktioniert werden. Jede Diskriminierung soll untersagt werden. So ist aber mitunter die Eingrenzung auf die Herkunft durchaus sinnvoll, ohne deshalb tatsächlich rassistisch bzw. diskriminierend zu sein. Es ist lediglich eine Tatsache. Wenn ein Polizist beispielsweise eine große Menschengruppe auf islamistische Terrorverdächtige kontrollieren soll, kann er nicht jede weiße Oma und jeden kleinen europäisch aussehenden Jungen auf Waffen untersuchen. Er würde bei seiner Kontrolle bei jungen Männern mit südländischem Aussehen beginnen.
  7. Die öffentlichen Rundfunkanstalten mehrerer Mitgliedsstaaten werden kritisiert. Die Anstalten wären Propagandainstrumente einzelner Parteien, würden die Opposition und Minderheiten von der Gesellschaft ausschließen und sogar zur Gewalt animieren. Hier im EU-Parlament ist jedem klar, dass mit dieser Textpassage Polen und Ungarn gemeint sind. Ein solcher Text in diesem Aufruf stellt einen kaum versteckten Zusammenhang zwischen den polnischen und ungarischen Regierungen und dem Neofaschismus her. Sie werden in eine Reihe gestellt mit den Massenmördern des Zweiten Weltkrieges. Dieser Vergleich ist eine inakzeptable Frechheit und moralistischer Größenwahn und kann von meinen polnischen Kollegen, deren Familien oft selbst Opfer des deutschen Faschismus waren, nur als offener Affront wahrgenommen werden.

Als Fazit bleibt, dass die EU sich langsam aber sicher chinesischen Methoden annähert. Nicht nur die staatliche Wirtschaftspolitik wird immer zentralistischer und dirigistischer. In China sorgt in Zukunft ein Punktesystem dafür, dass Bürger zu korrektem Verhalten gezwungen werden. Auch die EU-Überwachung soll engmaschiger werden. Wer sich gegen die links-grüne Multikulti-Euphorie stellt, soll in Zukunft schneller unter gesellschaftlichen Druck geraten. Die Spannbreite der erlaubten öffentlichen Meinung soll immer weiter beschränkt werden. In Zukunft könnte man solche Initiativen gegen „Neofaschismus“ oder „Hasssprache“ auch gegen Kritik etwa an der EU selbst oder gegen Kritik am Euro-System ausweiten.

Die ideologische Entfernung zum chinesischen Modell schrumpft zusehends. Leider beteiligen sich fast alle deutschen Parteien wie CDU/CSU, SPD, FDP und sogar die Freien Wähler gerne an solchen Projekten.


Ulrike Trebesius ist Mitglied des EU-Parlaments.