Tichys Einblick
UNSERE ELITE VERSTEHT „MARKTWIRTSCHAFT“ NICHT

Eine Beerdigungsrede auf die Marktwirtschaft

Es ist zu Ende mit der Marktwirtschaft in unserem Land. Ihre Grundlagen werden nicht mehr verstanden: nicht vom Wirtschaftsminister und nicht vom FDP-Vorsitzenden. Von Pfarrer Achijah Zorn.

© Vladimir Wrangel / Shutterstock

Christiane Woopen gehört zu unserer Elite. Sie ist die Vorsitzende des europäischen Ethikrates. Darum wird sie als Expertin in den Tagesthemen vom 4. April 2020 über acht Minuten lang dazu interviewt, wie man in der Coronakrise gesellschaftlich wieder zur Normalität zurückfinden kann.

Dabei sagt Frau Woopen über die Marktwirtschaft folgende Sätze: „Und etwas, was mir auch besonders am Herzen liegt, dass die Marktwirtschaft jetzt zeigen kann – in besonderer Weise und in einer noch viel tieferen Dimension – dass sie eine soziale Marktwirtschaft ist. Dass sie jetzt dafür steht, dass das Gemeinwohl über dem Gewinn steht.“

Hier werden die Begriffe „sozial“ und „Marktwirtschaft“ mit den scheinbar entgegensetzten Begriffen Gemeinwohl und Gewinn auseinandergerissen und in ein hierarchisches Verhältnis der Über- und Unterordnung zueinander gesetzt. Gemeinwohl geht vor Gewinn. Das Soziale geht vor Marktwirtschaft.

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Nach Ludwig Erhard ist genau dieses Auseinanderreißen von Gemeinwohl und Marktwirtschaft eine Torheit. Denn weil die freie Marktwirtschaft auf bestmögliche Weise „Wohlstand für alle“ ermöglicht, darum trägt sie in sich selber eine starke soziale Kompenente.

Frau Woopens einseitige Entgegenstellung von „sozial“ und „Marktwirtschaft“ ist darum eine Zeichen dafür, dass ihr das Verständnis der dialektischen und fruchtbaren Zusammengehörigkeit von „sozialer Marktwirtschaft“ verloren gegangen ist.

Vielleicht kann man einer Ethikerin dieses Missverstehen der „Marktwirtschaft“ als unsoziales Gewinnstreben noch verzeihen.

Aber wie sieht es bei unserem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier aus?
Er beschwert sich lauthals darüber, dass die Banken in der Coronakrise die staatlichen Kreditlinien nicht schnell genug an die Wirtschaft weitergeben.

Die Finanzinstitute, die dabei ein eigenes Restrisiko von 10-20% tragen, wagen es doch tatsächlich zu überprüfen, ob sie dieses Risiko übernehmen können.
Marktwirtschaftlich das 1×1 der Kreditindustrie: Kann ich einem von Insolvenz bedrohtem Kunden Geld verleihen, wenn ich selber teilweise mit diesem Geld im Risiko stehe und wenn mir selber in dieser dramatischen gesellschaftlichen Krisensituation das Wasser bis zum Halse steht.

Peter Altmaier scheint dieses kleine 1×1 der Marktwirtschaft nicht mehr zu verstehen. Vielleicht stellt er sich die Banken als große Wohltätigkeitstiftungen vor, die unendlich viele Zustiftungen von der EZB erhalten und diese dann generös und karitativ an bedürftige Betriebe und Menschen weiterverschenkt.

Alles kommt vom Staat?
Phantasien aus dem grünen Wolkenkuckusheim oder Selbstaufgabe einer Partei
Ob Peter Altmaiers Modell ein zukunftsträchtiges und funktionierendes Bankenmodell ist, bin ich mir nicht sicher. Aber ich bin mir sicher, dass Peter Altmaiers Ansatz kein marktwirtschaftliches Modell ist. Unsere Elite versteht Marktwirtschaft nicht mehr.

Und selbst Christian Lindner scheint kein Gefühl mehr für Marktwirtschaft zu haben. So kann er in in der ARD hinausposaunen, dass Deutschland in Sachen Klima und Migrationen einen parteiübergreifenden „Konsens aller staatstragenden Parteien“ bräuchte.

Statt den marktwirtschaftlichen Grundprinzipien von freier Vielfalt und fruchtbarer Konkurrenz im progressivem Wettstreit der politischen Meinungen, vertritt der FDP-Chef also den Konsens, die Gleichschaltung, die Eintönigkeit, den populistischen Einheitsbrei.

Und wenn dann noch diese FDP mit solchen fundamental antiliberalen Entgleisungen von anderen als „neo-liberal“ gebrandmarkt wird, dann ist die babylonische Sprachverwirrrung bereits im Endstadium angekommen.

Das ganze erinnert mich an ein Altenheim. Da spielen viele Menschen gerne „Mensch-ärger-dich-nicht“. Bis der Grad der Demenz zu stark wird. Wenn die Punktezahl auf den Würfeln zur Nullinformation wird, wenn der Unterschied zwischen den Figuren und der Blumenvase auf dem Tisch verschwimmt, wenn die Spielregeln in keinster Weise mehr erfasst werden können, dann ist es zu Ende mit dem alt-bewährten Spiel.

Genauso ist es zuende mit der Marktwirtschaft in unserem Land. Seine Grundlagen werden nicht mehr verstanden. Selbst nicht mehr von unserem Wirtschaftsminister. Der Grad der marktwirtschaftlichen Demenz ist schon zu weit fortgeschritten.
Und so läuten in der Coronakrise die Totenglocken für die Marktwirtschaft.
Darum diese Totenrede. Womit ich als Pfarrer ganz in meinem Metier bin.


Pfarrer Achijah Zorn

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