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E-Zigarette: Viel Rauch um Dampf

Wenn der Bundestag die Mengenabgabe nikotinhaltiger Liquids seit Mai 2017 (beschlossen gegen die Stimmen der Grünen, gegen eine Stimme aus der CDU und mit Enthaltung der Linken) auf maximal 10ml beschränkt, riecht das nach Lobby der Nikotinindustrie.

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Es dürfte wohl kaum noch einen Raucher geben, der behaupten würde, was er da täte, sei gesund oder nicht auf irgendeine Weise gesundheitsschädlich. Seit es die als gesündere Alternative zum Rauchen propagierte Nikotinverabreichung durch das Dampfen von nikotinhaltigen Flüssigkeiten, so genannten Liquids gibt, scheint allerdings eine echte Alternative auf dem Markt zu sein.

Wer hier aber obendrauf noch eine Übergangsmedizin zur Abgewöhnung der Nikotinsucht zu erkennen glaubt, liegt falsch. Schon eine genauere und längere Beobachtung von Dampfern zeigt die gleiche, wenn nicht sogar deutlich gesteigerte Suchtproblematik. Nicht grundlos besitzen die meisten Dampfer gleich mehrere Dampfmaschinen. Zu anfällig sind die Akkus, die das Dampfen erst ermöglichen.

Zwar mag bei einer herkömmlichen Zigarette die Nikotinzufuhr schneller, massiver und mit einem stärker spürbarem so genannten Kick passieren, aber sie ist gegenüber dem Dampfen auch deutlicher auf bestimmte Zeitabschnitte begrenzt: Der Raucher raucht seine 15, 20 oder 25 Zigaretten pro Tag und hat also zwischen den Rauchphasen eine zigarettenunabhängige Phase. Hier gibt die Dauer einer Verabreichung die Dosierung vor – die Zigarettenlänge. Oder umgangssprachlich: „Auf eine Zigarette“.

Die  Frequenz der Nikotinzufuhr bei Dampfern hingegen ist im Prinzip auf keine Einheit begrenzt. Dauernuckeln wird so zum Dauerproblem. Denn die wenigsten Dampfer gehen zum Dampfen 15 oder 20 mal für ein paar Minuten vor die Tür, wie es Zigarettenraucher tun. Wer einmal beobachten konnte, was passiert, wenn einem Dampfer der Strom ausgeht ohne die Möglichkeit, irgendwo aufzutanken, der weiß, was Nikotinsucht wirklich bedeutet und erkennt den höheren Suchtfaktor gegenüber herkömmlichen Zigaretten. Sicherlich ist auch das individuell unterschiedlich, aber mindestens im Einzelfalle unmittelbar vergleichbar, wenn man den Dampfer noch als Raucher kannte. Erste Erkenntnis kann hier sein: Der Dampfer-Junkie hängt am Tropf, wo der Raucher noch mit der Einzelinjektion zurechtkommt.

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Ein geradezu humoristisches Beispiel für Dampfsucht konnte in der letzten Zeit ein Professor Dr. Bernhard-Michael Mayer aus Graz liefern, der Anfang 2016 für den Deutschen Bundestag, Ausschuss für Ernährung, als Einzelsachverständiger eben zum Thema Dampfen sachkundig informieren sollte, sich aber an anderer Stelle als ambitionierter Dampfer zu erkennen gab, als er im Interview bekannte, er sei Ex-Raucher und nun Dampfer.

Aber in jedem Fall ist Professor Mayer nicht nur Dampfer, also weiterhin nikotinsüchtig, sondern nun auch ausgewiesener Humorist, wenn er den  Ausschuss-Mitgliedern zum Thema Schädlichkeit des Dampfens erklärt: „Außerdem lässt sich die Abwesenheit von Schädlichkeit ebenso wenig beweisen wie die Nichtexistenz des Monsters von Loch Ness oder die Unwirksamkeit der Homöopathie. Man kann nur feststellen, dass es bisher keine Hinweise auf nennenswerte Schädlichkeit von E-Zigaretten gibt (oder die Existenz von Monstern oder die Wirksamkeit der Homöopathie).“

Im weiteren Verlauf seiner Stellungnahme befindet der dampfende Professor weiter,  dass E-Zigaretten nicht der medizinischen Raucherentwöhnung dienen würden, also der therapeutischen Beendigung des inhalativen Nikotinkonsums. Immerhin da funktioniert die Selbstreflexion trotz Dampfens einwandfrei. Oder sie wird bereits vom Wunsch diktiert, bitte doch ewig weiterdampfen zu dürfen.

Mayers wichtigste Unterscheidung ist die zwischen Tabak und Nikotin.

E-Zigaretten haben für ihn ein „historisch einzigartiges Potential zur Tabakprävention“. Erstmals stände Rauchern eine funktionierende Alternative für den Ausstieg aus dem Tabakkonsum zur Verfügung. Also dem Ausstieg einer Reihe von gefährlichen Verbrennungsprozessen. Dass Dampfen am Ende der Einstieg in eine noch intensivere Form der Abhängigkeit sein könnte, lässt sich möglicherweise in der Nachbarschaft oder im Kollegenkreis am Einzelfall beobachten und erfahren. Dampfkollege Mayer dürfte für eine daraus resultierende Schlussbetrachtung jedenfalls der falsche Ansprechpartner sein. Lediglich die Tabakindustrie dürfte sich über ihn freuen. Denn die nennt sich bald viel lieber nikotinverabreichende Industrie. Und da die neuen E-Produkte dieser Giganten keine Zigaretten mehr sind, also nicht als Zigarettentabak zu versteuern sind, steigen auch noch die Gewinne.

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Hier allerdings steht den Konzernen längst bundesweit ein dichtes Netz aus vielen kleineren E-Zigaretten-Shops gegenüber, die nach wie vor bessere und ausgereiftere Produkte liefern können zu deutlich günstigeren Preisen. Und das alleine schon, wenn man die angebotenen Liquideinheiten nimmt: Die Shops bieten Einzelmengen in Flaschen mit unterschiedlich starken Nikotin-Beimischungen an bis hin zu Literflaschen, die einem Dampfer viele Monate ausreichen, aber nur um 25 Euro kosten.

Nun hat der Gesetzgeber gegengesteuert und diese große Mengenabgabe nikotinhaltiger Liquids seit Mai 2017 untersagt (beschlossen übrigens gegen die Stimmen der Grünen, gegen eine Stimme aus der CDU und mit Enthaltung der Linken) und auf eine Mengenabgabe von maximal 10ml beschränkt. Dass das der Tabakindustrie, pardon, der Nikotinverabreichungsindustrie nutzt, die nur an solchen Kleinabgabemengen richtig Geld verdient, stellt die politische Entscheidung noch einmal in ein besonderes nebeliges Licht. So schreibt Abgeordentenwatch zu diesem Themenkreis: „Die WHO empfiehlt in einem aktuellen Bericht übrigens auch eine Beschränkung der Kontakte von Politik und Tabaklobby auf das Minimum. Das Bundesministerium für Ernährung und Verbraucherschutz legt immerhin seine Treffen mit der Tabakindustrie freiwillig offen, doch es fehlen verbindliche Transparenzregeln.“

Sofort erinnern die Probleme der Tabakindustrie auch an jene der Automobilindustrie: Auch hier steigt man ja von der Verbrennung auf die elektrischen Alternativen um. Unter großen Schmerzen, denn der Sucht der Autofahrer nach dem ordentlichen Wumms der Verbrennungsmotoren muss man erst einmal etwas Adäquates entgegensetzen. Dampfmaschinen sind da sicher keine gute Lösung. Der Dampfwagen jedenfalls erwies sich schon um die Jahrhundertwende als Auslaufmodell.