Tichys Einblick
Ausbau der Bundeswasserstraßen stockt

Durch Niedrigwasser können Binnenschiffer weniger Fracht transportieren 

Bis 2030 sollte die Rheinvertiefung abgeschlossen sein. Doch sie wird den Weg gehen, den fast alles geht, was dieser Staat mit seiner Regierung und Verwaltung in die Hand nimmt – daraus wird nichts. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.

Niedrigwasser gab's zu allen Zeiten

IMAGO / CTK Photo

Züge, die Mineralöl, Gas, Kohle oder Transformatoren transportieren, sollen im Schienenverkehr Vorrang bekommen. Das sieht eine neue Rechtsverordnung vor, die das Bundeswirtschafts- und das Bundesverkehrsministerium geschrieben haben. Ziel sei es, den Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien, Stromnetzen und weitere lebenswichtige Betriebe sicherzustellen, so heißt es in dem Papier, dass der dpa vorliegt. Jetzt will Wirtschaftsminister Habeck auch in die Zugplanung der Bahn eingreifen – als ob da nicht schon genug schief ginge. Gleichzeitig sollen Verspätungen oder Ausfälle im Personenverkehr weitgehend vermieden werden, betont er. Er erklärte nicht, wie dieses Wunder auf Schienen vollbracht werden solle. Zumal derzeit wesentliche Strecken wie die ICE-Schnellfahrstrecke bei Fulda wegen Renovierungsarbeiten komplett gesperrt sind.

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Angesprochen wird auch das extreme Niedrigwasser auf Rhein und anderen Flüssen. Dadurch können Binnenschiffer deutlich weniger Fracht transportieren. Die niedrigen Pegelstände zeigten die dringende Notwendigkeit, so sagt der deutsche Industrie- und Handelskammertag in einem Zeitungsinterview, bauliche Maßnahmen zur Ertüchtigung der Fahrerinnen und die Erneuerung der Flotte zügig umzusetzen.

Für Robert Habeck sind die niedrigen Wasserstände am Rhein Folge jener Klimakrise. Niedrigwasserstände gab es allerdings zu allen Zeiten. Niedrigwasser im extrem trockenen Jahr 2018 verursachten bundesweit im Wasserstraßennetz Schäden von mehreren Milliarden Euro. Zuletzt herrschte im Juli 2019 ebenfalls extremes Niedrigwasser im Rhein. Dies ließ den damaligen Bundesverkehrsminister Scheuer ebenfalls einen Aktionsplan »Niedrigwasser Rhein« pressewirksam vorstellen. Der sollte ebenfalls »zeitnah auf den Weg gebracht werden«, wie es immer wieder heißt. Passiert ist natürlich nichts.

Schon seit Jahren soll der Rhein an neuralgischen Ecken zwischen Wiesbaden und St. Goar von derzeit 1.90 Meter auf durchgängig 2.10 Meter vertieft werden. Sechs »Tiefenengstellen« sollen beseitigt werden. Mitte Mai begann dazu ein Baggerversuch bei Lorch, bei dem das Schiefergestein an der Flusssohle mit einer Fräse abgetragen werden soll. Das geschieht unter einer Haube, sodass die Strömung nicht das abgetragene Material wegschwemmt, sondern abgesaugt und auf einem Ponton gelagert werden kann. Es fehlt zudem an Ingenieuren, die die Wasserbauarbeiten planen können. Auch das ist seit Jahren bekannt – passiert ist nichts.

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Bis 2030 sollte die Rheinvertiefung abgeschlossen sein. Doch sie wird den Weg gehen, den fast alles geht, was dieser Staat mit seiner Regierung und Verwaltung in die Hand nimmt – daraus wird nichts. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.

Wie es mit dem so wichtigen Ausbau der Bundeswasserstraßen weiter geht, steht in den Sternen. Gerade hat die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion geantwortet, dass seit 2019 bis heute lediglich vier Baumaßnahmen des Bedarfsplans Bundeswasserstraßen abgeschlossen worden seien. Als Begründung für den Stau beim Ausbau hieß es von Seiten der Regierung, dass für den Ausbau ein Mehrbedarf an Finanzmitteln von rund 500 Millionen Euro notwendig sei.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine muss herhalten, dass nichts vorangeht ebenso wie steigende Energiekosten und Transportkosten. So seien belastbare Aussagen zu Projektlaufzeiten nicht möglich, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Im Klartext: Berlin weiß nicht, wie es weitergeht. Dennoch solle die Transportkapazität erhöht werden, so die Forderung des Bundeswirtschaftsministeriums.

Vielleicht könnte ein Rückgriff auf die Technik der Großväter helfen. Dies funktioniert, wie kürzlich ein Einsatz im Pfälzer Wald zeigte. Denn die Strecke zwischen Neustadt an der Weinstraße und Kaiserslautern wurde wegen Bauarbeiten teilweise gesperrt. Auf dieser Ludwigsbahn fahren ansonsten unter anderem die ICE-Züge nach Paris. Jetzt mussten Gleise und hohe Schottermengen transportiert werden.

Die für den Bauzug vorgesehene Diesellokomotive war jedoch nicht einsatzbereit. Ein Anruf bei den Eisenbahnfreunden Ulm genügte – sie konnten mit einer Güterzugdampflok der Baureihe 58 helfen, mit der sonst Nostalgiefahrten veranstaltet werden. Die Dampflokomotive 58311 wurde dafür angeheizt und zog locker 20 Wagen in den Pfälzerwald hoch. Dieses eindrucksvolle Technikungetüm wurde 1921 als leistungsstarke Güterzuglok mit einer relativ geringen Achslast von der Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe gebaut, läuft heute noch und konnte jetzt noch ein Zuggewicht von über 1000 Tonnen in den Pfälzerwald locker ziehen. Wenn es die Enkel nicht mehr schaffen …

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