Tichys Einblick
Wenn die Demokratie der Macht im Wege steht

Diese Demonstration ist „unverzeihlich“ – sie darf sich nicht wiederholen

In der CDU werden sogar schon Überlegungen laut, ob das Demonstrationsrecht nicht eingeschränkt werden muss, denn schließlich ist sicherzustellen, dass man, wenn man diese „unverzeihliche“ Demonstration schon nicht „rückgängig“ machen kann, zumindest Sorge dafür zu tragen hat, dass sie sich nicht wiederholt.

imago Images/Christian Spicker

Wenn die Demokratie der Macht im Wege steht, wird dann die Demokratie aufgelöst? Der Jubel über die Berliner Demo kannte bei der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken keine Grenzen. Sie meinte allerdings nicht die Demonstration vom letzten Sonnabend in Berlin, sondern die vom 6. Juni, als die rotgrünen Parteien und die häufig vom Staat finanzierten sogenannten NGOs so viel als möglich wackere Demonstranten zusammentrommelten und nach Berlin brachten, um gegen den Rassismus und die Polizeigewalt in Deutschland zu protestieren. Das Lob der SPD-Vorsitzende galt der Antirassismus-Demo in Berlin, die wieder einmal ein Zeichen für die „Solidarität“ setzte. Dieselbe Saskia Esken empört sich nun über die Demonstranten vom Wochenende und beschimpft die Teilnehmer in der ihr eigenen Subtilität als „Covidioten“. Interessant wäre eine Untersuchung, wie viele Teilnehmer der Demo früher einmal, als die SPD noch Wahlsiege feierte, die SPD gewählt hatten.

Was unterscheidet also die Demo vom 6. Juni von der vom 1. August? Dass der Protest am letzten Samstag mehr Menschen auf die Straße trieb, die für die Freiheit, für die Bürgerrechte eintraten, als am 6. Juni für Eskens „Solidarität“? 

Die Einhaltung der Maskenpflicht und des Abstandes wohl nicht. Aber vielleicht wurde bisher das große Mirakel nur noch nicht verstanden, dass die Republik am 6. Juni erleben durfte, nach dem derjenige, der für die „gute“ Sache kämpft, immun gegen das Virus ist. Neu ist das allerdings nicht. Ärzte im Mittelalter empfahlen Weihwasser und das Beten des Vaterunsers als bestes Mittel gegen die Pest. Auch das Kauen von Bibelseiten wurde ausprobiert. Saskia Esken nun, so scheint es, hält den Kampf für den Ökosozialismus und gegen den Rassismus als Allheilmittel gegen den  Coronaerreger.

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Man müsste Eskens Tweets nicht erwähnen, wenn Heuchelei und Doppelmoral nicht inzwischen eine Art Grundtenor in Politik und Medien bilden. Esken ist nur ein Beispiel unter vielen. In der CDU werden sogar schon Überlegungen laut, ob das Demonstrationsrecht nicht eingeschränkt werden muss, denn schließlich ist sicherzustellen, dass man, wenn man diese „unverzeihliche“ Demonstration schon nicht „rückgängig“ machen kann, zumindest Sorge dafür zu tragen hat, dass sie sich nicht wiederholt. 

Die Augenzeugenberichte über die Demonstration, die mir zugingen, klingen identisch, sie verweisen darauf, dass es eine friedliche und phantasievolle Demo war, der sich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten anschlossen, dass die Demonstranten nicht die Polizisten angegriffen haben, wie die „Qualitätsmedien“ behaupteten, sondern einige Polizisten bei einer Demo der Antifa in Neukölln verletzt wurden. An drei Stellen, wird übereinstimmend berichtet, versuchten ungefähr dreihundert Antifa-Gegendemonstranten erfolglos den Demonstrationszug zu stoppen, doch auch deren Provokationen führten zu keinem Gewaltausbruch.

Demonstriert wurde gegen die Beschränkung der bürgerlichen Freiheiten. Hatte sich die Polizei bei der Verletzung der Abstands- und Maskenpflicht am 6. Juni zurückgehalten, sie akzeptiert, ging sie nun dagegen vor. Ein Teilnehmer berichtet, dass er sich für die Polizei schäme. Ein anderer, dass er sah, wie unwohl sich einige Beamte dabei fühlten, gegen die Bürger vorzugehen. Als der Hauptredner ans Mikrophon trat, wurde der Strom abgedreht, die Demonstration wurde aus Gründen aufgelöst, die bisher noch bei keiner Antirassismus- oder Klima-Demo auch nur im entferntesten eine Rolle gespielt hatten. 

Sowohl die Bilder als auch Augenzeugenberichte belegen, dass die behauptete Zahl von 20.000 Demonstranten in den Medien nicht der Wahrheit entsprechen können. Ob tatsächlich eine halbe Million am Samstag für die Freiheit und die Bürgerrechte demonstrierten, mag man anzweifeln, doch es dürften mindestens 100.000 Menschen auf die Straße gegangen sein.

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Wie immer man zu der Demonstration vom Wochenende stehen mag, zweierlei hat sie gezeigt. Erstens zerfällt der „Wirsindmehr-Mythos“, weshalb man sich alle Mühe gibt, die Teilnehmerzahl medial zu reduzieren, wobei man nicht einmal vor der „Bildbearbeitung“ zurückschreckt, und zweitens treten immer mehr Menschen für die Freiheit ein, lassen sich nicht gängeln, emanzipieren sich auch von einem Medienbetrieb, der in seiner Panik immer vollständiger in die Propaganda abgleitet. Dass der ARD nichts anderes mehr einfällt, als eigene Methoden anderen zu unterstellten, nämlich Bilder zu publizieren, die von einem anderen Ereignis stammen, weil die Bilder vom Ereignis selbst die öffentlich-rechtliche Darstellung als Ente entlarven würden, zeigt, in welchen Autismus sich die aktivistischen Journalismus befindet. Er hat seine Glaubwürdigkeit verspielt.

Der Journalist Hasnain Kazim hat schon empfohlen, dass Andersdenkende und Kritiker der Regierungspolitik nach Nordkorea auswandern sollen. Damit jedoch nicht genug, denn: „Diese Leute, die da „demonstrieren“, sind keine „besorgten Bürger“. Es sind Feinde der Demokratie, Feinde der freien Presse, Feinde der Rechtsstaatlichkeit. Sie gehören politisch bekämpft, sozial geächtet, juristisch zur Rechenschaft gezogen.“ Wer nicht freiwillig auswandert, wird eingesperrt? Wenn sich Kazims Vorstellungen von Demokratie verwirklicht haben, muss man den weiten Weg nach Nordkorea nicht mehr auf sich nehmen. Kazims Vorstellung von Demokratie besteht in Wahrheit in der Diktatur. 

Der Vorsitzende der AG Migration in der SPD, Azis Bozkurt, assistiert Kazim mit den Worten: „Ich fordere: härtere Gesetze, um diese Lebensgefährder abschieben zu können. Egal wie. Egal wohin. Einfach raus aus meinem Land.“ Dass dem Sozialdemokraten dabei nicht einmal mehr in den Sinn kommt, dass dieses Land auch das Land der Bürger ist, die er abschieben, dass er die Demonstranten ihres Landes, ihrer Heimat berauben will, weil sie nicht mit ihm politisch übereinstimmen, das kannte man bisher nur aus den  deutschen Diktaturen. Ist sich der Genosse Bozkurt bewusst, dass er über die Ausweisung von über 100.000 Menschen spricht?

Wer die Corona-Pandemie dazu benutzen will, die demokratischen Freiheiten, die unveräußerlichen Bürgerrechte auszuhebeln, zerstört die Demokratie, missachtet das Grundgesetz, derjenige, der Wind sät, wird Sturm ernten, denn er verlässt den bewährten Pfad des Diskurses einer bürgerlichen Gesellschaft, der auf der Grundlage der Freiheit geebnet wurde, um den freien und unblutigen Wettbewerb der Ideen zuzulassen.   

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Der 6. Februar zählt zu den schwarzen Tagen der Demokratie in Deutschland. Auf Weisung einer Kanzlerin fuhr der Parteivorsitzende einer Partei, die sich liberal nennt, nach Erfurt, um einen Parteifreund, der in einer freien und demokratischen Wahl zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, zum Rücktritt zu nötigen. Die Weisung der Kanzlerin, dass die Wahl rückgängig gemacht werden muss, wurde binnen 24 Stunden exekutiert. Nun denken Politiker der Partei der Kanzlerin darüber nach, dass Demonstrationsrecht einzuschränken. An dieser Stelle müsste jeder Demokrat, ganz gleich, ob er mit den Demonstranten vom Wochenende übereinstimmt oder nicht, laut protestieren, denn es geht um die Demokratie schlechthin.  

Was bei ARD und ZDF, was im Kanzleramt, in den Fraktionen und Parteizentralen zu einer erheblichen Verunsicherung geführt hat, war, dass eine Demonstration mit so vielen Teilnehmern stattgefunden hat, ohne, dass sie von ihnen oder ihren NGOs initiiert und die Regierung mit dem Selbstbewusstsein der Bürger konfrontiert wurde. Das ist sie nicht mehr gewohnt. 

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