Tichys Einblick
Alte Menschen und die Wohnungsnot

Die Wohnraum-Bewirtschaftung kommt zurück – wie in der DDR

Das Fehlen von Wohnraum dürfte sich in den nächsten Jahren durch grünen Regulierungswahn und Faesers beschleunigte Einwanderung in das deutsche Sozialsystem noch vergrößern. Die grüne Lösung lautet: Die Älteren sollen aus ihren Wohnungen gedrängt werden.

Eine ältere Frau vor einem Plattenbau im sächsischen Heidenau

IMAGO / Daniel Schäfer

Das Feindbild der Grünen sind die älteren Bürger, der alte „weiße Mann“ und inzwischen auch immer häufiger die alte „weiße Frau“, all jene, denen man im Schulunterricht noch nicht die Werte der Aufklärung vorenthalten hat. Für die Grünen ist das übrigens kein Problem, weil sie so fortschrittlich sind, dass sie nicht altern können. Die Älteren sollen aus der Gesellschaft, aus ihren Wohnungen gedrängt werden, ihr Wahlrecht soll nach dem Willen der Grünen reduziert werden.

Bleiben wir beim Wohnen. Woran erkennt man die grüne Wirtschaftspolitik, auch wenn sie sich mit roten Schwingen erhebt, mit ein paar flüchtigen gelben Punkten versehen und von den Schwarzen approbiert wird? Am Eintreten der Mangelwirtschaft, am Verlust an Kraft und Innovation, am Verlust von Wohlstand und von Lebensfreude. Die Grünen können noch so sehr große und größere Sonnenblumen malen, ihre Welt dahinter ist grau, freudlos und verbissen.

Katastrophe mit Ansage
Das „Desaster auf dem Wohnungsmarkt“ und die ignorierten Ursachen
Das urgrüne Pestel-Institut, eine Nachwehe des intellektuell bei weitem überschätzten Clubs of Rome, stellt in einer Studie mit dem Bauforschungsinstitut ARGE fest, dass in Deutschland in diesem Jahr über 700.000 Wohnungen fehlen werden. Immer mehr Menschen wohnen auf zu kleinem Wohnraum, weil Wohnraum knapp ist. Das Fehlen von Wohnraum dürfte sich in den nächsten Jahren durch grünen Regulierungswahn und Faesers fröhlich beschleunigter Einwanderung in das deutsche Sozialsystem noch vergrößern.

Gerade in den Großstädten wird dieser Mangel für Familien besonders deutlich. Der klassische Weg, in die inzwischen lukrativen Randgebiete, in das Weichbild der Großstädte, auszuweichen, „ins Grüne“, wie man in Berlin sagt, wird inzwischen durch den Regulierungswahn der Grünen, der von Ursula von der Leyens EU vorangetrieben wird, versperrt. Hohe Bauzinsen, hohe Baukosten durch politisch hausgemachte Inflation, durch ausufernde Berichtspflichten, CO2-Bepreisung, also die Erhebung einer Atemsteuer, Dämmstoffwahn und Wärmepumpendelirien stürzen die Bauindustrie in eine tiefe Krise und machen den Wohnraum immer unbezahlbarer. Man mache sich da nichts vor, auch die Krise der Bauindustrie ist politisch verursacht.

Um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen und dafür lieber die wahren Gründe wegzuframen, warten Medien mit Gründen auf, deren Oberflächlichkeit bereits an grünem Populismus kratzt: „Knappes Bauland, hohe Mieten und die Urbanisierung machen das Wohnen in deutschen Großstädten zu einem Privileg. Der russische Angriff auf die Ukraine und die damit verbundenen Fluchtbewegungen erhöhen den Druck auf den deutschen Wohnungsmarkt zusätzlich. Die Nachfrage steigt, während in Deutschland zu wenig neue Wohnungen gebaut werden.“ So säuselt der Focus und vergisst dabei, dass Bauland knapp wird, wenn man das gesamte Land mit Windparks zupflastert oder vermehrt Migrantenunterkünfte baut, dass man natürlich beispielsweise das Tempelhofer Feld für Wohnbauprojekte nutzen könnte, dass die Fluchtbewegung – hier schließen wir gern Erinnerungslücken des Focus – nicht mit dem Ukraine-Krieg begann, sondern dass sich seit Merkels famoser Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme von 2015 der Wohnungsbedarf erhöht hat und die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt besonders junge Familien trifft.

Unabhängig vom Ukraine-Konflikt haben wir eine an sich hohe und sich auch dank Nancy Faeser weiter erhöhende Einwanderung. Hauptfaktor für die Einwanderung ist die deutsche Sozial- und letztlich auch die Wohnbaupolitik der Rotgrünen. So will nun die stadteigene Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam der brandenburgischen Landeshauptstadt auf Anweisung der roten Stadtregierung 135 Wohnungen in Potsdam-Golm bauen. Sie lässt sich den Bau auf Kosten der Steuerzahler vergolden, 23 Euro pro Quadratmeter zahlt die Stadt, also der Steuerzahler für diese Wohnung – und zwar garantiert 30 Jahre lang. Nicht aber für deutsche Familien, nicht aber um den Wohnungsmangel für deutsche Familien mit kleinem und mittlerem Einkommen zu mildern, sondern für Migranten. Dass die von Merkel 2015 ins Werk gesetzte Masseneinwanderung zu einer drastischen Wohnraumverknappung führen würde, war jedem klar, der nicht in rotgrüner Ideologie schwelgt oder sein Geld in einer vom Steuerzahler finanzierten NGO verdient.

Keine neuen Wohnungen 2023
Vonovias Stopp für den Wohnungsbau offenbart die deutsche Misere
Dass sich die investierende Immobilienwirtschaft aus Städten zurückzieht und Investitionen in den Wohnungsbau unterlässt, die wie Berlin in Enteignungsorgien schwelgen oder unbedingt klimaneutral werden wollen, überrascht niemanden, der auch nur halbwegs realistisch denkt, also die Wirklichkeit und nicht die Utopie im Blick hat. Will man also die wachsende Not auf dem Wohnungsmarkt für deutsche Familien stoppen und schrittweise reduzieren, will also die deutsche Regierung ihrem Amtseid nachkommen, hilft vorderhand nur eine Maßnahme, und zwar das Angebot an Wohnraum muss vergrößert werden. Hierzu braucht der Staat, nicht wie beispielsweise in Potsdam oder auch anderswo, zunächst keine Steuergelder einzusetzen. Er muss nur seiner Aufgabe nachkommen und Ordnungspolitik betreiben, die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.

Dazu gehört:

  1. Bekämpfung der Inflation, indem die Energiepreise, die Hauptreiber sind, reduziert werden. Das erfordert, dass man von den Idiosynkrasien der Klimaneutralität geheilt und eine vernünftige Wirtschafts- und Energiepolitik betrieben wird, die auf einen Mix von Energien setzt, zu dem wesentlich die Kernenergie gehört, und man sich von den extrem umwelt- und wirklich klimaschädlichen, sogenannten erneuerbaren Energien verabschiedet.
  2. Abschaffung der CO2-Bepreisung und Reduktion der Energiesteuer.
  3. Reduktion der Dämmverordnungen und anderer überbordender Bauverordnungen. Dass man das durchaus kann, zeigt das Beispiel Potsdam, wo (in allerdings negativer Weise, um die demokratischen Rechte auszuhebeln) plötzlich kein B-Plan mehr erstellt werden muss, allerdings, eben nur wenn es um den Bau von für die Bewohner mietfreien Wohnungen für Migranten und Flüchtlinge geht.
  4. Die Grünen müssten den Kampf gegen das Eigenheim aufgeben.

Der Staat muss nicht einmal Anreize schaffen, er muss nur die vielen Hemmnisse beseitigen – und freilich die Schnellstraße der Deindustrialisierung verlassen, die einzige Straße übrigens, die der grüne Staat ausbaut.

Auf diese und weitere wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen kommt man nicht. Schuld sind stattdessen natürlich ältere Menschen, die auf „zu“ vielen Quadratmetern hocken und böswillig und hinterhältig den jungen Familien den Wohnraum wegnehmen. Nach dieser Lesart haben wir nämlich kein Problem mit dem Bestand von Wohnraum, sondern wir haben ein Verteilungsproblem. Nichts haben übrigens Politiker lieber als Verteilungsprobleme. Mittels Verteilungspolitik kann man sich aus der Kritik nehmen, indem das so perfide, aber leider so erfolgreiche Herrschaftsprinzip „Teile und herrsche“ (divide et impera), das auf Machiavellis „Il Principe“ zurückgeht, angewandt wird. Ein bewährtes Mittel, von der eigenen Bereicherung oder von den Folgen der eigenen desaströsen Politik abzulenken, besteht darin, Bevölkerungsgruppen demagogisch und brutal gegeneinander auszuspielen. Auch das kennt man aus der Geschichte – und es sind immer politische Kräfte, die auf diktatorische Regierungstechniken setzen, die auf das Mittel des Verketzerns von gesellschaftlichen Gruppen, auf das Benennen von Sündenböcken zurückgreifen.

Die Wahrheit ist jedoch sehr einfach, wir haben nämlich kein Verteilungsproblem, wir haben ein Angebotsproblem. Doch da grüne Politik, ob sie nun Richtschnur der Grünen, der Ampel oder CDU ist, das Angebotsproblem nicht lösen kann oder will, wird es zum Verteilungsproblem umgelogen.

Jede Verteilungspolitik beginnt damit, gegen Bevölkerungsgruppen zu hetzen, sie zum Schuldigen für das Übel zu erklären, das sie in Wahrheit nicht verursacht haben, schon aus dem Grund, weil Verteilungspolitik bedeutet, dass, um umverteilen zu können, zuvor jemandem etwas weggenommen werden muss. Hierfür bedarf es der Behauptung, dass denen, denen etwas weggenommen wird, sie das, was ihnen weggenommen wird, zu Unrecht besitzen. Der Diebstahl hat moralisch legitimiert zu werden. Die Älteren nämlich nehmen in ihrer abgrundtiefen Bosheit, die nur den biologischen Grund des Alters haben kann, den armen jungen Familien den Wohnraum weg. So erklärt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender des Empirica-Instituts, Focus online gegenüber: „Wenn Pensionisten auf zu großen Flächen wohnen, aber alle anderen gut versorgt sind, dann interessiert das keinen, wer wie groß wohnt.“

In einer freien und demokratischen Gesellschaft sollte das auch sonst keinen interessieren, denn der Wohnraum ist nicht Staatseigentum und der Staat besitzt keinerlei Recht, über privat entstandenen Wohnraum zu verfügen. Oder irgendwelche Steuern zu erheben, letztlich ist ja bereits die Grundsteuer fragwürdig. Und da dieses Grundprinzip einer bürgerlichen Gesellschaft vielleicht nicht mehr allzu geläufig ist, setzt Braun nach: „Knappheit und ein längeres Leben, beides zusammen macht die Situation in Deutschland akut.“ Den Faktor Migration hat der Experte praktischerweise ausgespart. Geht man von Brauns Worten aus, kommen eigentlich nur zwei Lösungen in Frage, entweder man verkürzt die Lebenszeit der Bürger, mit Ausnahme derer natürlich, die für eine bestimmte politische Partei oder für eine NGO tätig sind, oder man stellt den Mangel ab, das heißt aber bauen. Das eine ist noch nicht durchsetzbar, das andere ist nicht politisches Ziel der regierenden Parteien.

Bleibt nur eine dritte Lösung, auf die Matthias Günther, Vorstand des Pestel-Instituts hinweist: „Wer auf besonders vielen Quadratmetern wohnt, sollte auch mehr Steuern zahlen.“ Günther ist also letztlich der Meinung, man muss diejenigen, die auf besonders „viel“ Wohnraum sitzen, mittels Strafsteuern exmittieren. Mit dieser Vorstellung hätte Matthias Günther in der DDR Karriere gemacht. Da die DDR das Wohnungsproblem als Angebotsproblem nicht lösen konnte, löste sie das Wohnungsproblem als soziales Problem, also als Verteilungsproblem, das heißt, es wurde festgelegt, wer wie viel Wohnraum zu beanspruchen hat, der ihm dann auch zugewiesen wurde.

Das betraf auch diejenigen, die Eigenheime bauten. Sie durften zwischen zwei Normtypen von Häusern wählen und die Größe des Eigenheims richtete sich nach dem Wohnraum, den die Bauherren laut staatlichen Berechnungen und Verordnungen zu beanspruchen hatten. Nimmt man Günther ernst, heißt das, dass ältere Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden könnten, dass am Ende wohl auch diejenigen, die sich ein Haus gebaut haben und ein Leben lang dafür abbezahlen, aus ihrem Haus vertrieben werden, weil sie dann die womöglich von Matthias Günther errechnete Strafsteuer nicht mehr zu zahlen in der Lage sind. In der DDR hätte Günther dafür den Nationalpreis I. Klasse verliehen bekommen. Seine Überlegungen dürften den Grünen aller Farben gefallen und seinem Institut weiter Staatsaufträge bescheren.

Aber der Staat hat nicht das Recht, wie er es dreist exekutiert, schamlos in die Taschen der Bürger zu greifen, um deren Geld in alle Welt zu verteilen, um seine ideologischen Projekte und den Klimakomplex zu finanzieren. Er hat die Pflicht, vernünftige und nicht utopische, von der Mission her gedachte Rahmenbedingungen zu setzen. Doch der freie Bürger wird immer mehr zum Feindbild des grünen Staates, er will statt des mündigen Bürgers das hörige Sozialstaatsobjekt, dem er alles vorschreibt.

Der grüne Staat aller Farben hat sich von Deutschlands wirtschaftlichem wie politischem Erfolgskonzept, der Sozialen Marktwirtschaft, verabschiedet und ist auf dem Weg in die ökologistische Kommandowirtschaft. Von der Wohnraumgröße über die Art der Fortbewegung, die Ernährung, das Sprechen, Denken und Empfinden will er den Bürgern Vorschriften machen, im Grunde Befehle erteilen. Das verbirgt sich unter der klimaneutralen Gesellschaft, deren Amtssprache schnell nordkoreanisch werden könnte, denn jede Mangelgesellschaft führt zur Diktatur, die ökonomisch gesehen eine Mangelverwaltungs- und demzufolge eine Zuteilungsgesellschaft wird. Ob man das über ein Wohnungsamt oder über Steuern regelt, ist nur eine Frage der Mittel.

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