Tichys Einblick
Die Regierung will nicht sparen:

Die Regierung hat zwar keinen Haushalt, dafür aber eine Klimaaußenpolitikstrategie

Statt den Haushalt zu beschließen, hat das Kabinett darüber nachgedacht, wie es noch mehr Geld ausgeben kann: Das Kabinett beschloss eine milliardenschwere „Klimaaußenpolitikstrategie“. Der Nikolaus hat am 6. Dezember den Deutschen keinen Bundeshaushalt beschert, sondern Schuldscheine.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Update (15:20 Uhr): Es war klar, dass die Ampel in diesem Jahr keinen Haushalt mehr zustande bringt. In einer vertraulichen Handy-Nachricht schreibt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast: „Olaf, R. Habeck und Ch. Lindner konnten ihre intensiven Gespräche noch nicht zu einem Abschluss bringen. In den heutigen Parteigremien sind dazu klare Voraussetzungen verabredet worden, die von Olaf bereits in der Regierungserklärung angesprochen wurden. Olaf ist zuversichtlich, dass in den kommenden Tagen ein Ergebnis erzielt werden kann.“

Wieder einmal ist die Ampel an der Haushaltsfrage gescheitert, doch es scheint sie nicht sehr zu beunruhigen, sie gibt dennoch weiter Geld aus, dann eben ohne Haushalt. Deutschland erreicht nicht einmal mehr das Niveau einer Bananenrepublik. Das Desaster hatte sich in den letzten Tagen sehr vernehmlich angedeutet, und wurde im Grunde am Mittwoch bereits offenbar.

Am Mittwoch sollte eigentlich das Bundeskabinett den Haushalt für das Jahr 2024 beschließen. Eigentlich, denn es ist auch höchste Zeit, will man den Bundeshaushalt in diesem Jahr noch in den Bundestag einbringen. Eigentlich ist die Regierung auch dazu laut Grundgesetz verpflichtet, denn im Artikel 110 Absatz 2 Grundgesetz heißt es: „Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt.“

Die Feststellung des Haushaltes für das Rechnungsjahr 2024 muss also vor Beginn des Rechnungsjahres 2024 erfolgen. Das nennt man den Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit. Da unvorhergesehene Fälle – und da reden wir noch nicht über die berühmt-berüchtigten Notlagen – auftreten können, gibt es die Möglichkeit von Nachtragshaushalten, die aber laut dem Grundsatz im betreffenden Rechnungsjahr festzustellen sind.

Seit Tagen verhandeln Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner über den Bundeshaushalt für das Jahr 2024. Parallel zu den Verhandlungen stellen alle Bundesminister fest, dass bei ihnen nicht gespart werden kann. Die Überlegung des Bundesfinanzministers, Einsparungen beim Bürgergeld, das den Steuerzahler sogar 2,1 Milliarden Euro mehr kosten wird als Heils Ministerium ursprünglich veranschlagt hat, zu machen, kontert die Bundesagentur für Arbeit selbstgefällig mit dem Hinweis, dass „die Auszahlungsprozesse … bereits“ laufen. „Es ist technisch nicht mehr möglich, für Januar 2024 andere als die bisher veröffentlichten Werte umzusetzen.“

Heils Ausgabenhemmungslosigkeit wird den Sozialstaat in den Kollaps treiben. Und wie reagieren Christian Lindner und die FDP darauf? Zunächst mit leiser Stimme: Na wenn das so ist, dann ist es eben so, dann kann man 2024 leider nichts mehr ändern. Und weiter mit Megaphon: Aber 2025, ja 2025, wird es eine Nullrunde geben, ganz bestimmt, eine ganz sparsame, die allersparsamste Nullrunde. Da werden wir aber als FDP dafür sorgen! Selbst, wenn es diese Regierung dann noch gibt, wird die FDP wohl kaum in den letzten Monaten, die sie noch in der Regierung und im Bundestag sitzt, das umsetzen können.

Auch die 10 Milliarden Euro als Subventionen für den Bau einer Fabrik durch Intel in Magdeburg stehen in der Diskussion. Es wäre doch eine böse Ironie des Schicksals, wenn am Ende Sachsen-Anhalts Ministerpräsident mit der Infragestellung – er nennt es Reform – der Schuldenbremse nur der eigenen Fraktion im Bundestag in den Rücken gefallen und wacker den Grünen geholfen hat, um am Ende die Chipfabrik doch nicht zu bekommen. Rechtlich möglich wäre das, weil bisher nur Absichtserklärungen bestehen. Doch die Blamage für die Bundesregierung wäre so hoch, der Imageschaden so gravierend, dass sich das Habeck-Scholz-Kabinett diese Blöße nicht geben kann.

Denn andere Firmen, die sich nach Habecks Träumen an der Grenze die Füße plattstehen, um in Deutschland investieren zu dürfen, stehen in Wahrheit nur dort, um Subventionen geschenkt zu bekommen, im wohlfeilen Kalkül auf das stupid German money. Aber Gott sei dank verfügt die SPD über ein Wirtschaftsgenie wie Esra Limbacher, der sich lieber für die Großindustrie als für den Mittelstand einsetzt, obwohl er doch eigentlich Mittelstandsbeauftragter der Bundestagsfraktion der SPD ist: „Die passive Beobachterrolle, die der Finanzminister für Deutschland vorsieht, ist aus der Zeit gefallen.“ Stimmt, Staats- und Subventionswirtschaft ist in Deutschland gerade Zeitgeist.

Die Schuldenbremse sollte nicht mit der Ausrufung der Notlage für das Jahr 2024 umgangen werden, wie es SPD und Grüne heiß ersehnen, wenn es nach Christian Lindner geht. Aber, so wird sich mancher Minister im Bundeskabinett fragen, wer zur Hölle ist Christian Lindner? Am Ende wird man wohl doch die Notlage ausrufen und den dritten grundgesetzwidrigen Haushalt in Folge beschließen. Der Unterschied zwischen den deutschen Bürgern und der Bundesregierung scheint darin zu bestehen, dass, was für die ersten Gesetze, für die zweiten Gerüchte sind.

Denn so sagte beispielsweise der Finanzjurist Prof. Dr. Alexander Thiele von der BSP Business and Law School Berlin zur Anhörung im Haushaltsausschuss des Bundestages über den Nachtragshaushalt 2023 und die rückwirkende Ausrufung der Notlage: Schließlich sei dem Karlsruher Urteil „Genüge getan“, weil die Bundesregierung „erkennbar bemüht“ sei, „sich aus dem Urteil ergebende Vorgaben zu erfüllen“. Sie bemüht sich. Die Bundesregierung braucht also keine Gesetze einzuhalten, sie muss nur „erkennbar bemüht“ sein, die Gesetze einzuhalten. Und im Beurteilungsdeutsch ist „bemüht“ nur ein Euphemismus für „unfähig“. Wer sich bemüht, kann es nicht und wird es auch nie können.

Das Bundeskabinett beschloss statt des Haushaltes 2024 die „Klimaaußenpolitikstrategie der Bundesregierung“. Man kann aufatmen, die US-Amerikanerin Jennifer Morgan und ihre Ministerin Annalena Baerbock retten die Welt mit sehr viel deutschem Geld, das Christian Lindner irgendwie zusammenpumpen muss. Es geht dabei um so feine Deindustrialisierungsstrategien wie: „Treibhausgasemissionen bis 2030 drastisch senken, globale Energiewende beschleunigen“. Annalena Baerbock hat das ja schon einmal dem abwesenden Xi Jingping in der chinesischen Provinz zu erklären versucht, wie feministische Politik funktioniert. Sie wird wohl wieder in die chinesische Provinz reisen müssen, um vielleicht einem stellvertretenden Außenminister, der gerade Zeit hat, auseinanderzusetzen, wie China im Jahr 2050 klimaneutral sein kann. Denn die Seite 69 ihrer Strategie ist besonders eindrucksvoll und vor allem wohl sehr kompliziert, weil Baerbock sie nicht verstanden haben dürfte, obwohl sie doch eigentlich sehr einfach ist. Diese Seite stellt nämlich die vernichtende Kritik von Morgans und Baerbocks Strategie dar.

Lassen wir die Fragwürdigkeit des CO2-Voodoos einmal beiseite und folgen wir der Regierung in ihrer eigenen Logik. China hat einen Anteil an CO2-Emissionen in der Welt von 30,9 Prozent. Baerbocks Strategie zeigt nun auf, dass China nicht nur der unangefochtene Spitzenreiter der Emittenten ist, sondern dass China bis zum Jahr 2030 seine Emissionen noch um 11 Prozent steigern wird. Die USA werden 2030 nicht mehr der zweitgrößte Kohlenstoffemittent sein, sondern das wird Indien in den nächsten Jahren werden. Die USA werden 2030 ihren Kohlenstoffausstoß um 40 Prozent reduziert haben, während Indien seine CO2-Emissionen bis 2030 um sage und schreibe 51 Prozent erhöht.

Am 2. Mai 2022 hat Bundeskanzler Olaf Scholz anlässlich der 6. Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen erklärt, dass Deutschland „für die Umsetzung von Maßnahmen und Projekten im Rahmen dieser neuen Partnerschaft in den kommenden 10 Jahren 10 Milliarden Euro“ Indien zur Verfügung stellen will. Auch deshalb wird in der Bundesregierung diskutiert, die notwendigen Investitionen in die Bahn, in die Digitalisierung, in die Werterhaltung von Straßen und Brücken in Deutschland zu reduzieren.

10 Milliarden, jährlich eine Milliarde Euro gepumpt oder aus deutschem Steueraufkommen erbracht, damit Indien im betreffenden Zeitraum den Ausstoß von Kohlenstoff um 51 Prozent erhöht? Deutschland, das ohnehin nur 1,8 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen beiträgt, wird seine Emissionen trotz verstärkter Kohleverstromung bis 2030 um 52 Prozent senken. Das Ziel dürfte bei dem rasanten Tempo der Deindustrialisierung durchaus erreichbar sein.

Die CO2-Emissionen gehen zurück, die Wirtschaft verlässt Deutschland oder rast in die Insolvenz, aber Deutschland will in den nächsten Jahren sehr viel Geld verteilen, um „Klimagerechtigkeit“ herzustellen, um Ländern zu helfen, die „historisch am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich und am meisten von Klimaauswirkungen“ betroffen sind. Nicht Deutschland hat für die Bundesregierung Priorität, sondern die oberste Priorität besteht darin, dass Deutschland ein „guter und verlässlicher Partner in der internationalen Klimafinanzierung“ bleibt.

Und: „Deutschland steht zu seinem Versprechen, die Mittel für die internationale Klimafinanzierung bis 2025 auf 6 Mrd. Euro zu erhöhen. Dieses Ziel wurde bereits 2022 und damit drei Jahre früher als zugesagt erreicht.“ „Bis spätestens 2025 plant die Bundesregierung die internationale Biodiversitätsfinanzierung als Anteil der Klimafinanzierung auf 1,5 Mrd. EUR pro Jahr zu erhöhen.“ Doch damit längst nicht genug: 2022 „betrug die deutsche internationale Klimafinanzierung 2022 aus allen Quellen (d.h. inklusive 3,09 Milliarden Euro über KfW und DEG öffentlich mobilisierte Marktmittel sowie 0,48 Milliarden Euro mobilisierte private Mittel) 9,96 Milliarden Euro.“

Wurde nicht im gleichen Jahr, im Jahr 2022 ein Nachtragshaushalt verabschiedet, in dem künftige Schulden bilanztechnisch in das Jahr 2021 verlegt worden sind? Steckt die Bundesregierung nicht deshalb in einer tiefen Krise, weil sie mit diesem Nachtragshaushalt gegen das Grundgesetz verstieß? Muss sie nicht jetzt, ebenfalls wieder grundgesetzwidrig rückwirkend die Notlage ausrufen, um die Schuldenbremse erneut zu brechen? Hätte nicht die Bundesregierung am Mittwoch statt den Strategie genannten Ausverkauf Deutschlands den Bundeshaushalt für das Jahr 2024 beschließen müssen?

Diese Regierung kann nur Geld für Phantasieprojekte ausgeben, und Schulden und Steuern erhöhen. Schließlich, so jubeln Baerbock und Morgan: „Gemeinsam mit unseren EU-Partnern sind wir die größten Geber in der Klimafinanzierung weltweit. Deutschland leistet zudem die zweithöchsten Beiträge in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit.“ Und damit noch längst nicht genug der Freude: „Deutschland ist aktuell größter Geber des Green Climate Fund – einem der größten multilateralen Klimafonds – mit 1,5 Milliarden Euro für den Zeitraum 2020-2023 sowie 2 Milliarden Euro im Rahmen der aktuellen Wiederauffüllung, größter Geber in der Globalen Umweltfazilität (GEF), dem Least Developed Countries Fund (LDCF) und größter Geber für den Anpassungsfonds.“

Priorität 2 besagt, dass nur noch Hermesgarantien für Habeck genehme Waren, die als der Herstellung der Klimaneutralität dienlich eingestuft werden, ausgegeben werden, was der deutschen Exportwirtschaft, insbesondere den Mittelständlern schaden wird. Priorität 3 zeigt, wem diese Strategie dient, der grünen Blase, die derzeit von der Finanzindustrie aufgeblasen wird. Wenn man an der Wall Street Sätze wie diese liest: „In enger Zusammenarbeit mit europäischen und G20-Partnern unterstützen wir die nachhaltige Aufstellung der Finanzindustrie (Sustainable Finance) in Europa und in Drittländern“, knallen dort die Korken. Und damit Deutschlands mittelständische Industrie vollständig von der ausufernden Bürokratie erdrückt wird, hat das Bundeskabinett sich vorgenommen: „Wir bringen internationale Nachhaltigkeitsstandards in der Unternehmensberichterstattung voran.“ Im Klartext: noch mehr Bürokratie! Schließlich geht es in der Priorität 4 um „die Reform der internationalen Finanzarchitektur“.

Wie sagte Erich Honecker doch: vorwärts immer, rückwärts nimmer. Und wie liest sich das bei Annalena Baerbock: „Das 21. Jahrhundert muss das Jahrhundert der erneuerbaren Energien werden.“ Denn die „Transformation in eine klimaneutrale Zukunft sozialgerecht und wirtschaftlich erfolgreich umzusetzen“ muss doch gelingen – und wenn Deutschland am Ende so klimaneutral, wie wirtschaftsneutral, wie wohlstandsneutral sein wird, was kümmert es die grünen Ideologen. Schuld haben, wenn es nicht geklappt haben wird, sowieso immer die anderen. Der Nikolaus hat am 6. Dezember den Deutschen keinen Bundeshaushalt beschert, sondern Schuldscheine.

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