Tichys Einblick
ABSCHAFFUNG DER ABGELTUNGSTEUER

Die große Zinsabzocke

Die SPD fordert im Wahlprogramm die Abschaffung der Abgeltungsteuer. Doch schon jetzt werden in Unternehmen erwirtschaftete Gewinne durch die Mehrfachbesteuerung mit fast 50 % belastet. Und Sparern bliebe künftig noch weniger von den Minizinsen.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Die SPD fordert in ihrem Wahl­programm, dass die Abgeltung­steuer abgeschafft werden soll: „Wir wollen Einkommen aus Arbeit und Kapital wieder gleich besteuern, indem wir die Abgeltungsteuer abschaffen.“ Sie argumentiert, es sei „ungerecht“, dass Arbeitseinkommen höher besteu­ert würden als Einkommen aus Kapital.

Auf den ersten Blick ist das plausibel. Denn während die Abgeltungsteuer für Zinsen und Dividenden 25 Prozent be­trägt, liegt der Höchstsatz bei der Ein­kommensteuer bei 42 beziehungsweise bei 45 Prozent („Reichensteuer“) – je­weils plus Soli.

Verfehlte Steuerpolitik
Das Kartell der Steuer-Erhöher
In Wahrheit ist jedoch die Steuerbe­lastung für einen sehr gut verdienenden Unternehmer, dem eine GmbH gehört, heute keineswegs niedriger als für eine Privatperson, die dem höchsten Steuer­satz unterliegt. Denn bevor der Unter­nehmer eine Dividende ausschüttet und versteuert, hat er bereits auf Ebene des Unternehmens Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer gezahlt. Beide zu­sammen betragen, inklusive Soli, je nach Ort rund 30 Prozent.
Mehrfachbesteuerung

Beispiel: Nehmen wir an, eine GmbH hat einen Gewinn von 100 erwirtschaf­tet. Dann gehen davon 30 Steuern ab. Auf den Rest, also 70, entfällt derzeit die Abgeltungsteuer (inklusive Soli) von rund 26,4 Prozent. Das ergibt noch ein­mal eine Steuerlast von 18,48 Prozent. Insgesamt zahlt der Unternehmer bis­lang also in der höchsten Progressions­stufe einen Grenzsteuersatz von circa 48,5 Prozent Steuern, wenn man die Steuern, die das Unternehmen zahlt und die Steuern, die er als Privatperson zahlt, zusammenzählt.

Vergleich: Eine Privatperson zahlt in der höchsten Progressionsstufe einen Grenzsteuersatz von 45 Prozent plus Soli, zusammen 47,5 Prozent. Mit Blick auf Dividendeneinkünfte kann also gar nicht die Rede davon sein, dass Einkom­men aus Kapital durch die Abgeltung­ steuer günstiger besteuert werden.

Will die SPD den Sparer schröpfen?

Was die SPD genau will, weiß man nicht. Auf mehrfache Nachfragen wurden Antworten fest versprochen, aber nie gegeben. Nimmt man ernst, was die Par­tei fordert, dann träte bei Abschaffung der Abgeltungsteuer der persönliche Einkommensteuersatz an die Stelle der bisherigen Regelung. Zugleich soll die Reichensteuer von derzeit 45 auf künf­tig 48 Prozent plus Soli angehoben wer­den.

Ein Unternehmer, der dem höchs­ten Steuersatz in der Einkommensteuer unterliegt, hätte also eine Grenzsteu­erbelastung von 50,64 Prozent, die auf die verbliebenen 70 des Unternehmens­gewinns (nach Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) angewendet würde. Er müsste also noch einmal 35,45 Prozent Steuern bezahlen. Zusammen mit den 30, die er auf Unternehmensebene be­zahlt hat, wären das 65,45 Prozent – fast zwei Drittel des Gewinns.

Sparer, das steht auf jeden Fall fest, sollen trotz Niedrigzinsen richtig abge­zockt werden. Die Steuerlast auf Zinsen würde auch für Durchschnittsverdie­ner höher als bisher ausfallen und für Spitzenverdiener fast doppelt so hoch (48 Prozent statt 25 Prozent, jeweils plus Soli). Warum aber will die SPD Sparer, die durch die Niedrigzinspolitik (von der der verschuldete Staat profitiert) oh­nehin gestraft sind, jetzt auch noch bei den Minizinsen schröpfen?


Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 09/2017 von Tichys Einblick Print erschienen >>