Tichys Einblick
Eine Chance wird vertan

Deutschlands Sonderweg: Lauterbach will schnelle Impfpflicht und Kontaktbeschränkungen

Omikron bringt wenige schwere Verläufe – andere europäische Staaten sehen den Anfang vom Ende der Pandemie. Großbritannien, Dänemark, Spanien und andere Länder machen sich auf zur Normalität. Nur in Deutschland hat sich ein Gesundheitsminister festgebissen.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Am Freitag kommen Bund und Länder zur Ministerpräsidentenkonferenz zusammen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will bei dem Treffen vor allem ‚härtere‘ Kontaktbeschränkungen durchsetzen. „Ich werde dazu Vorschläge machen“, sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Insbesondere ‚Ungeimpfte‘ will der Minister ins Visier nehmen. „Man kann ihnen nicht in Aussicht stellen, dass für sie die Kontaktbeschränkungen kurz- oder mittelfristig aufgehoben werden“, so Lauterbach.

Die Omikron-Variante will der Gesundheitsminister vor allem mit ‚Booster-Impfungen‘ bekämpfen. „Nach der Modellierung des Robert-Koch-Instituts sollte das Ziel sein, dass mehr als 80 Prozent der doppelt geimpften auch geboostert sind, also rechnerisch 56 Prozent der Bevölkerung“, sagte er. „Dann hat es Omikron schwer.“ Das bedeutet, dass sich rund 37,5 Millionen Menschen ‚Booster-Impfen‘ lassen müssten. „Die Booster-Impfung ist bei der Omikron-Variante der beste Schutz.“ Im Ausland lässt sich eine solche Wirkung bis dato nicht erkennen – im Vereinigten Königreich sind bereits über 50 Prozent der Bevölkerung geboostert. Inzidenz (nach positiv Getesteten): 1.943.

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Lauterbach hält allerdings auch schon eine vierte ‚Impfung‘ für „sehr wahrscheinlich“. Die Impfpflicht sei „notwendig und richtig“, betont der Gesundheitsminister. „Die Impfpflicht muss schnell kommen. Wir können nicht darauf warten, dass die Impfpflicht überflüssig wird.“ Ein Satz der tief blicken lässt. ‚Ungeimpfte‘ hätten im Vergleich zur Delta-Variante ein um circa 66 Prozent geringeres Hospitalisierungsrisiko, während eine doppelte Impfung kaum mehr gegen Ansteckung mit der Variante schütze. Doch der Minister erklärt, „Omikron als schmutzige Impfung“ sei keine Alternative zur Impfpflicht. Genau das wird in zahlreichen Ländern allerdings offen diskutiert: Omikron als milde Variante, die Immunitätslücken schließt und die Pandemie beendet. Auch das „schwedische Modell“ erlebt in der Debatte eine Renaissance.
„Wir werden in zwei Monaten unsere normalen Leben zurückhaben“

Aber Lauterbach macht seinem Ruf alle Ehre – und fordert ’scharfes‘ Handeln, nach dem gleichen Rezept, das in Deutschland schon immer nicht funktionierte. Die superharte Hand gegen die äußerst milde Virus-Variante ist ein internationaler Sonderweg. In Großbritannien will man die Omikron-Welle „ausreiten“, so zumindest die Worte von Boris Johnson. „Wir können einen Weg finden, mit diesem Virus zu leben“, erklärt der britische Premierminister zuversichtlich.

In Dänemark erklärt die Chefepidemiologin Tyra Grove Krause das Ende der Pandemie für greifbar: „Wir werden in zwei Monaten unsere normalen Leben zurückhaben.“ „Omikron ist hier, um zu bleiben, und es wird in den kommenden Monaten für eine massive Verbreitung der Infektion sorgen. Wenn es vorbei ist, stehen wir besser da als vorher.“ Wegen der milderen Verläufe, so die Expertin, werde in der Bevölkerung eine gute Immunität bestehen, ohne dass Omikron größere Schäden anrichten könne.

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In Spanien sieht man trotz Rekord-Infektionszahlen von scharfen Maßnahmen ab. Die Zahl der Krankenhauspatienten und Covid-Toten steigt trotz der hohen Inzidenzen (nach positiv Getesteten) nur langsam an. Und in Österreich führt die erwartete Omikron-Durchseuchung bereits zur Infragestellung der Impfpflicht: Epidemiologe Gerald Gartlehner, Top-Berater des österreichischen Bundesgesundheitsministeriums, will die Impfpflicht aufgrund des weit verbreiteten Immunschutzes nach der Omikron-Welle bereits neu bewerten lassen. Um uns herum begreift Europa Omikron als Tor zu einem Weg aus dem pandemischen Ausnahmezustand – in Deutschland will Lauterbach diese Tür am liebsten abschließen und den Schlüssel wegwerfen.
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