Tichys Einblick
CDU-Frau ruft zur SPD-Wahl auf

Das wars, liebe Union! Tschüss!

Eine CDU-Politikerin hat den heuchlerischen Vorhang von der traurigen C-Parteien-Realität weggezogen.

imago Images/photothek

Selbst die Enkel meiner Generation kennen ihn, einen der legendärsten O-Töne der Geschichte: „Aus, aus, aus! Aus! Das Spiel ist aus!“ So kommentierte Sportreporter-Legende Herbert Zimmermann den Abpfiff des Fußball-WM-Finales am 4. Juli 1954 im Wankdorf-Stadion von Bern.

Seit heute ist es nun der Wahl- und Wappenspruch von CDU und CSU. Doch sie sind nicht Weltmeister, nein, sie sind Mitarbeiter des Jahres der SPD. Auch der AfD. Diese Parteien können nun den Wahlkampf einstellen. Der politische Hauptgegner kann die Sektflaschen knallen lassen.

Im ZDF-Talk „Markus Lanz“ schoss Karin Prien das Eigentor schlechthin kurz vor Spielende am 26. September. Karin Prien? Den Namen muss man sich nicht merken, diese Frau ist bald Geschichte. Die CDU-Bildungs(!)-Ministerin von Schleswig-Holstein verkündete auf die Frage, ob sie in Thüringen Hans-Georg Maaßen für den Bundestag wählen würde: „Was sucht Herr Maaßen in der CDU?“ Und doppelte dann nach: „Sagen wir mal so. Ich bin von Leistungssportlern immer wieder fasziniert.“ Hintergrund: Maaßens Gegenkandidat ist der frühere Biathlet von Weltrang, Frank Ullrich.

Und Frau Prien ist nicht irgendwer. Sie gehört zum sogenannten Zukunftsteam von Kanzlerkandidat Laschet. Also zu jenem letzten Aufgebot, dessen Zukunft die Dame nun versenkt hat. Sie stellt sich damit nicht nur populistisch und von Hass und Häme zerfressen gegen einen Parteifreund, sie macht es jedem nur halbwegs denkenden Menschen völlig unmöglich, jetzt noch CDU/CSU zu wählen.

Ulf Poschardt kommt spät, aber immerhin noch zu dem Schluss: „Die Merkel-CDU ist unwählbar.“ So die Überschrift seines Kommentars in Springers Flaggschiff, das auch noch dann treu zur Union stand, wenn die einen Besenstiel aufgestellt hätte. Aus, aus, aus! Das Spiel ist aus. Auf den letzten Metern nun auch bei Welt und Bild.

Mir wurde diese kluge Fangfrage vor zwei Wochen im MDR-Talk „Riverboat“ überraschend von Jörg Kachelmann gestellt: „Würden Sie, wohnten Sie im Wahlkreis Südthüringen, für Maaßen stimmen?“ Meine spontane Antwort: „Erstens wohne ich nicht dort und zweitens finde ich es toll, dass sich die Thüringer aus Berlin nichts mehr vorschreiben lassen. Das hatten sie bis 1989 genug.“

Nein, diese personifizierte Bildungs(!)-Katastrophe und Totengräberin der Union verbirgt nicht einmal Wahlkampf-taktisch ihren Hass gegen alles, was rechts von Claudia Roth ist. Oder, um es mit dem Söderschen Dauerslogan zu sagen: Sie hat sich ehrlich gemacht. Aus, aus, aus!

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Besser natürlich: Raus! Herr Laschet, diese Frau gehört sofort ausgewechselt, rausgeschmissen aus Team und Partei. Wenn das nicht stante pede passiert, sind Sie und Ihre Union unwählbar. Wer für eine andere Partei als die eigene offen Werbung macht, kann nach dem Parteiengesetz ohne lange Halbzeitpause sofort entfernt werden. Das war einer der Hauptgründe für den SPD-Ausschluss von Thilo Sarrazin: Er hätte zur Europawahl 2019 für die FPÖ Wahlkampf gemacht, als er in Wien gemeinsam mit dem damaligen FPÖ-Obmann Strache aufgetreten war. Und das war noch harmlos gegenüber dem, was nun bei „Lanz“ passierte, wo es ja in diesen Stunden ums nackte Überleben von CDU und CSU geht.

Es ist wie einst auf der Titanic: Im Untergang zeigen sich die wahren Charaktere. Kampf jeder gegen jeden, um noch schnell in die Rettungsboote zu kommen. Ohne einen Restbestand von Anstand, geradezu animalisch, egoistisch, von Hass und Zerstörungswut erfüllt. Vom tiefen Süden bis in den hohen Norden: Die Hassprediger sind unterwegs. Jetzt bricht auf, was unterschwellig immer vorhanden war. In der Not zeigt sich, was wirklich echt ist an (Partei-)Freundschaft, an Charakter, an Stil. Dieser blanke Hass Söders gegen die Wähler der AfD, diese niederträchtige Feindschaft gegen die eigenen Leute, die früheren Wähler.

Die Mitglieder der „Werteunion“ wurden von hochoffiziellen Unions-Granden als „Abschaum“ oder „Krebsgeschwür“ diffamiert. Öffentlich! Mit Nazi-Vokabular! Söder rückte AfD-Wähler in den Bereich von Terroristen. Öffentlich! Kein Wort dazu, keine Solidarität, keine Entschuldigung, keine Kanzlerin, kein Bundespräsident. Nichts. All das rächt sich nun bitter in der Endphase des alles entscheidenden Spiels. Kurz vor dem Abpfiff heißt es bereits: Aus!

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Wolfgang Bosbach musste das erleben: wegen seines (für jeden Parteifreund selbstverständlichen) Wahlkampfs für Maaßen wurde er keineswegs nur von Lautsprecher Lauterbach diffamiert. Nein, die schlimmsten Angriffe kamen aus der eigenen Partei. Öffentlich! Er beschloss darauf: „Nie wieder Wahlkampf für die CDU!“ Hoch erhobenen Hauptes verlässt er für immer das Spielfeld. Chapeau!

Die Union hat fertig. Gestern, im Angesicht des drohenden Total-Untergangs, feuerte man die letzten Patronen ab: Arbeitszwang für Arbeitslose, also Laubharken gegen Hartz 4, so die Hamburger CDU. Und ausgerechnet von jener Frau Prien, der Leuchte aus Laschets Dreamteam, der Hasserin alles Konservativen: eine Volksabstimmung gegen das Gendern.

Man stelle sich einen Augenblick vor, die AfD hätte das lautstark gefordert. Reinhaltung des Deutschen, Arbeitspflicht. Die Söders und Laschets dieser Welt hätten die Nazi-Keule aber sowas von geschwungen. Klar, für Laschet sind die Querdenker (so im RTL-Triell) d a s Radikalen-Problem der Stunde. Und in seiner Bundestagsrede waren es die Rechtsradikalen. Kein Wort zum Messer-mordenden Islamismus, kein einziges. Auch keines dazu, dass die Corona-Hotspots ausgerechnet und sehr häufig genau dort sind, wo viele Zuwanderer eng an eng leben. Kein Schutz für die, „die schon länger hier leben“. So nennt die „CDU Deutschlands“ ja inzwischen die Deutschen.

Nun hat jene Dame aus Kiel noch kurz vor dem Abpfiff das entscheidende Eigentor geschossen. Sie hat den heuchlerischen Vorhang von der traurigen C-Parteien-Realität weggezogen. Danke für die Klarheit, liebe Frau Prien. Ich jedenfalls gebe nun meine Stimme ohne jede Reue ab.