Tichys Einblick
Keine Unwucht bitte

Das Land braucht keine urbane Arroganz

Alle bisherigen Maßnahmen, Verordnungen und Gesetze belasten die ländliche Bevölkerung viel stärker. Anspruch und Wirklichkeit zwischen Stadt und Land klaffen auseinander.

Alle wollen die Erde und die Umwelt retten, da besteht Konsens. Die einen halten Elektro-Autos für alternativlos, andere schwören auf CO2-Steuern und dritte setzen auf Bäume als Klimaretter. Über die Umsetzung der Energiewende wird viel diskutiert. Unbestritten ist, wir müssen früher oder später auf erneuerbare Energien umsteigen sowie unser Konsum- und Mobilitätsverhalten ändern. Und zwar überall, in den Städten und auf dem Land. Das Problem ist aber, dass alle bisherigen Maßnahmen, Verordnungen und Gesetze dazu die ländliche Bevölkerung viel stärker belasten. Dabei klaffen bereits heute Anspruch und Wirklichkeit zwischen Stadt und Land auseinander.

Während in München die Städter eine Verkürzung des U-Bahn-Taktes auf fünf Minuten zwischen 6 und 21 Uhr fordern, wäre man 30 Kilometer weiter schon froh, wenn der Bus zweimal am Tag käme. Während die großstädtische Privat-Kita Kinderyoga und Veggieday standardmäßig anbietet, fehlen in der Fläche Kindergarten- und Hortplätze mit ausreichenden Öffnungszeiten.

Bei der städtischen Kultur gilt, alle zahlen, wenige profitieren. So sind die Tickets für Theater, Konzert und Museum zum großen Teil aus dem Steuersäckel aller finanziert. Nächstes Jahr will die bayerische Hauptstadt die Rekordsumme von 764 Millionen Euro in Kinder- und Kulturstätten investieren. Unterdessen sterben in den Dörfern die Kinos aus. Nur drei von vielen Beispielen, welche das Missverhältnis verdeutlichen.

Dazu erschweren überfällige Investitionen in Straßen und Schiene sowie unzureichende digitale Versorgung zusätzlich das Leben und Arbeiten auf dem Lande. Dabei wäre es so wichtig, die Dörfer und Kleinstädte als lebenswerte Wohn- und Arbeitsräume zu erhalten. Deswegen brauchen wir eine vernünftige digitale und verkehrstechnische Anbindung „an jeder Milchkanne“. Internet und Videokonferenz ermöglichen Arbeitnehmern flexibel von zu Hause aus zu arbeiten, sowie Beruf und Familie miteinander besser zu vereinbaren. Dank Technik sparen Berufstätige Stau, Stress, Zeit und Energiekosten. Und auch die Städte profitieren von geringeren Pendlerströmen und weniger innenstädtischem Verkehr.

Fliegen ist kein Grundrecht
Öffentlich-rechtliche Botschaft: Der gute Mensch will gezwungen werden
Der französische Schriftsteller Henri Bonaventure Monnier sagte: „Man sollte die Städte auf dem Lande bauen, da ist die Luft besser!“. Wir wollen natürlich auch in den Städten saubere Luft, aber mit der Energiewende besteht die Gefahr, dass der ländliche Raum zusätzlich benachteiligt wird. Von der Verschandelung der Landschaften durch Windparks ganz zu schweigen. Denn die Pendler bekommen das Windrad vor die Tür gesetzt und müssen die Zeche für die CO2-Emmissionen zahlen. Die Energiewende muss aber von allen getragen werden und überall stattfinden. Also müssen auch viel stärker Dächer und Häuser in den Städten und an den Autobahnen mit Photovoltaikanlagen bebaut, sowie Plätze und Gärten zum CO2-Ausgleich begrünt werden. Es darf nicht ein Teil der Bevölkerung für die gesamte Gesellschaft bezahlen. Es geht besser als beim bayerischen Volksbegehren „Rettet die Bienen!“, welches die Hauptlast der Änderungen den Bauern auferlegt. In dem Fall wurde zwar mit dem frisch verabschiedeten Artenvielfaltgesetz versucht, mit dem sogenannten Versöhnungsgesetz die Bauern zu entschädigen, doch eine Unwucht bleibt.

Deshalb bin ich für eine regionale Gleichverteilung der notwendigen Maßnahmen, die in ihrer Summe zum Umweltwandel beitragen sollen. Statt urbaner Arroganz bin ich für attraktive Lebensräume in Stadt und Land: für ein friedliches und sozial faires Miteinander.