Tichys Einblick
Haltung ist keine Kunst

Darf man als Künstler politisch sein?

Emil Nolde wird plötzlich abgehängt und Axel Krause wird öffentlich diffamiert. Leipzig will nur noch politisch korrekte Kunst zeigen. Der Zensurdruck wirkt sich auf den Umgang mit Künstlern und Kunst aus, Feigheit und Bevormundung regieren.

Bild: Facebook/Axel Krause

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern“ Artikel 5. Grundgesetz. In einer Zeit in der rechte Tendenzen aufkommen und wachsen, wird dieser Artikel auf die Probe gestellt. In rechten und rechtsscheinenden Meinungen wird von der politisch korrekten Mehrheitsmeinung eine generelle Gefahr gesehen und versucht gegen diese anzukämpfen. Oft endet das mit Denunzierung von Meinungen und Personen. Es wird versucht, Rechten und angeblich Rechten wenig Raum zu geben. Was aber, wenn ein nach rechts tendierender Künstler seine politische Meinung offen äußert – darf seine Kunst dann nicht mehr gezeigt werden? Soll die Kunst automatisch mit der Person denunziert werden? Diese Fragen werden so allerdings nicht gestellt, es folgt bloß ein verurteilen und handeln.

Plötzlich werden Werke von Emil Nolde in Angela Merkels Amtszimmer abgehängt, weil erst jetzt publik gemacht wird, dass Nolde NS-Parteimitglied und Antisemit war – Fakten, die längst bekannt waren, aber neuerdings für Aufsehen sorgen, jetzt erst für die Medien und die Gesellschaft wichtig erscheinen. Nicht zu vergessen, Nolde ist eine deutsche Künstlerlegende, der trotz nationalsozialistischer Gesinnung als entarteter Künstler diffamiert wurde. Nun erhält er seine zweite Diffamierung aufgrund unserer zeitgenössischen politischen Situation. Diese Ironie allerdings fällt kaum auf.

Dass unsere Kunstszene ein Spiegel unserer politischen Situation ist, zeigt sich auch an zeitgenössischen Künstlern.

Bei dem Leipziger Künstler Axel Krause ist längst ein ähnliches Problem eingetreten. Der Maler und Grafiker steht der Partei AfD nahe und ist Mitglied des Kuratoriums der Desiderius-Erasmus-Stiftung, die von der AfD 2017 gegründet wurde. Auf Facebook tut er seine politische Meinung öffentlich kund, was nicht ohne Folgen bleibt: Sein Galerist Christian Seyde trennte sich letztes Jahr nach 40 Jahren von Krause. Die Galerie Kleindienst wollte Krauses politische Ansichten durch eine „Präsentierfläche“ nicht teilen, so Seyde in einem MDR Interview. Was Seyde verschweigt: Krause hat keine Plakate ausgestellt, sondern Kunstwerke. Sind sie weniger wert, weil er eine von Seyde abweichende Meinung in manchen Punkten hat? Der Galerist als politischer Vormund – eine peinliche Rolle. Verlangt er künftig von seinen Künstlern politische Bekenntnisse, ehe er ihr Werk ausstellt?

In Leipzig herrscht generell eine aufgeladene, politisierte Stimmung. Demnächst sollte eigentlich die Leipziger Jahresausstellung auf dem Gelände der Baumwollspinnerei stattfinden, in der auch der Künstler Krause eingeplant war. Doch gegen Krauses Einladung protestierten viele Teilnehmer und zogen ihren eigenen Beitrag sogar zurück, da sie nicht zusammen mit Krause ausstellen wollten.

Daraufhin wurde der Maler aus der Gruppenschau ausgeschlossen, der Vorstand kündige seinen Rücktritt an und schließlich wurde die ganze Jahresausstellung abgesagt. In einem Statement des Vereins Leipziger Jahresausstellung heißt es: „Die Ereignisse der letzten Tage haben zu dieser Entscheidung geführt. Der komplett ehrenamtlich arbeitende Verein sieht sich nicht in der Lage, einen Veranstaltungsablauf wie in den vergangenen 25 Jahren zu gewährleisten. Zudem ist Vereinsmitgliedern, ausstellenden Künstlern, Förderern und Besuchern die (…) stark politisierte und aufgeheizte Situation nicht zuzumuten.“  Nachdem wohl klar wurde, welches Bild der Stadtkultur entsteht, wenn nur noch politisch genehme Kunst der vorauseilenden Zensur entgeht, soll die zunächst abgesagte Leipziger Jahresausstellung nun doch stattfinden (12.06-30.06) – ohne Axel Krause. Anlässlich des Eklats gibt es eine Podiumsdiskussion mit Axel Krause am Dienstag 11.06. im Leipziger Museum der bildenden Künste. Die Jämmerlichkeit nimmt ihre Fortsetzung. Die Stadtgesellschaft fällt auf das Niveau der DDR zurück.

Auf der einen Seite wird ein politischer, nach rechts tendierender Künstler abgelehnt, gegen ihn angekämpft und verurteilt. Auf Facebook wird er derweil als „Neonazi“ beschimpft. Auf der anderen Seite herrscht grundsätzlich in Leipzig bei den Künstlern Furcht, dass sie mit Krause in Verbindung gebracht werden und dadurch in eine rechte Ecke geraten. Vor allem existiert die Furcht gegenüber den Medien, die solches nur zu gerne aufheizen. Mut und Selbstbewusstsein war 1989 stärker ausgeprägt.

Die Süddeutsche Zeitung verfasste den Artikel „Mit Rechten ausstellen“ samt Fotografie des Spinnereigeländes und stellte bereits mit Titel und Fotografie die ganze Szenerie falsch dar. Denn plötzlich spricht man im Plural und verbindet es mit dem Spinnereigelände, das mit der Leipziger Jahresausstellung nichts direkt zu tun hat. Die Künstler auf dem Spinnereigelände werden dadurch fälschlicherweise nach rechts zugeordnet. Verfolgungswahn ersetzt Ortskenntnis, aber München ist ja auch weit weg.

Der Fall Axel Krause zeigt, dass Person und Kunst gleichsam diffamiert werden. Dabei ist seine Kunst frei von politischen Inhalten. Auch wenn sie über einen Duktus seiner politischen Tendenz verfügt, kann man sie als Rezipient von dieser trennen. Wenn man die Kunst politisch sehen will, sieht man sie auch politisch. Die Medien machen es jedoch mittlerweile kaum noch möglich, Krause und seine Kunstwerke zu segmentieren. Die Folge: Seine Kunstwerke sind keine autonomen Werke mehr. Die Angst vor medialer Verurteilung führt dazu, dass sich viele von Krause abwenden, nicht mit ihm ausstellen wollen und sich gegen ihn solidarisieren.

Solidarisieren ist für dieses Thema eine unabdingbare Vokabel, die doch vorerst positiv klingt. Momentan herrscht allerdings durch den zunehmenden Rechtsruck eine Welle von Solidarität, die negative Nebeneffekte hat.

In der Kulturszene ist ein Tsunami der Solidarität entstanden, der versucht, andere Meinungen unter seiner Welle zu überfluten. Der Tsunami heißt „Die Vielen e.V.“, der sich mittlerweile bundesweit ausgebreitet hat. „Die Vielen“ ist ein im Zuge unserer politischen Situation entstandenes Produkt. Die Initiative der Vielen und die Grundsätze sind oberflächlich gesehen gerechtfertigt und fortschrittlich, wie zum Beispiel: „Der Verein DIE VIELEN solidarisiert sich mit allen Aktiven der Kunst- und Kulturlandschaft und deren Institutionen, die von rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen attackiert oder in Frage gestellt werden“.

Das Problem sind allerdings die angesprochenen Nebeneffekte: Das bundesweite Solidarisieren gegen Rechts, gegen Antisemitismus und für Vielfalt führt dazu, dass ein Mitlaufen entsteht, beziehungsweise dass Personen, die an Institutionen gebunden sind, sich verpflichtet fühlen mitzugehen. Ansonsten könnte es so aussehen, als vertrete man nicht die selben Werte. Um so mehr sich „solidarisieren“, desto mehr unterschreiben die „Erklärung der Vielen“, häufig genug unterschreiben ja Intendanten und andere Machtinhaber für ihre Mitarbeiter; eine Praxis, die man bislang nur aus der DDR kannte. Dieser Tsunami der falschen Solidarität reißt also wieder andere mit sich, die nicht ertrinken wollen, nicht in die rechte Ecke geraten wollen. So entsteht ein Fieber der Denunziation und des Mitläufertums. Die Kunstgesellschaft macht sich lächerlich. Erlaubte Kunst wird zum Synonym für Feigheit.

Ein anderer Nebeneffekt ist, dass durch das Solidarisieren automatisch mehr Ausgrenzung stattfindet. Es wird viel mehr darauf geachtet, wer nicht mit schwimmt und wer möglicherweise falschgesinnt ist. „Die Vielen“ stellen somit ein Paradox dar, da sie sich für „Kunstfreiheit“ einsetzten, aber durch deren Existenz sich parallel die Konsequenz entwickelt, dass Künstler unfrei werden. Axel Krause gilt durch die Ausgrenzung selber gewissermaßen als „entartet“. Da er nach rechts tendiert, schwimmt er nicht mit und folglich versucht man seiner Kunst keinen Raum zu geben. Der Kunstbegriff wird durch einen fragwürdig erzeugten Mehrheitswillen aufgelöst. Politische Korrektheit und Kleingeistigkeit ersetzt die Freiheit der Kunst.

Doch ist dies der richtige Umgang mit politisch Andersdenkenden? Einen Künstler auszugrenzen wegen seiner politischen Meinung kann in einer Demokratie nur falsch sein. Man müsste zwischen dem Gehalt der Bilder differenzieren. So lange ein Künstler nicht extremistische Ideologien in seinen Werken einbaut und mithin verbreitet, stellt diese Meinungsäußerung in einem Bild keine Gefahr für die Gesellschaft dar und muss folglich nicht gestoppt und „entartet“ werden. Die Potsdamer Kunsthistorikerin Friederike Sehmsdorf hat dies längst verstanden und in ihrer Galerie Werke von Krause momentan ausgestellt. Gegenüber dem RBB-Kulturradio sagte sie, sie stelle „gute Kunst“ aus „keine politischen Haltungen“ und wähle die Künstler „in Bezug auf ihr Können“! Sie hat den Mut, der dem ursprünglichen Galeristen fehlt.