Tichys Einblick
Corona-Update 26. Juli 2021

Die Idee vom Corona-Impfzwang ist sachlich absurd

Obwohl fast alle Corona-Maßnahmen in Großbritannien aufgehoben wurden, sinken dort nun die Infektionszahlen rapide. Dennoch scheinen führende Politiker in Deutschland nicht nur einen erneuten Lockdown, sondern gar einen Impfzwang auf den Weg bringen zu wollen.

IMAGO / Bayerische Staatskanzlei

Die Entwicklung im Vereinigten Königreich bietet aktuell eine hervorragende Möglichkeit für die deutsche Coronapolitik: Denn man kann dort jetzt sehen, was wahrscheinlich auf uns zukommen wird. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals ist man gerade voll in der „Delta-Welle“, die in Deutschland aller Voraussicht nach auch bald eintreffen wird.

Die Impfquoten sind vergleichbar. Nur einen Unterschied gibt es: Das Vereinigte Königreich hat den „Freedom Day“ hinter sich, nahezu alle Bereiche des öffentlichen Lebens sind wieder vollständig geöffnet, selbst die Maskenpflicht ist größtenteils abgeschafft. Dennoch scheint in Großbritannien die Welle schon gebrochen zu sein. Seit mehreren Tagen fallen die Infektionszahlen rapide ab. Nach fast zwei Monaten Anstieg und zuletzt einer Inzidenz jenseits der 400 ist das auch kein Wunder. Doch damit lässt sich die Gefahr von Delta ganz gut beziffern. Es sieht nämlich so aus:

Die Zahl der Corona-Toten ist weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Es passiert genau das, was bei der „britischen Mutante“ zuvor auch geschah und was zu erwarten war: Von Variante zu Variante wird das Virus ansteckender und wesentlich ungefährlicher.

Doch anstatt diese erfreuliche Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen und einen weiteren Lockdown folgerichtig auszuschließen, beginnen die führenden Politiker in Deutschland damit, über einen Impfzwang zu diskutieren. Tobias Hans und Helge Braun, Horst Seehofer und Markus Söder wollen, dass Geimpfte mehr Freiheiten erhalten und bereiten die Bevölkerung bereits auf einen Lockdown für Ungeimpfte vor. In den ersten Bundesländern beginnt man trotz Inzidenz unter 20 wieder mit den ersten Verschärfungen. Winfried Kretschmann schließt gar eine Impfpflicht nicht mehr aus.

Das ist grotesk, nicht nur weil die extrem reduzierte Gefahr von Corona weitere drastische Grundrechtseinschränkungen in keiner Weise rechtfertigt, sondern auch, weil ein Impfzwang in sich absolut unlogisch ist. Mehr als die Hälfte der Infizierten in Großbritannien sind geimpft. Man kann also nicht davon ausgehen, dass die Impfung  Infektionen verhindert. Wenn, dann schützt die Corona-Impfung nur davor, einen schweren Verlauf zu bekommen, und auch das erscheint zunehmend fraglich. Daten von Public Health England vom 9. Juli zeigen, dass über 63 Prozent der Delta-Toten mindestens einmal geimpft waren. Und es gibt mehr zweifach geimpfte Tote als ungeimpfte (TE berichtete).

Auch wenn die Impfung aber wirken sollte wie erhofft, ist ein Impfzwang nicht zu rechtfertigen. Denn es ist, da Geimpfte sowohl anstecken als auch angesteckt werden können, eben kein „solidarischer Akt“, sondern Selbstschutz. Und mit welcher Begründung sollte man die Ungeimpften in den nächsten Lockdown schicken, um sich zwangsweise selbst zu schützen?

Alle, die sich impfen lassen wollen, können doch zufrieden sein. In dieser Situation, nach anderthalb Jahren schwerster Einschränkungen für einen Großteil der Bevölkerung, nach den härtesten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik, abermals über einen Lockdown und sogar über einen Impfzwang nachzudenken, ist mit dem Interesse an der allgemeinen Gesundheit nicht mehr zu erklären. Der Verdacht erhärtet sich, dass hier Teile der CDU einen innerparteilichen Machtkampf auf dem Rücken der Bevölkerung austragen – allen voran Markus Söder und das Umfeld der Kanzlerin.

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