Tichys Einblick
Merkel und die Ministerpräsidenten

Corona-Krise: Das Vertrauen in die Obrigkeit bröckelt

Warum Berlin mit dem Föderalismus auf Kriegsfuß steht - das Verhältnis von Infizierten zu Erkrankten und Verstorbenen – Fragen ohne Antworten.

imago images / photothek

Wenn der Zorn Angela Merkels Blitze in den Himmel schleudern könnte, würden wir zurzeit ein wahres Feuerwerk über dem Kanzleramt erleben. Was die unverändert wahre Nummer Eins der CDU mithilfe eines Systems von Zuträgern und Abhängigen in Partei und Fraktion längst durchgesetzt hat, bleibt ihr im Kreise der Ministerpräsidenten der Länder systembedingt verwehrt.

Das Prinzip absoluten Gehorsams von oben nach unten kennt die Bundesrepublik Deutschland nicht. Das dem überwiegenden Teil der deutschen Geschichte entsprechende dezentrale Verwaltungsprinzip wurde nicht ohne Grund nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten in Form der föderalen Gliederung in Länder wieder belebt. Der durch persönliche Weisungen Adolf Hitlers schon kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 durchgesetzte Anspruch der totalen Unterwerfung aller Gliederungen des Reiches unter die Herrschaft Berlins, sollte für immer verhindert werden. In der Folge verfügen die Länder der Bundesrepublik über erhebliche eigene Kompetenzen. Beispiele hierfür sind die Bereich der Bildung und Kultur, Polizei und Justiz, Gesundheit und die regionale Verkehrsplanung. Ganz anders verlief die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone. Schon bald nach der Gründung der DDR 1949 wurden die einzelnen Länder wieder aufgelöst und durch die Ordnung in Bezirke, die dem Prinzip des „Demokratischen Zentralismus“ unterworfen waren, ersetzt. Fortan galt die Devise: „Von Ulbricht (Honecker) kommt ein scharfer Blick, schon spurt die ganze Republik!“

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Angela Merkel hat das selbst in der Praxis als Mitglied, Hochschulkader und Funktionärin der FdJ erlebt. Und – wie gesagt – während sie in der CDU wie auch im Kanzleramt wenig Widerspruch und schon gar keinen Widerstand geschweige denn Kritik duldet, muss sie die Besonderheiten und persönlichen Prägungen der einzelnen Landesfürsten nicht nur ertragen, sondern darüber hinaus sich auch unterordnen.

Aktueller Anlass ist das Scheitern ihres Versuches, die strengen Beherbergungsregeln für Hotels und Pensionen im Rahmen der Corona-Bekämpfung für ganz Deutschland durchzusetzen. Im Gegensatz zu ihr haben die Ministerpräsidenten einen direkten Zugang zur Bevölkerung und sind näher dran an den Sorgen und Nöten der Bürger. Die Inhaber kleiner Hotels in Thüringen mit seinen geringen Corona-Werten können da so manche Maßnahme eher weniger akzeptieren als die viel weniger gebeutelten Quartiergeber im Süden der Republik. Jetzt will man aber erst einmal den Verlauf der Herbstferien abwarten, um am 8. November erneut über die Corona-Maßnahmen zu beraten.

Wie wenig Merkel das Ganze schmeckte, konnte man an ihrem Gesichtsausdruck erkennen: Halb geschlossene Augen, herabgezogene Mundwinkel, ansonsten unbewegte Miene. Der Verdruss der Kanzlerin dürfte auch nicht so schnell wieder verfliegen.

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Ungeachtet der alarmierenden, täglich dramatischer klingenden Meldungen von der Corona-Front werden die kritischen Fragen in der Bevölkerung immer drängender. Man möchte einfach wissen, wieso es gerade bei steigenden Infektionszahlen keine Entsprechung in der Zahl der Erkrankten, intensiv Behandelten und Verstorbenen gibt. Denn allein daran ist letztlich das Ausmaß der Pandemie zu ermessen. Das gilt auch für die Erkenntnis, ob mit mehr Infizierten auch die Ausbrüche der Krankheit in ihren schlimmen Formen Schritt halten. Je weniger auf diese Fragen eingegangen wird, umso mehr verfestigt sich der Verdacht, es könnte da noch andere Motive als den Gesundheitsschutz geben. Es könnte ja sein, dass man wegen der für die Zeit nach der Krise angekündigten Untersuchungen über die Vergabe der gewaltigen Finanzmittel, die Beschaffungskosten und Praktiken bei der Versorgung mit medizinischen Utensilien sowie bei dem Forschen nach den Ursachen mangelnder Bevorratung insgeheim den Wunsch nach einer möglichst langen Phase der Angst vor dem Virus aufrecht erhalten möchte.

Außerdem steht Deutschland vor einer ganzen Reihe wichtiger Landtagswahlen bis hin zur Bundestagswahl im September 2021.

Je länger die Krise andauert, umso länger hält auch das Vertrauen in den Nimbus der Krisenmanagerin Merkel. Getreu der alten Weisheit, während des Rennens das Zugpferd nicht zu wechseln. Aber vielleicht sind solche Fragen und Gedanken nur der Heimtücke von Journalisten entsprungen. Doch abgerechnet wird immer am Schluss.

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