Tichys Einblick
Umgang mit China

Ein bisschen Kalter Krieg

CDU und Ampel würden China gerne den Kalten Krieg erklären. Doch nur ein bisschen. Zwar wissen sie viel von der Niederträchtigkeit der Weltmacht zu erzählen - allerdings ist ihnen auch deren Stärke bewusst.

IMAGO / photothek
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beschreibt im Bundestag China: Dort gäbe es Probleme mit der Arbeitslosigkeit. Aber die Zahlen würden nicht transparent kommuniziert. Das Land pflege Kontakte zu den Taliban und Russland und bedrohe Taiwan. Kurzum: China sei ein Schurkenstaat. Nur dass Baerbock die alte Bush-Rhetorik in die Worte feministischer Außenpolitik gleiten lässt. Was sie nicht besser macht – nur weniger verständlich.

Baerbock stellt ein strategisches Papier der Ampel vor. In dem ist China ein „Systemischer Rivale“. CDU und CSU teilen diese Position. Nur: Was bedeutet sie? Deutschland müsse künftig eine „aktive Wirtschafts-Sicherheitspolitik“ gegen China betreiben, fordert Baerbock im Bundestag. Das bedeutet zum einen, dass die Außenministerin chinesische Investitionen in Deutschland künftig lieber unterbunden sehen will. Und dass Deutschland Waren und Rohstoffe aus anderen Ländern als China bezieht – wenn dies denn möglich ist.

Petr Bystron (AfD) sagt, Baerbock betreibe eine Kehrtwende in der Chinapolitik – „das sind übrigens 180 Grad“. Fünf Jahrzehnte habe Deutschland dran gearbeitet, die Beziehungen zu verbessern, Baerbock und die Ampel rissen das jetzt ein: „Ihr Papier ist keine Weiterentwicklung. Es ist die Grundlage einer neuen Abgrenzung. Sie bilden eine neue Chinesische Mauer.“

China sei „unser wichtigster Handelspartner“, sagt Bystron. Im Jahr würden Waren im Wert von rund 300 Milliarden Euro gehandelt. Das sichere in Deutschland eine Million Arbeitsplätze, rechnet der AfD-Abgeordnete vor. Nun lässt sich eine „Brandmauer“ gegen die AfD bauen – aber nicht gegen die Wirklichkeit. Die Zahlen geben Bystron recht:

Deutschland lieferte laut Statista im Jahr 2022 Waren im Wert von 107 Milliarden Euro nach China und bezog selbst Waren im Wert von 192 Milliarden Euro aus China. So viel wie aus keinem anderen Land der Welt. Im Vergleich der Abnehmer deutscher Waren steht China auf Platz vier. Der gesamte Warenaustausch mit China hat laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr um 21 Prozent zugenommen. Er liegt um über 50 Milliarden Euro höher als der Warenaustausch mit den USA – unserem zweitgrößten wirtschaftlichen Partner.

Gegenüber der Deutschen Welle sagt Max Zenglein, Chefvolkswirt des Mercator Institute for China Studies: „Das Land wird noch eine ganze Weile unser wichtigster Handelspartner bleiben.“ Auch wenn die Exporte nach China kaum noch wachsen könnten. Umgekehrt ist Deutschland aber abhängig von chinesischen Rohstoffen. Etwa bei den Seltenen Erden. Während die USA den eigenen Abbau früh forciert haben, hinken Deutschland und die EU da hinterher. Das will Baerbock mit dem China-Papier nun ändern.

Die USA sind auch deshalb auf eine Auseinandersetzung mit China besser vorbereitet, weil diese von den USA ausgeht. Donald Trump hat sie als Präsident eingeleitet – und wenn deutsche Medien Joe Biden auch gerne als Anti-Trump sähen – dessen China-Politik setzt Biden nicht nur fort, sondern forciert sie. Bystron kritisiert Baerbock und die Bundesregierung daher: „Sie folgen blind der Umkehr der USA, der China zu mächtig geworden ist.“

AfD und Linke sind sich in dem Punkt einig: „Die China-Strategie hat vor allem einen Zweck – sie soll die USA beruhigen“, sagt Gesine Lötzsch (Linke). Das sei ein „Spiel mit dem Feuer“. Die US-Regierung sehe die deutsche Wirtschaft selbst als Konkurrenten an. Ein Bruch mit dem wichtigsten Handelspartner würde die entsprechend schwächen: „Die Risiken werden durch diese Strategien für unser Land größer.“

Die Union teilt im Wesentlichen die Politik der Ampel. Nur wünschen sich CDU und CSU, dass die Ampel mehr von dem tue, was sie tue – und es schneller mache. So weit so normal für die Union 2023. Doch einen wichtigen Punkt spricht Johann David Wadephul (CDU) an: Wenn Deutschland in die notwendige Rivalität zu China gehe, müsse es ein besseres Verhältnis zu anderen Wirtschaftspartnern pflegen.

Doch Deutschland vernachlässige seine Partner, wie Wadephul analysiert. So drohe dem Land, Saudi-Arabien zu verlieren. Und selbst das Verhältnis zu Frankreich sei „notleidend“. Jens Spahn (CDU) ergänzt: Deutschland verzögere derzeit die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens „Mercosur“ mit Südamerika, weil es dieses Abkommen mit Auflagen überfrachte.

Südamerika ist ein Beispiel dafür, was ein wirklicher Kalter Krieg mit China bedeuten könnte. Die Staaten zwischen Panamakanal und Feuerland waren früher ein sicherer Hinterhof der USA. Doch die haben diesen Hinterhof während ihres Engagements in der arabischen Welt vernachlässigt. China ist in diese Lücke gestoßen.

Brasilien exportiert schon heute mehr nach China als in die EU und die USA zusammen, wie das Handelsblatt berichtet. Auch andere Staaten der Region hätten ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu China ausgebaut. In den zurückliegenden 20 Jahren wuchs der Handel mit Lateinamerika laut Handelsblatt um das 26-Fache.

Das schlägt sich auch politisch nieder. In der Welt der feministischen Außenpolitik Baerbocks wachsen die Grenzstreitigkeiten zwischen China und Indien. In der anderen, der realen Welt schließen die beiden gerade ein Wirtschaftsbündnis mit Russland und Südafrika. Brasilien gehört zu diesen BRICS-Staaten genannten Bündnis. Wenn es zu einer Rivalität mit den USA und der EU kommt, steht China nicht alleine da.

Das hat sich jüngst in den Vereinten Nationen gezeigt. Dort stand eine Resolution über den Umgang Chinas mit der Minderheit der Uiguren auf der Tagesordnung – keiner der afrikanischen Staaten hat sich getraut, dieser Resolution zuzustimmen. Wirtschaftlich hat China auf dem Kontinenten massiv Fuß gefasst – und militärisch hat Russland die Destabilität ausgenutzt, die in Nordafrika durch die von Obama unterstützten Revolutionen entstanden ist.

Die Unterzeichnung des „Mercosur“-Freihandelsabkommens scheitert womöglich an der Frage des Klimaschutzes. Deutschland und die EU wollen Brasilien den Umgang mit dem Amazonas diktieren. In China verspricht Deutschland, dass die Systemische Rivalität nicht so schlimm ausfalle, wenn das Land aus der Kohlekraft aussteige und auf „entwaldungsfreie Lieferketten“ setze. Letztlich will Deutschland nur noch mit Ländern Geschäfte machen, die seine grüne Politik teilen.

Bystron wirft der Ampel vor, sie habe es nötig, anderen Ländern moralisch zu kommen. Ein Land, das einen Kritiker der Pandemiepolitik wie Michael Ballweg ohne Verfahren weggesperrt habe und das Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt habe. Das Stichwort Widersprüche leitet zur FDP über.

Freihandel und starke Wirtschaft. Das war die FDP 2021. Das haben die Liberalen überwunden. 2023 ist die FDP Teil des Bündnisses mit SPD und Grünen – und will auch ideell dazugehören. „Systemische Rivalität bedeutet nicht, das keine Zusammenarbeit möglich ist“, sagt Ulrich Lechte für die FDP. Aber: „Wir haben den Drachen gefüttert und mit groß gemacht.“ Das gelte es nun zu ändern.

„Die Nato ist keine Einbahnstraße“ wirft Lechte zwischendrin mal ein und unterstützt damit die Theorie von AfD und Linke, es gehe in der deutschen China-Politik künftig darum, USA-Interessen umzusetzen. Im Wesentlichen begründet der FDP-Mann die neue Politik aber mit den moralischen Defiziten Chinas. Das Land habe den vielversprechenden Weg verlassen, den es unter Deng Xiaoping eingeschlagen habe …

Deng Xiaoping. Nun gut. Deng Xiaoping war der Mann, der 1989 das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens befohlen hat. Dort ließ die chinesische Regierung Demonstranten beschießen. Nicht mit Wasserwerfern, sondern mit Gewehren. Aber das sind Fakten. Die FDP 2023 ist grün, ist woke – Fakten gilt es da zu überwinden. In diesem Sinn ist Ulrich Lechte ein echter feministischer Außenpolitiker. Die will nun das Verhältnis mit China neu justieren – was soll da schon schiefgehen? Der neue Kalte Krieg ist ja nur ein bisschen Kalter Krieg.

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