Tichys Einblick
Replik

Central European University (CEU)

Dr. Krisztían Ungváry hat der "Wehrmachtsausstellung" widersprochen und der Errichtung eines Denkmals in Budapest, das an den Beginn der deutschen Besetzung im März 1944 erinnern soll. Hier widerspricht er dem Artikel von Piroska Farkas zur CEU.

Piroska Farkas versucht in ihrem Text „Kein Kampf von Gut gegen Böse – Orbán gegen Soros“ Rechtfertigungen für die aktuelle Politik der Regierung Orbán gegen die seit 1991 in Budapest ansässige und renommierte Central European University aufzuzeigen. Die ganze Debattte steht im Kontext des Feldzuges der Regierung gegen zivilgesellschaftliche, noch opponierende Organisationen. Paralell zum CEU-Gesetz hat die Regierung auch eine Vorlage eingereicht, wonach nach russischen Muster alle NGOs, die mehr als 22.000 Euro Zuwendungen aus dem Ausland beziehen, sich als „aus dem Ausland unterstützte Organisationen“ erkenntlich zu machen haben – und diese Eigenschaft auf alle ihren Drucksachen, Werbemitteln und Plakaten anbringen müssen.

1. Ein erster Vorwurf: György Soros fördere direkt Organisationen des zivilgesellschaftlichen Sektors in Ungarn.

Richtig ist: Die in Ungarn ansässige Stiftung von György Soros (Open Society Foundation, im folgenden OSF), agiert vom Stifter vollständig unabhängig. OSF kann deshalb nicht als verlängerte Hand von György Soros gesehen werden. Der Stifter hat auch rechtlich keine Möglichkeit, die Arbeit seiner Stiftung zu beeinflussen.

2. Ein zweiter Vorwurf: Nach Piroska Farkas sei die CEU eine ideologisch einseitig agierende Institution, die als die osteuropäische Kaderschmiede zukünftiger EU-Eliten fungiere und von linksliberalen Mitgliedern der ehemaligen „Demokratischen Opposition“ gegen die kommunistische Diktatur dominiert würde. Sie sei Sprachrohr und Dienerin der aktuellen EU-Politik.

Kein Kampf von Gut gegen Böse
Orbán gegen Soros
Richtig ist: Es gibt keine Statistik, die bewiese, dass die CEU überproportional Kader für die EU herausbilden würde. Die Absolventen der CEU sind sogar unter den Mitgliedern der aktuellen FIDESZ-Regierung präsent: Der jetzige Regierungssprecher war zwischen 1994 und 2002 CEU-Stipendiat, promovierte auch an der CEU. Professor László Csaba war vor 2014 Wirtschaftsberater von Viktor Orbán. Mehrere führende Parteimitglieder der Fidesz waren CEU-Stipendiaten, wogegen unter den führenden Mitgliedern der jetzigen parlamentarischen Oppositionsparteien kein einziger CEU-Stipendiat anzutreffen ist.

3. Ein dritter Vorwurf: In den Soros-Institutionen organisieren sich angeblich Mitglieder und Anhänger der sogenannten Demokratischen Opposition gegen die Regierung Orbán.

Richtig ist hingegen: Die CEU ist eine Universität, die ihr Lehrpersonal ausschließlich nach wissenschaftlichen Kriterien bestimmt. Die CEU beschäftigt z. Z. 397 Personen in der Lehre und 63 Stipendiaten-Fellows, die dazu angegliederte Open Society Archive 34 Personen. Davon sind im weiteren Sinne ca. 15 Personen der früheren „Demokratischen Opposition“ der 1980er Jahre zuzurechnen, wobei die genannten meistens keine Führungspositionen bekleideten oder noch bekleiden. Ihre Zahl macht 3% aller wissenschaftlichen Angestellten aus. Die Parteipräferenzen der Professoren sind nicht bekannt, aber wegen des drohenden CEU-Gesetzes meldeten sich öffentlich mehrere bekennende FIDESZ-Wähler aus ihren Reihen, die gegen das Gesetz protestierten, wie z. B. Professor Dr. Diana Ürge-Vorsatz oder Professor Dr. György Heidl.

4. Ein vierter Vorwurf: Während der ersten Legislaturperiode des FIDESZ, 1998-2002, begann sich die Rolle der Soros-Fördermaßnahmen zu ändern. Von nun an floss das Geld in nunmehr linksliberale und somit regierungskritische NGOs.

Fake-Fake - oder was?
Die Maske des Soro(s)
Richtig ist hingegen: Soros unterstützte von Anfang an, also seit den 1980er Jahren, regierungskritische NGOs. In der politischen Ausrichtung seiner Fördermaßnahmen ist keine Veränderung feststellbar. Es sei hier angemerkt, dass vor dem Zusammenbruch des Kommunismus im Jahre 1989, gerade die Repräsentanten der heutigen FIDESZ bevorzugt gefördert worden sind, weil sie am meisten regierungskritisch waren. Als Viktor Orbán etwa im Jahr 2007 in der Opposition war und die von den Sozialisten dominierte Regierung einen Prozess gegen ihn startete, wurde er vor dem Gericht von einer von den Soros-Stiftungen finanzierten NGO (Gesellschaft für Freiheitsrechte) vertreten. Die Opfer der Polizeiübergriffe im Jahr 2006 sind ebenfalls von ähnlichen NGOs vertreten worden. Die Tätigkeit dieser NGOs ist also überhaupt nicht parteigebunden.

5. Ein fünfter Vorwurf: Soros unterstütze in Ungarn mehr als 60 verschiedene Organisationen, deren organisatorische und finanzielle Zusammenhänge schwer oder gar nicht zu durchschauen sind.

Richtig ist hingegen: Die organisatorische und finanzielle Zusammenhänge der Institutionen, die von den Stiftungen von György Soros gefördert werden oder worden sind, sind ständig von der ungarischen Regierung geprüft worden. In keinem Fall konnten größere Beanstandungen getroffen werden.

6. Ein sechster Vorwurf: Die von Soros geförderte Organisationen zeichnen sich sämtlich durch extreme Regierungsfeindlichkeit (gegen Orbán) aus. Sie beklagen sich regelmäßig in verschiedenen Gremien der EU über Ungarn, fertigen nicht auf Wahrheitsgehalt kontrollierbare „Berichte“ an und erwirken verurteilende Resolutionen, die immer neue Kampagnen der EU-Führung gegen Ungarn einleiten.

Richtig ist hingegen: Die Mehrheit der NGOs, die von den Soros-Stiftung gefördert worden sind, betätigen sich nicht in der aktuelen Politik. OSF förderte mit 1 Million USD die Rehabilitierung einer Naturkatastrophe bei Ajka. Mehrere NGOs, die sich mit hilfsbedürftigen Kindern oder Jugendlichen beschäftigen, wurden von der OSF gefördert. OSF fördert auch die Lehrerfortbildung Centropa, eine NGO, die sich um die große Zahl von Obdachlosen in Ungarn kümmert, sowie Initiativen, die sich um den Schutz der Roma und anderer gesellschaftlicher Randgruppen bemühen. Die von den Soros-Stiftungen geförderten politischen Organisationen leisten einen wichtigen Beitrag für die Rechtstaatlichkeit, in dem sie die Staatsbürger gegen Übergriffe staatlicher Organe schützen. Dass dieser Schutz in Ungarn absolut notwendig ist, beweisen auch die immer zahlreichender werdenden und Ungarn belastenden Rechtssprechungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Die letzte Meldung des Europarates erwähnte explizit mehrere ungarische Fälle. Es wäre besser gewesen, wenn Piroska Farkas konkrete Fälle aufzeigen würde, wo die Verurteilung Ungarns unberechtigt war. Es sei auch angemerkt, dass die Behauptung von Piroska Farkas über die „nicht auf wahrheitsgehalt kontrollierbare Berichte“ der NGOs aus der Luft gegriffen ist.

7. Ein siebter Vorwurf: Inzwischen prägen die Themen des westlichen Mainstreams die „Forschungsgebiete“ der CEU: Gender-Theorien, Lob der Homosexualität, Kampf gegen Religion, Nation, Familie, Verurteilung von allem, was konservativ ist und nicht zuletzt eine tiefe Verneigung vor dem Islam.

Richtig ist: Diese These hatte zuerst Anfang April 2017 der „rechtsradikale“ Publizist Zsolt Bayer in der Regierungspresse verbreitet. Bayer berief sich auf zehn „nach dem Zufallsprinzip“ ausgewählte Dissertationen. Sein Auswahl, die von Frau Farkas ohne Anmerkungen übernommen wurde, ist aber inkorrekt, weil er seine Beispiele nur aus den Dissertationen der Fakultät der Gender-Studies nahm, dazu noch selektiv, also nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern mit der Zielsetzung, den Leser zu schockieren. Die CEU unterhält aber neben den Gender-Studies folgende Studienfächer, die bei Bayer und Farkas keine Berücksichtigung fanden: Volks- und Betriebswirtschaft, Geschichte, Minderheitenpolitik, Philosophie, Politikwissenschaft, Umweltpolitik. Namhafte konservative Professoren studieren, unterrichten oder forschen an der CEU. 90% der Bücher, die von den Professoren der CEU über den Neoliberalismus publiziert worden sind, behandeln diesen Begriff negativ. Durch CEU-Stipendien konnte auch das Lebenswerk des Heiligen Augustinus (gest. 430) neu erforscht werden …

Persönliche Bemerkung: Der Verfasser dieser Zeilen hat mit keinem von den Soros-Stiftungen finanzierten Organisationen ein Arbeitsverhältnis und war kein Student der CEU.

Dr. Krisztían Ungváry studierte Geschichte in Budapest, Jena und Freiburg. Seine Forschungsarbeit über die Schlacht um Budapest erschien in 16 Auflagen auf Ungarisch, Deutsch, Englisch und Russisch. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Nationalbibliothek István Széchenyi in Budapest.