Tichys Einblick
Wahlkampf kurios

CDU-Wahlplakate: Mit falscher Polizistin und Pflegerin ins Kanzleramt

"Schmutzigster Wahlkampf aller Zeiten"? Wer das behauptet, hat die 1960er bis 80er nicht miterlebt, als Positionen und Personen noch Gegensätze darstellten. Wenn man jedoch heutige Programme von CDUGRÜNLINKSCSUFDP nebeneinander legt, fragt man sich: und wo sind da gravierende Unterschiede? Gibt es noch die Qual der Wahl?

Paul Ziemiak vor dem Plakat mit einer vermeintlichen Polizistin, dargestellt von einer Parteimitarbeiterin

IMAGO / Future Image

Kein Wunder, dass die Wochen bis zum 26. September mit Allotria gefüllt werden müssen, um das Volk bei Laune zu halten. Ein gigantisches Ablenkungsmanöver, um die (leider wenigen) kritischen Geister einzulullen. Nebelkerzen vom Feinsten. Unterhaltungsprogramm zwischen „Loriot“ und „Verstehen Sie Spaß?“

Statt sich mit Messermorden à la Würzburg zu beschäftigen, mit dem Irrsinn der Corona-Maßnahmen, der Explosion der Energiepreise, einer drohenden Klima-Diktatur oder einer Bildungskatastrophe nie dagewesene Ausmaßes, belustigt sich die Nation über eine Biografie beschönigende Plagiatorin oder „christliche“ Fake-Plakate. Brot und Spiele in Zeiten der Krisen. Vielleicht geschieht das alles auch nur aus Neid, wie die Akteure es nur so weit haben bringen können, für eines der wichtigsten Ämter der Welt zu kandidieren.

Wahlkampf kurios
Das fragen sich ja nicht nur Ausrangierte wie Habeck und Söder, aber die scheinen ihre Büchsenspanner und Heckenschützen erfolgreich in Stellung gebracht zu haben. Wer da an Zufall glaubt, geht auch davon aus, dass der Klapperstorch die Kinder bringt. Selten ist Journalisten aus internen Zirkeln so viel „gesteckt“ worden. Und das ist auch gut so. Offenbart es doch den Charakter (Seehofer: „Schmutzeleien“) der Opfer und der Akteure im Hintergrund gleichermaßen. Um es mit Nietzsche zu sagen: „Neid ist der Ärger über den Mangel an Gelegenheit zur Schadenfreude.“

Und schadenfroh kann man ja nun wahrlich sein. Fliegt doch gerade die CDU mit gefälschten Wahlplakaten auf. Eine Lügen-Show vom Allerfeinsten. Die Union wirbt für sich als sozusagen letzte Bastion für das normale Volk. Eine Partei, die weiß, wo den normalen Menschen der Schuh drückt: „Deutschland gemeinsam machen.“ Auf den Plakaten sieht man eine Polizistin, einen Monteur von Solaranlagen oder eine Altenpflegerin. Berufstätige mitten aus dem Leben.

Doch in Wahrheit hatte die CDU „noch nichtmal Platz für eine echte Corona-Heldin“, so Bild. Für das Pflegerinnen-Plakat verkleidete sich die Vize-Sprecherin der Partei mit einem weißen Kittel. Die Polizistin wird in Original-Uniform sogar von der Chefin der CDU-Online-Kampagne gespielt. Nichts ist echt an diesen peinlichen Plakaten. Nur die Tatsache, dass die Wähler auf den Arm genommen werden, um es harmlos auszudrücken. Letztlich wird das Volk verachtet und verhöhnt und für dumm verkauft.
Die CDU macht eine Kampagne, als wolle sie „Margarine verkaufen und nicht Deutschland regieren,“ so der bekannte Medienpsychologe Jo Groebel. Als wolle Pinocchio ins Kanzleramt. Und die Gewerkschaft der Polizei beklagt sich: „Wir sind nicht die Garnitur für Wahlprogramme.“

Wahlkampf kurios
Erheiternd ist, wie die CDU sich aus der Affäre zieht. Dagegen ist Annalena Krull eine Waisenknäb*in. Man lese mit Genuss, wie Generalsekretär Paul Ziemiak doch allen Ernstes die Fake-Facharbeiter aus der eigenen Parteizentrale verteidigt: Man wollte „während der Pandemie eine Krankenschwester, eine Polizistin, einen Altenpfleger nicht mit Fotoshootings von der Arbeit abhalten ….. und strenge Corona-Standards einhalten.“ Wie lööööööblich! Alles im Sandmännchen-Stil: „Nun, liebe Kinder, habt fein acht, ich hab euch etwas mitgebracht!“

Bitte einrahmen für alle Ewigkeit!

Es gibt inzwischen nichts, was nicht mit „Corona“ begründet wird: Kinder unter Masken zwingen, Senioren einsperren, die Wirtschaft zum Ruin führen, Urlaubsfreude zerstören und nun auch gefakte Wahlplakate. Alles Corona-, alles Pandemie-bedingt. Die Merkel-Union als Ausgeburt der Rücksichtnahme. Tja, liebes Volk, da sollte man schon aus Dankbarkeit CDU wählen. Eine Partei, die selbst bei Wahlplakaten darauf achtet, dass sie nur für die Urne, nicht aber für das Virus ansteckend wirken.

Doch auch ohne Pandemie und „Corona-Rücksicht“ konnte eine Laschet-Kampagne schon mal daneben gehen. Bei der NRW-Landtagswahl 2017 kupferte die CDU einen alten Sozi-Slogan ab. Die SPD hatte 1994 für Gerhard Schröder mit dem Dreiklang geworben: „Zuhören. Entscheiden. Handeln.“ Doch da wird die Verteidigungslinie dann noch abenteuerlicher: Es sei gar kein Plagiat, da Laschet dieses Motto ja bereits 1994 verwendet habe, als er als Direktkandidat für einen Bundestagssitz warb. Doch diese Wahl war erst im Herbst, Schröders „Zuhören. Entscheiden. Handeln.“-Wahlkampf jedoch bereits im Frühjahr.  Die SPD höhnte damals, „dass Laschet schon mal schnell flunkert, wenn seine Image-Kampagnen kritisch hinterfragt werden.“

Doch auch die SPD versteht dieses Flunker-Geschäft bestens. In meinem Buch „Seid ihr noch ganz bei Trost!“ habe ich die Vorlage für die aktuelle Fake-Kampagne der CDU ausführlich mit vielen Beispielen beschrieben: Ein riesiges Plakat, das ans Herz geht. Man sieht eine Frau im weißen Arztkittel mit einem Stethoskop um den Hals. Freundlich, geradezu mild lächelt sie einen älteren Herrn an, dem sie den Blutdruck misst. Daneben steht in großen Lettern: „Landärzte stärken. Krankenhäuser erhalten. In jeder Region.“ Ein SPD-Plakat für die Brandenburg-Wahl 2019. Doch das Ganze ist eine gedruckte Lüge. Die Frau ist keine Ärztin, sondern eine Sekretärin aus der Parteizentrale, als Medizinerin verkleidet. Und der „Patient“ ist (glücklicherweise) nicht krank, sondern kerngesundes SPD-Parteimitglied.

Wahlkampf kurios
Paradebeispiel der Lächerlichkeit war das Plakat der SPD-Spitzenkandidatin für die NRW-Landtagswahl 2010, Hannelore Kraft. Ihr Foto glich einer Zeitreise. Warum in aller Welt muss eine 58-jährige Kandidatin wie ein 30-jähriges Model aussehen?! (Aktuell: Warum muss eine minder-gebildete Grünen-Kandidatin unbedingt ein Buch schreiben?) Der Schuss ging nach hinten los. Die Häme nahm kein Ende. So wie jetzt bei den CDU-Plakaten, die (angeblich) aus dem Volk (angeblich) für das Volk gestaltet wurden.

Irgendwie denkt man an den alten SPD-Fahrensmann Franz Müntefering, der 2006 in einer hellen Stunde realistischer Selbsteinschätzung doch allen Ernstes verlautbarte: „Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen  gesagt (und gezeigt?) worden ist. Das ist unfair.“ Noch fragen, Tichy?!

Ach so, das Pikanteste bei den Peinlich-Plakaten der CDU sind die Informationen der im Adenauer-Haus bestens vernetzten Bild: „Tatsächlich sollen die Parteistrategen die Sorge gehabt haben, dass für die Kampagne fotografierte echte Bürger oder Models sich im Nachhinein als AfD-Anhänger entpuppen.“ Tja, bei den dargestellten Berufen könnte diese „Sorge“ nicht unbegründet sein…