Tichys Einblick
Bis nichts mehr von ihr übrig ist

Rückwärts, immer rückwärts, rudert die CDU

Wieder ein Merz'scher Salto: kaum ein wichtiges Thema angesprochen, entschuldigt er sich wenig später - oder lässt, wie aktuell, Filmpassagen ausschneiden. Die Ehrenrettung wird zur Peinlichkeit, als die CDU sie später wieder reinschneidet. Wie viele Patzer kann ein Parteichef sich leisten?

IMAGO
Wir haben eine Wette gewonnen. Allerdings mit wenig Gewinn, denn bei sehr wahrscheinlichen oder gar zu 99,9 Prozent erwartbaren Ereignissen sind die Einsätze und damit die Gewinne gering. Zum Beispiel bei Wetten um Statements bzw. deren Rücknahme des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz.

Kaum etwa hat Merz einmal ein wichtiges Thema gesprochen, dementiert er es 12 Stunden später, entschuldigt sich oder lässt wie aktuell Redepassagen aus Filmmitschnitten herausschneiden. Das war so, als Merz im Januar 2023 bei „Lanz“ (ZDF) zu Recht über das Verhalten arabischstämmiger, kleiner „Paschas“ gegenüber Lehrerinnen sprach. Das war so, als er Ende September 2022 in einem Interview von einem „Sozialtourismus“ ukrainischer Flüchtlinge sprach.

Nun hat Merz im Talk der Tageszeitung WELT am Mittwoch die Asyl-Politik der Ampel heftig kritisiert. Unter anderem sagte er über abgelehnte Asylbewerber: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen. Und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ Hintergrund: Es war in der Runde um die schleppenden Abschiebungsverfahren von abgelehnten Asylbewerbern gegangen. Merz meinte zudem: Wenn die Bevölkerung sehe, „dass 300 000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen“, mache sie es „wahnsinnig.“ Ja, die große Mehrheit der Bevölkerung – Alteingesessene wie auch Zuwanderer der letzten Jahrzehnte – sieht und erlebt es so.

Der inszenierte Empörungssturm über Merz‘ Aussage ließ nicht lange auf sich warten. Noch in der Sendung wies Grünen-Chef Omid Nouripour Merz – allerdings argumentativ nicht gerade zündend – zurecht: „Wenn wir uns alle bescheinigen, dass wir das Abendland zerstören, kommen wir nicht weiter.“ SPD-Chef Klingbeil riet, „populistische Töne“ aus der Diskussion rauszunehmen. Klingbeil weiß wohl immer noch nicht, dass „populistisch“ von „populus“ (lateinisch: populus = das Volk) kommt. Ja, das Volk erlebt es so, wie Merz es sagt. Oder gesagt hatte.

Denn dann kam, was zu erwarten war. In der aufgeweckten (woken?) CDU/CSU-Fraktion erkannte man die Brisanz des politisch ach so unkorrekten Satzes beim Zusammenschneiden des Videos für die eigene Website. Und siehe da:
Auf dem X-/Twitter-Profil der CDU/CSU-Fraktion war der Satz mit Zahnarzt und so am Donnerstagmorgen nicht auffindbar. Wieder ein Merz’scher Salto.

Ein Versehen wird es nicht gewesen sein. Ein Fraktionssprecher zu BILD etwas hilflos um Erklärung ringend: „Wir haben eine kernige Aussage, die die Regierung attackiert, zusammengeschnitten. Zu dem Zeitpunkt, als wir das Video hochgeladen haben, gab es die Zahnarzt-Diskussion noch gar nicht.“ Auf dem Account der WELT ist der Ausschnitt noch so zu sehen, wie er gesendet wurde – also mit dem Zahnarzt-Satz.

Ach ja. Vor Mittag wurde die Passage wieder reingeschnitten. Und apropos Salto: Es gibt auch den Salto Mortale. Es ist dies ein höchstgefährlicher Salto, wie der Name sagt. Wenn Merz den noch ausprobieren sollte, könnte es sein politisches Aus bedeuten.

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