Tichys Einblick
Wieder zugenommen

Bundesbeamte pendeln wieder häufiger zwischen Bonn und Berlin

Die Zahl der Flüge von Regierungsmitarbeitern zwischen den Dienstsitzen in Berlin und Bonn ist wieder gestiegen. Doch die Nutzung des „Beamtenshuttles“ ist nicht alles. Auch die Flugbereitschaft der Bundeswehr fliegt zwischen Berlin und Bonn hin und her – überwiegend ohne einen einzigen Passagier.

IMAGO/Waldmüller

De jure ist Berlin seit einer Entscheidung des Bundestages vom 3. November 1949, beschlossen also rund fünf Monate nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, Hauptstadt der Bundesrepublik. Mit Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde dies für das geeinte Deutschland bekräftigt. Und mit (knapper) Mehrheit des Bundestages vom 20. Juli 1991 (338 pro Berlin; 320 pro Bonn) wurde denn auch der Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin auf den Weg gebracht. Geregelt wurde das im Detail mit dem sogenannten Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994.

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„De jure“ ist das eine, „de facto“ schaut es auch 32 Jahre nach der Wiedervereinigung anders aus. 6 der 15 Bundesministerien haben ihren ersten (!) Dienstsitz, wie übrigens 1994 vorgesehen, weiterhin in der alten Hauptstadt. Namentlich sind es folgende Ministerien: für Verteidigung, Gesundheit, Umwelt, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Landwirtschaft sowie Bildung/Forschung. Es kommt hinzu: Alle anderen Ministerien, das Kanzleramt, das Bundespräsidialamt sowie der Bundesrat haben nach wie vor in Bonn Zweitsitze.

Es hat sich zwar etwas getan in Sachen „Umzug“: Im Jahr 2000 waren von den damals insgesamt 17.200 Stellen der Ministerien noch 61 Prozent in Bonn (konkret: 10.492) und 39 Prozent in Berlin (6.708). Bis Ende 2021 hat sich das Verhältnis zugunsten Berlins mehr als umgedreht: zuletzt mit 71 Prozent der Stellen in Berlin und 29 Prozent in Bonn. Konkret bedeutete das für 2021: Von 23.638 Stellen waren 16.854 in Berlin, 6.784 in Bonn. Anmerkung: Dass die Bundesregierung sich in kaum mehr als zwei Jahrzenten um 6.438 Stellen von 17.200 auf 23.637, also um 37,4 Prozent, aufblähte, halten wir ohne weitere Kommentierung fest.

So weit, so gut? So weit, so schlecht! Denn Folge ist, dass es nach wie vor ein starkes, ja gestiegenes Reiseaufkommen von Bundesbediensteten zwischen Bonn und Berlin gibt. Nun könnte man ja annehmen, dass „Corona“ die Pendelei zwischen Bonn und Berlin eingeschränkt hat und man zwischen den Dienstsitzen in Bonn und Berlin mehr und mehr zu Videokonferenzen übergegangen ist. Aber da hat man die Rechnung ohne den Reisegast gemacht. So ist die Zahl der Beamten- und Politpendler zwischen Berlin und Bonn 2022 wieder sehr deutlich gewachsen. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 hat sich die Zahl der Flüge im ersten Halbjahr 2022 mehr als verdoppelt (plus 121,7 Prozent). Von Januar bis Juni 2022 waren es 4.668 entsprechende Tickets im Wert von 1.007.775,40 Euro. Im ersten Halbjahr 2021 waren es 2105 Tickets für 445.130 Euro. Kostensteigerung hier: plus 126,4 Prozent.

Man könnte diese Zahlen mit dem Hinweis auf einen Ticketpreis von „nur“ rund 210 Euro abtun. Wobei Anfahrtkosten und Reisetagegelder nicht mitberechnet sind. Aber es geht um mehr. Zum Beispiel geht es auch um die Vorbildwirkung in Sachen „Klimaneutralität‘“ und „CO2-Fußabdruck“. Und es geht um verlorene Arbeitszeiten, denn im Gegensatz etwa zu einer dreistündigen Bahnfahrt von Bonn nach Berlin wird ein Bediensteter im Flieger während des einstündigen Fluges kaum eifriges Aktenstudium betreiben oder sich wenigstens digital dienstlich austauschen können.

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Es ist also Unfug, was hier stattfindet. Dieser Unfug blüht nach wie vor trotz wiederholter Forderung des Haushaltsausschusses des Bundestags, der die Bundesregierung bereits 2008 aufgefordert hatte, sie solle durch „geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die Anwesenheit der Beschäftigten der Bundesregierung im Rahmen von Ausschusssitzungen auf das ‚zwingend notwendige Maß‘ konzentriert wird“.

Aber die Nutzung des „Beamtenshuttles“ ist noch nicht alles. Auch die Flugbereitschaft der Bundeswehr pendelt nach wie vor fleißig zwischen Berlin und Bonn hin und her – meistens ohne einen einzigen Passagier. In den 13 Monaten von November 2020 bis Dezember 2021 habe es bei insgesamt 431 Flügen zwischen Bonn und Berlin 336 Leerflüge (also fast 80 Prozent) gegeben, schrieb das Verteidigungsministerium auf eine Anfrage des Linken-Fraktionschefs Dietmar Bartsch. Begründung des Verteidigungsministeriums: Die Luftwaffe warte seit längerem darauf, dass die Infrastruktur des BER-Flughafens einen Umzug der Technik aus Köln nach Berlin ermögliche. Ziel ist es, dann auch den größeren Teil der Abteilungen aus Köln-Wahn zum BER zu bringen. Allerdings könne das noch bis 2034 dauern.

Kost’ ja nix? Doch: Eine Flugstunde mit dem großen Airbus A 340 schlägt mit etwa 25.000 Euro zu Buche. Sehr vorsichtig gerechnet heißt das für die genannten 336 Leerflüge selbst mit kleineren Jettypen: Hier wurden für die Katz’ mehr als 5 Millionen Euro verpulvert.