Tichys Einblick
Im Selbstverteidigungsmodus

BRH: Neue Rücktrittsgründe für von der Leyen

Nun wirft auch noch der Rechnungshof von der Leyen Verschleierung von Mängeln vor.

© Philipp Guelland/Getty Images

Ursula von der Leyen steht gerne vor Kameras und in Schlagzeilen. So wie es für sie in der letzten Zeit gelaufen ist, hat sie sich das aber nicht vorgestellt. Denn es vergeht kaum eine Woche ohne Desastermeldung in Sachen Armee. Jetzt hat der Bundesrechnungshof (BRH) mal wieder zugeschlagen.

Böse Absicht? Nein, das ist sein Job. Es muss ja irgendeine halbwegs kritische und unabhängige Institution geben, die den Verschwendern von Steuergeldern immer mal wieder auf die Finger schaut. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass die Bundeswehr mangels Milliarden, die fehlen, de facto kaum noch einsatzfähig ist und dass die Rest-Einsatzfähigkeit ministeriell sogar noch beschönigt dargestellt wird.

Was ist der neue Hammer? In einem Bericht des BRH an den Haushaltsausschuss des Bundestages wird dem Verteidigungsministerium unter anderem vorgehalten: Manche der ohnehin nur in begrenztem Umfang als offiziell einsatzfähig angegebene Waffensysteme sind überhaupt nicht einsatzfähig. Dies gelte für Korvetten, die nicht voll bewaffnet seien, weil sie zum Beispiel teilweise nicht über Lenkflugkörper verfügten. Dies gelte auch für U-Boote, die – so sie technisch überhaupt startklar sind – nicht genügend Besatzung hätten.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums wies die Vorwürfe umgehend zurück. Wörtlich sagte er: „In diesem Fall teilen wir die Sachstandsdarstellung des Bundesrechnungshofes nicht.“ Unter anderem fügte er an, Korvetten bräuchten keine Lenkflugkörper, wenn sie für die Anti-Schleuser-Operation „Sophia“ im Mittelmeer tätig seien.

Kein Tag ohne Desastermeldung
Minister für Abrüstung von der Leyen
Nun ja, es ist nicht das erste Mal, dass sich die Bundeswehr als allenfalls bedingt einsatzfähig zeigt. Es ist auch nicht das erste Mal, dass sich der BRH mit dem Verteidigungsministerium anlegt. Im Juni 2017 hatte der BRH gerügt, dass das Verteidigungsministerium für die Anschaffung von fünf Korvetten des Typs 130 um 2,5 Milliarden zu viel ausgegeben habe. Im April 2018 hatte der BRH kritisiert, dass 900 Flugstunden im Eurofighter-Simulator bezahlt, aber nicht genutzt worden waren. Zudem monierte der BRH die Verzögerung der IT-Aufrüstung der Fregatten, deren Kosten dadurch von je sechs auf 30 Millionen Euro gestiegen waren.

Es geht ihr, würde man umgangssprachlich sagen, „nass rein“ – der Verteidigungsministerin. Aber das Mitgefühl der Koalitionsakteure und der Presse hält sich in Grenzen. Die Kanzlerin hält sich – wie so oft – heraus. Merkels Lippenbekenntnisse, dass sie die Bundeswehr stärken wolle, haben eine sehr kurze Halbwertszeit. Eine erheblich längere Halbwertszeit dürfte die Planung von Finanzminister Olaf Scholz haben. Er will seiner Kabinettskollegin von der Leyen bis Ende der Legislaturperiode allenfalls 5,5 statt der von ihr geforderten 12 Milliarden zusätzlich zugestehen.

Was das im real existierenden Dualismus Russland-USA bzw. Trump-Putin und angesichts chinesischer Großmachtgelüste bedeutet, sei an dieser Stelle dahingestellt. Das „liebe Vaterland“ will es ja auch nicht anders. Man hat es sich längst bequem gemacht in einem gefühligen postheroischen Pazifismus. Letzterer wird Frau von der Leyen über die Runden helfen, auch wenn sich Rücktrittsgründe weiter häufen werden.