Tichys Einblick
Grenzöffnung 2015

Brandstifter gerieren sich als Feuerwehrmänner

Die Grünen versuchen die Aufklärung im BAMF-Skandal auf das Thema Personalausstattung zu lenken. Sie wollen die Kanzlerin entlasten und von ihrer Mitverantwortung für die Überforderung des Landes durch die Politik der offenen Grenzen ablenken.

© Sean Gallup/Getty Images

Nachdem selbst der Herausgeber der WELT, Stefan Aust, inzwischen darauf hinwies, dass die Bundeskanzlerin mit ihrer im Jahr 2015 getroffenen Entscheidung, die Anwendung der Dublin-Regeln an den deutschen Grenzen auszusetzen, gegen ihren Amtseid, Schaden vom deutschen Volk zu wenden, verstoßen hat, scheint sich in der Öffentlichkeit die Forderung durchzusetzen, dass eine der größten Fehlentscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe eines Untersuchungsausschusses durchleuchtet werden sollte.

An dieser Fehlentscheidung waren allerdings keineswegs nur die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD, sondern auch die damaligen Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke beteiligt. Die Regierung vollzog deren schon lange gestellten Forderungen nach einer völligen Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge und Migranten aus aller Welt durch Umgehung der Dublin-Regeln und Artikel 16a des Grundgesetzes. Grüne und Linke opponierten deswegen in der Flüchtlings- und Migrationspolitik auch nicht gegen die Regierung, sondern schlossen mit dieser einen willkommenskulturellen All-Parteien-Pakt.

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Dieser entsprach zwar offenbar den Interessen der an ihm beteiligten Parteien, nicht jedoch den Interessen eines beachtlichen Teils der Bürger, die sich im Bundestag nicht mehr vertreten sahen. Schon im Herbst 2015 schied die CSU daher aus dem All-Parteien-Pakt aus und stellte sich flüchtlings- und migrationspolitisch gegen die eigene Schwesterpartei CDU und damit sogar gegen die eigene Regierung und Kanzlerin. Außerdem wurden mit der AfD und der FDP von den Wählern Parteien mit dem Auftrag in die Landtage und schließlich auch in den Bundestag entsandt, die Politik der offenen Grenzen für Asylbewerber zu stoppen.

Diese in der Geschichte der Bundesrepublik bislang einzigartige Gemengelage hat mittlerweile dazu geführt, dass auch die Aufarbeitung der immer offenkundiger werdenden Fehlentscheidung des gesamten Bundestags aus dem Jahr 2015 nach Mustern abläuft, in denen die Rollen von Regierung und Opposition, von verantwortlichen Fehlentscheidern und Aufklärern teilweise vertauscht und über weite Strecken verwischt sind.

Da positioniert sich anlässlich einer offenkundig gewordenen Überforderung des für die Bearbeitung einer willkürlich herbeigeführten, explodierenden Anzahl von Asylanträgen zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein neuer Innenminister von der CSU als „Chefaufklärer“ erneut gegen die eigene Regierung. Gleichzeitig versichert ihm die Regierungschefin von der CDU, die für sämtliche flüchtlingspolitischen Entscheidungen, inzwischen sogar nach eigenem Bekunden, die Verantwortung getragen hat, dabei ihre volle Unterstützung. Daneben fordert die mitregierende SPD „schonungslose Aufklärung“ über Entscheidungen, die sie durchgehend mitgetragen und teils selbst getroffen hat. Sie hofft dabei, die geforderte Aufklärung lasse sich auf die Verantwortungsbereiche des Innenministeriums begrenzen und schade deswegen alleine den Christdemokraten, die dort schon seit 2005 regieren.

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Die anlässlich der Grenzöffnung des Jahres 2015 ausgefallenen Oppositionsparteien befinden sich angesichts der Tatsache, dass ihre willkommenskulturellen Träumereien sich zusehends nicht nur in Luft auflösen, sondern zunehmend das gesellschaftliche Zusammenleben gefährden, in einer mindestens ebenso prekären Lage wie die regierungsseitigen Exekutoren dieser Träumereien. Die Legitimationsgrundlagen ihrer Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik geraten mehr und mehr ins Wanken. Die Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten zu dieser Politik droht weiter zu erodieren und nicht zuletzt die AfD, trotz mancher völkischen Ausfälle ihrer Führungskader, zu stärken.

Die Brandstifter des Jahres 2015 versuchen daher, sich ihrer gemeinsamen Verantwortung zu entziehen, indem sie sich inzwischen in bewährter Zusammenarbeit als Feuerwehrmänner gerieren. Dass das Land seit der Grenzöffnung 2015 in Brand geraten ist, wird angesichts steigender Arbeitslosigkeit unter den Asylbewerbern, zunehmender Gewaltdelikte, vermehrter Terroranschläge, überforderter Behörden und Gerichte sowie überforderter Schulen inzwischen also nicht mehr geleugnet. Geleugnet wird von den Brandstiftern inzwischen auch nicht mehr, dass all dies der Tatsache geschuldet ist, dass selbst ein reiches und vergleichsweise gut organisiertes Land wie Deutschland erkennbar überfordert ist, wenn es in innerhalb weniger Monate von mehr als einer Million illegal eingewanderter Asylbewerber überschwemmt wird, deren Herkunft und Identität in den allermeisten Fällen noch nicht einmal bekannt und in vielen Fällen gefälscht ist.

Vehement bestritten wird von den Brandstiftern, allen voran den Grünen, allerdings, dass die Hauptursachen dieser Überforderung die Grenzöffnung des Jahres 2015 und der nach wie vor freie und fortgesetzte Zugang nach Deutschland für illegale Asylbewerber sind. Stattdessen wird behauptet, die Überforderung resultiere nicht aus der zu großen Menge an Asylbewerbern, sondern aus der zu geringen Menge an Mitarbeitern bei den zuständigen Behörden, namentlich dem BAMF. Der Zustrom von inzwischen rund zwei Millionen Asylbewerbern seit 2015 hätte weitgehend problemlos bewältig werden können, wäre das BAMF (und andere Behörden) personell ausreichend ausgestattet gewesen. „Die Entscheidung der Bundeskanzlerin war richtig – bei allen Schwierigkeiten“, schlußfolgert daher der Parteivorsitzende der Grünen Robert Habeck in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vom 10. Juni und ergänzt: “ Aber dass der Bund Jahre lang nur auf Sicht gefahren ist und die Strukturen nicht der Wirklichkeit angepasst hat, das hat sich gerächt.“

Fehler seien seitens der Bundesregierung zwar gemacht worden, diese bestünden aber nicht in der von den Grünen und der Linken geforderten und der Regierung exekutierten Politik der offenen Grenzen, sondern in der Verweigerung zusätzlicher Stellen beim BAMF durch das Innenministerium. Schon zu Beginn des Jahres 2015 sei offenkundig gewesen, dass die steigenden Flüchtlingszahlen mit den vorhandenen personellen Kapazitäten im BAMF nicht zu bewältigen waren. „Die Behörde war damals schon strukturell überfordert. Lange bevor die Kanzlerin im September ihre Entscheidung traf“- so Habeck.

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Dass sie angesichts dieses allen Beteiligten bekannten Sachverhaltes die völlige Überforderung nicht nur des BAMF, sondern des ganzen Landes mit den entsprechenden Folgen für viele seiner Bürger billigend in Kauf nahm, kümmert den grünen Parteivorsitzenden nicht sonderlich. Für ihn handelt es sich bei diesen Folgen gleichsam um die von den Bürgern in Kauf zu nehmenden Kollateralschäden eines „humanitären Imperativs“, die nur durch eine bessere Vorbereitung auf einen anschwellenden Flüchtlingsstrom, nicht jedoch durch eine gezielte Begrenzung dieses Stroms zu bewältigen gewesen wären. Letztere war, wie wir inzwischen wissen, vom Bundesgrenzschutz präzise vorbereitet, wurde von der Bundeskanzlerin und dem damaligen Innenminister unter dem Beifall nicht nur der Grünen aber nicht freigegeben.

Auf das Anschwellen der Flüchtlingsströme weisen die Grünen laut Habeck nicht erst seit 2015 kontinuierlich hin. Sie verbinden dies zum einen mit der Forderung, die Grenzen für noch mehr Asylbewerber möglichst offen zu halten und zum anderen mit der Forderung nach mehr Stellen in den zuständigen Behörden und bei den diversen humanitären Hilfsorganisationen, gleichzeitig aber auch bei der Polizei. Das eine soll der schnelleren Bearbeitung der Asylanträge und der besseren Integration, das andere der Vermeidung und Verfolgung von Straftaten dienen, die von Asylbewerbern begangen werden.

Da die Bundesregierung vor der Grenzöffnung 2015 den grünen Aufstockungsforderungen nicht vollumfänglich nachgekommen ist, sieht die grüne Parteiführung nun eine Chance, sich ihrer Mit-Verantwortung für die Überforderung des Landes durch die Grenzöffnung dadurch zu entziehen, dass sie den Blick auf die personelle Ausstattung des BAMF lenkt. So versuchen die Grünen nicht nur sich selbst, sondern bis zu einem gewissen Grade auch die Kanzlerin zu entlasten, deren Parteifreunde Friedrich und de Maizière in der fraglichen Zeit allerdings für die personelle Ausstattung des BAMF zuständig und für entstandene Personalmängel verantwortlich gewesen sind. Versäumnisse bei der Personalaufstockung einer Behörde wiegen als politische Fehlentscheidung allerdings weit weniger als die kontrollfreie Öffnung einer nationalen Grenze für eine unbegrenzte Zahl kulturfremder Zuwanderer.

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Hierauf setzen derzeit alle beteiligten Brandstifter in der Auseinandersetzung um eine politische Entscheidung, die dem Land seit 2015 weit mehr Schaden zugefügt hat als dass sie ihm genutzt hätte. Sie wehren sich daher nachhaltig gegen die Einrichtung eines von AfD und FDP beantragten Untersuchungsausschusses, der möglicherweise noch mehr Licht in die Motive, Abläufe und Zusammenhänge der flüchtlingspolitischen Entscheidungen der Jahre 2015/2016 in Regierung und Opposition brächte und diese weiterhin im Fokus der öffentlichen Debatte halten würde. Genau dies gilt es aus Sicht der Brandstifter angesichts anstehender Landtagswahlen aber zu vermeiden.

Ob ihnen dies durch die angestrebte Fokussierung der Aufklärung auf das Thema Personalausstattung in den Befragungen durch den Innenausschuss gelingen wird, ist zu bezweifeln. Ein Großteil der Bürger weiß inzwischen, dass die Bundesregierung durch ihre Entscheidungen im Früherbst 2015 mit Unterstützung der damaligen Oppositionsparteien die Überforderung des Landes mit all ihren inzwischen eingetretenen Folgen billigend in Kauf genommen hat.

Viele von ihnen wollen deswegen von allen Verantwortlichen erfahren, warum sie so gehandelt haben und welche Konsequenzen sie daraus nicht nur fachlich, sondern politisch zu ziehen bereit sind. Diesem Wunsch werden diese sich auf Dauer, mit oder ohne Untersuchungsausschuss, umso weniger entziehen können, je mehr der erwartbaren negativen Folgen der Politik der offenen Grenzen für alle sichtbar zu Tage treten. Tun sie es gleichwohl, droht dem Land eine tiefgreifende Legitimations- und Vertrauenskrise, deren Ausgang offen ist.