Tichys Einblick
Opfer ist nicht gleich Opfer

Sie knien nicht für Würzburg

Vor jedem Spiel der Fußball-Europameisterschaft knien Spieler auf dem Rasen als Zeichen gegen Rassismus. Auf Zeichen gegen todbringenden Islamismus verzichtet man. Das ist selbstverliebte Heuchelei.

Englische Spieler knien vor dem Spiel gegen die Tschechische Republik am 22. Juni 2021

IMAGO / PA Images

Es wird gekniet in Europa. Vor jedem Spiel der Fußball-Europameisterschaft knien die Akteure auf dem Rasen: als „Zeichen gegen Rassismus“. Der europäische Fußballverband UEFA hat das Ritual offiziell eingeführt. Andere politische Kundgebungen verbietet der Verband penibel, um den Sport nicht zu politisieren (was man durchaus für die vielleicht einzige kluge Position der chronisch korrupten Funktionäre halten kann).

Beim Knien macht man eine Ausnahme, und das ist recht wahrscheinlich keine gute Entscheidung. Wir kommen gleich darauf zurück.

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Geschichten erzählt man gemeinhin der Reihe nach, und deshalb kommt an dieser Stelle Colin Kaepernick ins Spiel. Die meisten Leser werden den Mann nicht kennen – es sei denn, sie sind Fans des American Football (das ist dieser US-Sport, der mit einem Leder-Ei gespielt wird und in dem Spieler in panzerähnlicher Schutzkleidung sowie mit Helmen auf dem Kopf am Ende eines Spielzugs meist in einem großen Knäuel übereinander liegen).

Vor den Spielen der US-Profiliga NFL wird, wie vor eigentlich allen Sportereignissen in den Vereinigten Staaten, die Nationalhymne gespielt. Dabei steht man auf, das ist in allen Ländern dieser Erde so üblich. Ab 2016 blieb Kaepernick sitzen. „Ich werde nicht aufstehen und Stolz für eine Fahne demonstrieren, die für ein Land steht, das Schwarze und andere Farbige unterdrückt“, erklärte er. Fortan kniete er bei der US-Nationalhymne, und beim Training trug er schon mal Socken, auf denen Polizisten als Schweine abgebildet waren.

Eine ganze Reihe farbiger US-Profisportler taten es ihm nach (aus Asien stammende Kollegen übrigens nicht, was interessanter Stoff für eine eigene Geschichte wäre). Die Geste ging um die Welt und kam unweigerlich irgendwann auch in Europa an. Hier waren es vor allem erkennbar unterprivilegierte farbige Fußballer mit achtstelligem Jahresgehalt aus England, die aus Protest gegen Rassismus und Diskriminierung aufs bzw. in die Knie gingen. Irgendwann tat das auch die UEFA – und machte den Akt zu einer Art offiziellen Kundgebung vor den Spielen.

Die meisten Geschichten, jedenfalls die interessanten, haben irgendwann einen Handlungsbruch. In unserem Fall datiert er auf den 25. Mai 2020. Da starb bei einem Polizeieinsatz in der US-Stadt Minneapolis der Schwarze George Floyd. Die Polizeiaktion hat ein Gericht gerade als Mord eingestuft und den verantwortlichen Ex-Cop zu gut 22 Jahren Haft verurteilt.

Floyds Tod löste erst lokale, dann internationale Proteste aus. Aus ihnen entstand die Bewegung BLM: „Black Lives Matter“ (etwa „schwarze Leben zählen“). In den USA kam es bei BLM-Demonstrationen teilweise zu massiver Gewalt – nicht von der Polizei, sondern von den Demonstranten. In mehreren Städten wurden insgesamt tausende Geschäfte überfallen und geplündert, Dutzende Häuser und Polizeiwagen wurden in Brand gesetzt.

Um ein Goethe-Wort abzuwandeln: Es ist der Geist, der stets das Gute will und stets das Böse schafft.

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Auch über George Floyd wurde nach und nach eher Unappetitliches bekannt. Der Mann war wegen Drogen- und Gewaltdelikten neunmal vorbestraft. Wegen eines bewaffneten Raubs saß er fünf Jahre im Gefängnis; dabei hatte er eine schwangere Frau mit einer Pistole bedroht. Selbstverständlich rechtfertigt das nicht seinen Tod. Aber es begründet auch nicht gerade den Heiligenschein, den Aktivisten und Journalisten (sofern nicht sowieso personalidentisch) über ihm zeichnen.

Berlin ist in buchstäblich nichts führend – außer im Ausgeben von Steuergeld anderer Bundesländer und wenn es darum geht, jeden absurden Unfug ins noch Absurdere zu übersteigern. Entsprechend beeilte sich der Bundeshauptslum, eine Fußball-Wiese in „George-Floyd-Sportplatz“ umzubenennen.

Und da wird aus unserer Geschichte ein Drama.

Nein, es geht nicht um Rassismus oder Anti-Rassismus. Es geht um die hirnlose Verwendung von hohlen Symbolen und um einen absolut unverschämt selbstgerechten Pseudo-Moralismus. George Floyd ist, mit Verlaub, eine zweifelhafte Figur – überhöht allein dadurch, dass er Opfer von übertriebener Polizeigewalt wurde.

Aber wenn Opfersein mittlerweile schon eine Qualität an sich ist; und wenn die sogar ausreicht, damit Plätze oder Straßen nach einem benannt werden: Warum fangen die politisch Korrekten – die inzwischen eher pathologisch Korrekte sind – nicht damit an, die etwa 8.000 Berliner Straßen nach im Dritten Reich ermordeten Juden umzubenennen?

Möglicherweise liegt es daran, dass das Erinnern an jüdische Opfer in linken Kreisen kein so wohliges Gefühl erzeugt. Und dasselbe gilt für Opfer von eingewandertem „Islamismus“.

Es wäre für unseren ach so mitfühlenden Bundespräsidenten oder für unsere ach so mitfühlende Bundeskanzlerin ein Leichtes gewesen, in den Diensthubschrauber zu steigen und nach Würzburg zu fliegen – um vor Ort die Toten zu ehren und um ein Zeichen gegen eingewanderten „Islamismus“ zu setzen.

Aber das unterlässt man – um nicht öffentlich mit den unschönen Folgen der eigenen (verfehlten) Einwanderungspolitik in Verbindung gebracht zu werden. Gedenken ist gut, solange der richtigen Opfer gedacht wird. Ansonsten setzt man lieber auf Verdrängung.

Deshalb wird es – solange der grün-linke Mainstream Deutschland beherrscht – keine Straße geben, die man nach den Opfern von „Islamisten“ auf deutschem Boden benennt. Und deshalb wird es vor den EM-Spielen der deutschen Mannschaft auch keine Schweigeminute für die Toten von Würzburg geben.

So entlarvt sich der linke Opferkult als das, was er in Wahrheit ist: selbstverliebte Heuchelei.

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