Tichys Einblick
Radikal-grün und Berlin

Bettina Jarasch ist für das Ausloten gesetzlicher Grenzen

Wie kommt man in Berlin an eine Wohnung? Bettina Jarasch von den Grünen weiß es. Daneben meint sie, man müsse Grenzen auch mal »austesten«. Bei Baustadtrat Florian Schmidt – den sie einem Winfried Kretschmann vorzieht – sieht sie noch keine Überschreitung dieser Grenzen. Noch nicht.

IMAGO / Stefan Zeitz

Die Berliner Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hat uns ein Geheimnis verraten, oder sogar zwei: Erstens, die grüne Indianerhäuptling*in ist ganz frisch von Kreuzberg nach Charlottenburg oder Wilmersdorf umgezogen. Zwei pubertierende Jungmänner verlangten ihren Platz. Zweitens: Bevorzugen Sie Neubauwohnungen! »Zumindest solange der Mietendeckel noch galt«, verrät uns Jarasch im Tagesspiegel-Gespräch mit Ann-Kathrin Hipp, war das die einzige Chance, um überhaupt an eine Berliner Wohnung zu kommen. Die grüne Spitzenkandidatin als Opfer rot-rot-grüner Gesetzgebung und des grünsten Milieuschutzes. Sollte sie davon nicht einmal dem Berliner Bausenator erzählen?

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Oder ihrem Parteifreund Florian Schmidt, dem immer bekannter werdenden Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, der sich eben diesen Milieuschutz auf seine Fahnen geschrieben hat. Dass der gebürtige Kölner damit auch in seiner Wahlheimat Berlin polarisiert, merkt man diesem Interview sehr wohl an. Auf die Frage, ob man die gesetzlichen Grenzen auch mal »austesten«, vielleicht auch überschreiten müsse, um etwas Neues für Berlin zu bewegen, meint Jarasch: »Ich sehe noch nicht, dass er [gemeint ist Schmidt] Gesetze überschritten hat. Er geht an die Grenzen, und er lotet Dinge aus, und er hat dadurch sehr viel bewegt.«

Mit welchen Mitteln, welchen ›Grenzgängen‹ Florian Schmidt hier etwas bewegt hätte und in welche Richtung, diese Fragen werden immer interessanter und drängender. Der Verdacht, den man seit Schmidts Trickserei mit landesverbürgten Vorkaufsmillionen sowie direkten Landeszuschüssen zu seinen Vorkäufen zugunsten der Diese eG haben konnte, hat sich nun von Neuem bestätigt: Der grüne Stadtrat ist bei der Ausübung des Vorkaufsrechts bereit, das Recht zu drücken und zu biegen, bis es bricht. In seinen Tweets geht es viel um Betrug und den rollenden Rubel – das aber immer nur bei den anderen.

Der Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt, der sich leidenschaftlich für genossenschaftlichen Wohnraum einsetzt, und die von ihm gegründete Mietergenossenschaft Diese eG sind wieder einmal in die Schlagzeilen geraten. Aber die Wähler der Berliner Grünen interessiert das wohl wenig. Vor allem nicht, solange Bezirke wie der neureiche Prenzlauer Berg noch halbwegs lukrativ unterhalten werden können und in Friedenau oder im betuchten Zehlendorf die »Refugees welcome«-Plakate an den Altbaubalkons hängen dürfen. Störe meine Kreise nicht, ist das Motto des gemeinen Grünen-Fans.

Grüne in Österreich und überhaupt
Vom Corona-Regiment woke, politisch korrekt und gendergerecht zum Klima-Regime
Am besten erreicht man das, indem man konsequent alle Gegensätze als nicht-existent bestreitet. So wie es die Kandidatin Jarasch im Podcast-Interview tat, als die Tagesspiegel-Journalistin ihr – angeblich spielerisch – einige Entscheidungen abverlangte. Immer wieder zog sie unbekümmert den Grünen-Joker des Sowohl-als-auch aus der Tasche: Soll Berlin 2030 autofrei sein? »Verbrennerfrei«, schließlich will man die Tesla-Fahrer nicht vergrämen. Kurzstreckenflüge verbieten? »Alternativen schaffen.« Am Ende: Haus besetzen oder Haus besitzen? Das sei »in Berlin die falsche Alternative«. Wenn das keine eindeutige Antwort ist. Gegen Hausbesetzer will sich Jarasch also nicht aussprechen.

Beim unbebauten Tempelhofer Feld fiel Jarasch der neue Wahlspruch der Hauptstadt-Grünen ein: »Das sollte man einfach mal so lassen, wie es ist. Viele Menschen kommen nach Berlin, weil’s hier einmalige Orte gibt.« Stimmt, Erhaltungszustand und Schönheit sind da wohl allenfalls zweitrangig. Aber diese scheinbare Gemütlichkeit und Wurschtigkeit täuscht durchaus, denn hinter ihrer milieuschützerischen Fassade planen die Grünen, sind sie erst an der Macht, einen radikalen Umbau (oder doch eher Rückbau?) der Gesellschaft. Das verhehlt auch die Oberindianerin Jarasch nicht. Ihr Wahlslogan lautet: »Wie gelingt radikal-vernünftiger Klimaschutz?«