Tichys Einblick
Kein öffentlicher Raum mehr

Berliner Privatisierungswelle: Platz, Alder!

In der Hauptstadt startet nicht nur ein Volksbegehren für Wohnungsenteignung. Jungmänner zeigen, dass es auch umgekehrt geht: Sie beschlagnahmen erfolgreich öffentlichen Raum.

Screenprint: YouTube

Demnächst findet in Berlin ein Volksbegehren zur Enteignung eines größeren privaten Wohnungsunternehmens statt, der „Deutschen Wohnen“. In Caracas mag gerade ein Sozialismus untergehen – in Berlin kommt er erst richtig in Gang. Unterstützt wird das Vorhaben aus der Regierung heraus, vor allem von Senatoren der Linkspartei.

Schon seit einiger Zeit läuft in Berlin ein anderes Enteignungsverfahren – und zwar das des öffentlichen Raums. Hier handelt es sich allerdings um ein vormals öffentliches Gut, das in private Hände fällt. Auch diesen Prozess unterstützt der Senat von Berlin. Wenn auch nicht ganz so plakativ wie den anderen.

Am späten Donnerstagnachmittag formierten sich etwa 400 junge Männer auf dem Alexanderplatz zu zwei Blöcken: Zum einen Anhänger des Berliners Bahar Al Amood, Mitglied einer Berliner Großfamilie und auf Youtube aktiv, zum anderen die Truppen eines ebenfalls auf Yotube sendenden Stuttgarters namens Bekir, dessen Kanal sich „ThatsBekir“ nennt. Vorausgegangen waren wechselseitige Beleidigungen und die Veröffentlichung der Mobilnummer al Amoods durch Bekir.
Zwischen den beiden Männerformationen entwickelte sich eine öffentliche und von vielen Mobiltelefonen gefilmte Schlägerei; die Polizei musste eine Hundertschaft einsetzen, um den Platz bis 21:30 Uhr wieder zu räumen.

Diverse Medien berichteten von „Streit unter Youtubern“ (ZEIT Online), einer „Fehde“ (Tagesspiegel), das ZDF informierte über „400 Jugendliche“. Wer sich die Aufnahmen von der faktischen Besetzung des Platzes ansieht, erkennt allerdings kaum Jugendliche, sondern vor allem erwachsene, durchtrainierte Männer mit ausschließlich arabischen beziehungsweise türkischen Wurzeln.

Das Treffen lief von Anfang an auf eine gewalttätige Auseinandersetzung zu. „Wir Kanacken“, verkündete Almood schon vorher per Video, „klären das nicht mit Anzeige“. Wo die Teilnehmer des Alexanderplatz-Zusammentreffens – zumindest etliche davon – ihren Platz in der Gesellschaft sehen, umriss einer der Festgenommenen gegenüber einem Polizisten, zitiert in der „BZ“:
„Ich arbeite nicht, habe zwei Handys, 190-Euro-Schuhe, eine Prada-Hose und das alles nur mit Drogenverkaufen.“

Schon seit einigen Jahren gehört der Platz im Berliner Zentrum phasenweise nicht mehr der Öffentlichkeit, sondern gut organisierten Jungmännern. Im September 2017 etwa gingen zwei „größere Gruppen“ von Migranten mit Messern und abgebrochenen Flaschen aufeinander los; neben sechs Teilnehmern wurde auch ein 13jähriger Junge verletzt, der, wie die Polizei mitteilte, “vermutlich zufällig zwischen die Fronten geraten war”.

Seit Februar 2019 gibt es einen vom Bezirksamt bezahlten Platzmanager namens Andreas Richter, der kürzlich mit dem „Tagesspiegel“ sprach und zu Protokoll gab, warum Platzbesetzer in Berlin weitgehend unbehelligt bleiben:
„Es ist vielleicht ein graues Pflaster, auf dem viele Gegensätze zusammenprallen. Das macht es bunt und lebendig, manchmal bis es quietscht. Kulturell ist es zur Zeit noch etwas holperig, aber das können wir ja gemeinsam und tolerant und behutsam ausbalancieren.“

Durch den Aufbau einer mobilen Polizeiwache auf dem Alexanderplatz – sozusagen als staatliches Fort Laramie in unsicherem Gebiet – konnten die Beamten im vergangenen Jahr immerhin einige der Jungmännertrupps von dort vertreiben. Sie besetzen jetzt den Platz in und um das Einkaufszentrum „Eastgate“ in Marzahn, wo es verstärkt zu gewalttätigen Attacken und Überfällen kommt. Laut Polizei handelt es sich bei dieser Klientel um „unbegleitete Flüchtlinge, die aus Syrien, dem Irak und Afghanistan kamen und sich früher am Alexanderplatz aufhielten.“

Zu den öffentlichen Räumen, die regelmäßig okkupiert werden, gehört auch die Ecke Potsdamer/Pallasstraße: Seit 2017 kommen hier am 1. November ungefähr einhundert türkisch-arabische Jugendliche zusammen, um Böller in den Feierabendverkehr zu werfen, auch auf Rad- und Motorradfahrer. Am 1. November 2018 warf zum ersten Mal jemand aus der Menge einen Brandsatz auf ein Polizeiauto, der zum Glück nicht zündete.

Die Berliner Gewerkschaft der Polizei schrieb dazu: „Aus einer Gruppe von bis zu 100 Personen wurden gestern Abend in Schöneberg vorbeifahrende Autos mit Feuerwerkskörpern und Böllern beworfen sowie beschossen. Gegen 17.45 Uhr schossen mehrere Jugendliche im Bereich der Pallasstraße und Potsdamer Straße auf die vorbeifahrenden Autos mit Feuerwerkskörpern. Unsere Kollegen sahen, dass eine 64-jährige Radfahrerin ebenfalls von einem Feuerwerkskörper getroffen wurde. Sie erlitt durch den explodierenden Böller einen Schock. Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei überprüften 56 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Sie werden verdächtigt, sich unter anderem an einem schweren Landfriedensbruch sowie der gefährlichen Körperverletzung beteiligt zu haben. Alle Beteiligten wurden nach den Personalienfeststellungen den Eltern übergeben bzw. entlassen.
Gegen 20.45 Uhr warf in der Goeben- Ecke Steinmetzstraße aus einer circa 40-köpfigen Gruppe heraus eine unbekannte maskierte Person einen Brandsatz in Richtung eines Polizeifahrzeugs. Glücklicherweise verfehlte die mit Benzin gefüllte Flasche knapp den Wagen und geriet nicht in Brand. […] Insgesamt 66 Personen wurden von den Beamtinnen und Beamten überprüft und Beweismittel wie beispielsweise Böller sowie Sturmhauben beschlagnahmt. Die Kriminalpolizei der Polizeidirektion 4 ermittelt unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung sowie Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. An dem Einsatz waren rund 85 Beamtinnen und Beamte beteiligt.“

GdP-Landeschef Norbert Cioma meinte damals:

“Es kann nicht sein, dass wir für den Bereich Pallasstraße jedes Jahr Pressemitteilungen lesen müssen, die sich mittels copy and paste bereits Tage vorher fast komplett vorbereiten lassen. Seit Jahren gehen dort überwiegend Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund auf die Straße, um mit immer gewalttätigeren Aktionen zu zeigen, wer am wenigsten Respekt vor staatlichen Institutionen und einem Menschenleben hat.“

Viele Berliner Medien übernahmen die Polizeimeldung fast wortgleich, und ließen nur die Formulierung „überwiegend mit Migrationshintergrund“ weg.

In einigen Stadtteilen gilt das Prinzip „das ist unsere Straße“ schon längst nicht mehr stunden- oder tageweise, sondern das ganze Jahr über. „Allein in Neukölln“, so der langjährige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, „gibt es sieben arabische Großfamilien. Der Bezirk hat sich völlig verändert. In weiten Teilen herrscht das Recht des Stärkeren.“

Und der Stärkere ist nicht der Staat.

Kaum ein Bundesland bezahlt seine Polizisten, Staatsanwälte und Richter so schlecht wie Berlin. Im September 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht, die Besoldung sei „verfassungswidrig niedrig“. Trotzdem will die Landesregierung das Salär für die Bediensteten erst bis 2021 auf den Bundesschnitt heben.

Der rot-rot-grüne Senat lehnt nicht nur eine den Großstadtverhältnissen angemessene Bezahlung seiner Bodentruppen ab, sondern auch die Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten. Ein Volksbegehren für Videoüberwachung ließ Innensenator Andreas Geisel mit der Begründung stoppen, es sei möglicherweise nicht verfassungsgemäß. Durch die geforderte Überwachung würde „eine unvertretbar große Menge personenbezogener Daten in Bild und Ton gespeichert“, so der Senat.

Das rot-rot-grüne Bündnis verpflichtete sich auch explizit im Koalitionsvertrag, auf Abschiebungen von nichtdeutschen Straftätern möglichst zu verzichten.

Wer also mit entsprechendem Nachdruck und großem Aufgebot in Berlin öffentlichen Raum für sich privatisiert, muss keine Videoaufnahmen befürchten, nur selten Polizeieinsätze, ganz gelegentlich eine Verurteilung und praktisch nie eine Rückführung ins Herkunftsland. Die Förderung der Stadtraumprivatisierung durch den Senat geschieht also – siehe oben – zwar nicht öffentlich erklärt, dafür aber effizient.

Berlins Regierungspartei zeigt allerdings, dass sie auch durchgreifen kann, wenn es nötig ist. Die „Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt“ der Neuköllner SPD fordert den Parteiausschluss von Heinz Buschkowsky; dessen Hinweise auf den Kontrollverlust des Staates seien „rassistisch“ und trügen zur „Spaltung“ bei.

In Berlin kann durch Sozialarbeiter und Quartiersmanager vieles tolerant und behutsam ausbalanciert werden. Aber irgendwann ist Schluss.


Der Beitrag von Alexander Wendt ist zuerst bei PUBLICO erschienen.