Tichys Einblick
Rechtswissenschaft als Polit-Aktionismus

Berliner Juraprofessorin erklärt Gendern zur Staatspflicht

Die Stadt Hannover hat ein offensichtliches Gefälligkeitsgutachten über ihre Gender-Sprach-Vorgaben erstellen lassen. Mit Sprach- oder Rechtswissenschaft hat das nichts zu tun. Aber der Koalitionsvertrag lässt mehr desgleichen erwarten.

IMAGO / Martin Müller
Der 177 Seiten lange „Ampel“-Koalitionsvertrag gönnte Freunden und Verteidigern der deutschen Sprache wenigstens orthographisch eine Atempause. Immerhin kam der „Vertrag“ – anders als das Wahlprogramm der Grünen mit seinen 591 Gender-Sternchen auf 272 Seiten – ohne diesen sprachbarbarischen Unfug aus. Aber zu früh gefreut! Auf den Seiten 151 und 162 der „Ampel“-Vereinbarung finden sich folgende Sätze: „Wir werden einen umfassenden Gender-Aktionsplan unter Beteiligung der Zivilgesellschaft erarbeiten und ihn finanziell unterlegen.“ Und: „Wir werden das bereits praktizierte Gender Budgeting auf Bundesebene im Sinne einer verstärkten Analyse der Auswirkungen finanzpolitischer Maßnahmen auf die Gleichstellung der Geschlechter weiter entwickeln und auf geeignete Einzelpläne anwenden.“

Der Koalitionsvertrag ist noch keine vier Wochen alt, da melden die Stadt Hannover und Ulrike Lembke, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien in Berlin, bereits einen ersten Vollzug dieser Programmatik. Wir erinnern uns: Die Stadt Hannover hatte 2018 die Gendersprache zur verbindlichen Norm in der Verwaltung und damit für rund 11.000 kommunale Bedienstete erklärt.

Aus dem „Rednerpult“ war ein „Redepult“, aus „Wählern“ waren „Wählende“ geworden. Die Anreden „Herr“ und „Frau“ seien zu vermeiden. Auch der Genderstern (Bürger*innen) wurde ermöglicht. Umgesetzt wurde das Ganze ziemlich radikal. Selbst in Protokollen des Stadtrats wurden Äußerungen von Ratsleuten gegendert, die dies explizit nicht wollten. Zum Beispiel Leute der AfD.

Und nun kommt das Lembke-Gutachten ins Spiel. Im Auftrag der Stadt Hannover hat sie einen 123 Seiten langen Text fabriziert. Es hat die Stadt, wie eine Sprecherin TE mitteilt, 6000 Euro gekostet. Darin postuliert sie unter anderem: Auf die „binären“ Anreden „Sehr geehrte Damen und Herren“ müsse verzichtet werden. Warum? Lembke will eine „überfällige De-Privilegierung“ der Männer bis in die Verwaltungssprache hinein.

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Und dann kommt es ideologietriefend knüppeldick: „Das Grundrecht auf Gleichberechtigung ist ein zu Gunsten von Frauen wirkendes, antipatriarchales Verbot, von der gesellschaftlich dominanten Gruppe der Männer unterdrückt zu werden.“ Das weibliche Geschlecht werde durch das sogenannte generische Pluralmaskulinum „marginalisiert“. Selbiges gelte für „Trans*, Inter* und non-binäre Personen“, wenn lediglich zwei Geschlechter zur Auswahl stünden. Die derzeit verwendete Sprache der Verwaltung sei überhaupt eine „grobe Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze“. Außerdem: Der Staat solle durch Verwendung gendergerechter Sprache in seinem eigenen Kompetenzbereich zu einer gerechten Gestaltung der Geschlechterverhältnisse in der gesamten Gesellschaft beitragen. Lembke meint auch Gerichte und sonstige staatliche oder staatsnahe Einrichtungen. Über Schulen äußert sie sich nicht. Gleichwohl attackiert sie den Rat für deutsche Rechtschreibung, weil dieser mit der Ablehnung der Gendersprache „Anmaßung einer Regelungskompetenz ohne Grundrechtsorientierung“ betreibe. Gendern soll also zur Staatspflicht, offenbar zur neuen Staaträson, wenn nicht gar zum Gründungsmythos eines transformierten Deutschlands werden. Siehe auch hier.

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) wertet das Lembke-Gutachten denn auch als Bestätigung der Sprachpraxis seiner Stadt. Wörtlich: „Wir wollen mit der Anwendung der geschlechterumfassenden Sprache in der Stadtverwaltung Hannover sehr deutlich machen, dass wir jeden Menschen in der jeweiligen Geschlechtsidentität respektieren.“ Klar: Wer ein Gefälligkeitsgutachten in Auftrag gibt und bezahlt, bekommt diesen Gefallen auch geliefert.

„Gutachten“ nennt sich dieser Text. Aber ist er wirklich ein differenziertes wissenschaftliches Gutachten? Nein, ist er nicht. Schon allein deshalb nicht, weil die Verfasserin sich abfällig über Kritiker der Gendersprache auslässt. Da geht ihr schon auch mal der Gaul durch. In einer Fußnote spottet sie etwa über den „heroischen Kampf“ der Fraktionen von FDP, CDU und AfD im Berliner Abgeordnetenhaus gegen den Genderzwang, die ein „faktenfreies Wahlkampfspektakel“ dargeboten hätten.

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Es ist all dies das Pamphlet einer Aktivistin, die als Rechtswissenschaftlerin firmiert und – bar jeder sprachwissenschaftlichen Expertise – über die Sprache herfällt. Aber das wundert bei der Berufsbiographie der Verfasserin nicht. Seit Oktober 2018 ist sie „Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien“ und Mitglied des „Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien“ an der (vormals) altehrwürdigen Humboldt-Universität zu Berlin. Ferner ist sie Mitglied des Zentrums für Gender- und Diversitätsforschung der Universität Tübingen und der Zeitschrift Gender. Als Schwerpunkte ihrer Tätigkeit gibt sie auf ihrer Website an (wörtlich in Auszügen zitiert): Antidiskriminierungsrecht (national, europäisch, international), rechtliche Geschlechterstudien (insbesondere Intersektionalität und Postkategorialität, Gewalt im Geschlechterverhältnis, Intimität/Öffentlichkeit, Politiken der Reproduktion und transdisziplinäre Geschlechterforschung), Rechtssoziologie (qualitativ, kulturwissenschaftlich, diskursanalytisch), Rechtserzeugung, Rechtspolitik und Translation von Rechtsdiskursen sowie rechtswissenschaftliche Fachdidaktik.

Übrigens: Seit März 2020 ist Ulrike Lembke für sieben Jahre Richterin des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin. Gewählt auf Vorschlag der Fraktion der Partei Die Linke des Berliner Abgeordnetenhauses.

Die Humboldt-Universität freilich bestätigt mit Ulrike Lembke erneut, dass sie eine Gender-Kaderschmiede ist. Denn Ulrike Lembke hat bereits eine prominente Vorgängerin. Die heutige Richterin beim Bundesverfassungsgericht Susanne Baer war von 2003 bis 2010 Direktorin des GenderKompetenzZentrums der Humboldt-Universität. Seit 2011 sitzt sie in Karlsruhe; maßgeblich auf sie ist das Karlsruher Urteil aus dem Jahr 2017 zum „diversen“ Geschlecht zurückzuführen.

„Gutachten“, „Forschung“ und dergleichen nennen sich all diese Produkte. Leider verkommt Wissenschaft damit zu einer ideologisierenden Akklamationsinstitution mit ihrem Kotau vor dem als politisch korrekt angesagten Mainstream.