Tichys Einblick
Grünen-Chefin spricht zum 75. der CDU

Baerbock in der Adenauer-Stiftung: Die schwarz-grüne Verlobung

Der Rahmen ist die Botschaft. Die CDU- und Merkel-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat diesen Rahmen geschaffen. Mit der Einladung an Baerbock hat sie eine Spur gelegt bzw. eine bereits gelegte weiterverfolgt; sie ist schwarz-grün markiert.

imago Images/photothek

„Das Medium ist die Botschaft.“ Das ist die 1962 veröffentlichte Kernaussage des kanadischen Medientheoretikers Marshall McLuhan (1911-1980). Verkürzt heißt das: Die Wirkung von Kommunikation hat nicht in erster Linie mit deren Inhalt, sondern mit deren Verpackung zu tun. Bezogenen auf Politikerkommunikation könnte man sagen: Was Politiker von sich geben, hat nichts mit dem Inhalt, sondern mit deren kommunikativem, medialem Rahmen zu tun.

Werden wir konkret: Was die Co-Vorsitzende der Partei die Grünen, Annalena Baerbock, sagt, ist relativ belanglos – medientheoretisch, mutmaßlich auch real! Denn: Der Rahmen, in dem sie es sagt, ist die Botschaft. Meist – und medial inflationär gehätschelt – tut sie das in Talkshows und Interviews. Mindestens wöchentlich! Klar, da kommen dann so „schöne“ Aussagen zustande wie folgende: Für die Batterien in E-Autos brauche man „Kobolde“. Für klimaneutrale Energie, also grüne Windkraftenergie, gebe es das „Netz als Speicher“. In Thüringen sei beinahe „ein Nazi zum Ministerpräsidenten“ gewählt worden. Politik müsse die „Steuer*innenzahler“ im Auge haben.

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Der Rahmen ist die Botschaft. Nun gut, unter dem Druck des bei Talkshows oder Interviews herrschenden Darstellungszwangs kann man sich ja mal versprechen. Also gönnen wir Annalena Baerbock eine 30-Minuten-Rede, in der sie nicht von boshaften (selten!) oder suggestiv-affirmativen (meistens!) Fragen unterbrochen wird. Diese Gelegenheit bietet ihr natürlich jeder „Grünen“-Parteitag. Oder die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)!

Ja, Sie haben sich nicht verlesen. Am 27. August feierte die KAS die Veröffentlichung eines 840 Seiten starken und 30 Einzelbeiträge umfassenden Bandes zum 75. Geburtstag der CDU. Titel: „Christlich-Demokratische Union – Beiträge und Positionen zur Geschichte der CDU.“ Hauptrednerin bei der Präsentation: Annalena Baerbock! Wie gesagt: Der Rahmen ist die Botschaft. (Auf die Inhalte kommen wir – soweit sie etwas hergeben – später noch zu sprechen).

Man wolle die CDU auch einmal von außen anschauen und beurteilen lassen, so in etwa war die Begründung des KAS-Vorsitzenden und vormaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert für die Einladung an Baerbock. Die Botschaft könnte (sollte?) aber auch eine andere sein: Da bahnt sich ein Techtelmechtel zwischen „Schwarz“ und „Grün“ an. Wer auch immer Ende 2021 Kanzler sein könnte: An den Grünen oder deren Wohlwollen scheint kein Weg vorbeizuführen. Wähler, hört die Signale! Die Topfavoriten Merz und Söder haben sie ja schon ausgesendet.

Nun also 30 Minuten Baerbock zu 75 Jahren CDU. Wir haben sie uns angetan. Tutto completto! Und komprimieren die 30 Minuten (15 hätten es laut Programm sein sollen) auf einige Aussagen der Annalena Baerbock zusammen. Klar, einen roten Faden kann es in einer solchen Rede über 75 Jahre CDU nicht geben. Da kann man nur springen – zumal als vormals erfolgreiche Trampolinspringerin.

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Das hörte sich dann so an: Seitenhiebe gegen Trump, Loblied auf beide Obamas! Helmut Kohl habe Ökologie und Frauen verschlafen. Dann eingestreut die Themen Jamaika, Schengen, Europa, Migrationspakt. Merkel als „große Kanzlerin“, irgendjemand zitierend: Merkel hinterlasse eine „versöhnte Republik“. Schön, dass man nach 15 Jahren Merkel heutzutage gefragt werde, ob denn überhaupt auch ein Mann Kanzler werden könne. Lob für Kurzzeit-CDU-„General“ Rupert Polenz und sein Comeback in den sozialen Medien vor allem bei jungen Leuten. Lieblingsfoto sei das mit Merkel, von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer auf einem Bild. Politik müsse feministischer werden. „Sowas wie in Thüringen darf sich nicht mehr wiederholen.“ Klimaneutralität als Wettbewerbsfaktor! Für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft! „Verstehe mich wie meine Vorgängerin Claudia Roth als Verfassungsschützerin“. Die Grünen als „staatstragende und radikale Partei!“ „Wir brauchen ein Wahlrecht ab 16“, das sei „essentiell“. Und selbstredend „mehr Gespräche aller Demokratinnen und Demokraten untereinander!“ (Implizit ausgenommen diejenigen, die eine ganz bestimmte andere Partei darstellen und/oder wählen).

Der Rahmen ist die Botschaft. Die CDU- und Merkel-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat diesen Rahmen geschaffen. Mit der Einladung an Baerbock hat sie eine Spur gelegt bzw. eine bereits gelegte weiterverfolgt; sie ist schwarz-grün markiert. Denn wenn es um eine PR-Aktion für den Band „75 Jahre CDU“ gegangen wäre, hätten sich zig geeignetere, inspirierende Redner angeboten. Aber darum ging es nicht. Die CDU und ihr KAS-Braintrust denken strategisch. Und die Grünen zieren sich gar nicht ob der CDU-Avancen, ob erster Freundschaft- oder gar Verlobungsringe, ob mancher Aussteuergeschenke: In einem öffentlichen Glückwunschschreiben zu 75 Jahren CDU betonen die beiden Ober-Grünen ja: „So wie wir immer schon etwas wollten, seid Ihr immer schon etwas gewesen. Ihr seid so etwas wie die institutionalisierte Regierungspartei, die Grundversorgung im Kanzleramt, das Bayern München der Politik.“

Wunderbare Aussichten für 2021! Die Politik der Bundesregierung wird dann zwar etwas weniger bräsig sein, vor allem aber auch um einiges chaotischer.

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