Tichys Einblick
Grün-Rote Medien sind nicht übermächtig

Sieben Regeln, wie sich woke Kampagnen überleben lassen

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat die grün-rote Kampagnenmaschine besiegt. Es geht also. Diese sieben Regeln gilt es zu beachten, wenn jemand für nicht-grüne Positionen vernichtet werden soll.

IMAGO / Sven Simon

Die Süddeutsche Zeitung titelte am Donnerstag: „Aiwanger ist am Ende„. Diese Prognose erwies sich als ebenso falsch wie der gesamte Kern der Berichterstattung rund um die Behauptung, der stellvertretende bayerische Ministerpräsident habe als Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst. Dass er nicht der Verfasser war, war für das grün-rote Kampfblatt nur ein Detail, durch das es sich seine Kampagne nicht versauen lassen wollte.

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Doch entgegen der Prognose der grün-roten Kampagnenplaner hat Aiwanger die Affäre politisch überlebt. Zuletzt, weil ihn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Amt beließ. Das ist aber nicht der Grund für Aiwangers politisches Überleben. Es ist vielmehr die Konsequenz daraus. Söder hat auf der Pressekonferenz nur allzu deutlich gemacht, dass er Aiwanger gerne entlassen würde, dies aber aus Opportunismus nicht kann. Dass seine Partei, die Freien Wähler – vor allem aber, dass seine Wähler hinter ihm standen, hat Aiwanger politisch überleben lassen.

Die Kampagne hat eins gezeigt: Grün-Rote Medien sind nicht übermächtig. Man kann ihre Attacken überleben. Allerdings müssen einige Dinge richtig gemacht werden. Diese sieben Regeln gelten:

1. Nicht zurücktreten

Die Geste des Rücktritts ist beliebt. Margot Käßmann kennen viele nur, weil sie nach ihrer Alkoholfahrt so schnell bereit war, Platz zu machen. Von welchem Amt ist sie nochmal zurückgetreten? Längst vergessen. Was Käßmann zu einem guten Beispiel dafür macht, warum voreilige Rücktritte falsch sind. Sie machen beliebt und lösen Probleme, ja. Aber was kommt danach? Seit über zehn Jahren tingelt Käßmann auf dem Boulevard des Restruhms: Da mal ein Buch, dann ein betroffenes Statement, ein Flug zur Datumsgrenze, um das Luther-Jahr zu begrüßen und dann ein Buch. Noch eins? Gott, man hat ja das andere noch nicht gelesen. Nach einem voreiligen Rücktritt gibt es so gut wie nie ein Comeback. Man ist weg. Für alle Zeit. Ja. Es gibt Ausnahmen. Friedrich Merz zum Beispiel. Aber will jemand den als gelungenes Beispiel dafür anführen, warum ein Comeback erstrebenswert sei?

Die Zeit spielt für Attackierte. Irgendwann sind Medienkonsumenten das ewig gleiche Thema leid. Irgendwann kommt eine andere Geschichte, die das Thema verdrängt. Hätte Karl-Theodor Guttenberg nur noch ein paar Tage gewartet, dann hätte angesichts des Tsunamis vor Fukushima niemand mehr von seiner Plagiatsaffäre geredet. Rudolf Scharping stand schon im Sommer 2001 kurz vor dem Rücktritt. Dann kam der Elfte September und Scharping blieb – immerhin bis zu seinem nächsten Bock.

2. Die Unterstützer mobilisieren

Die Situation, einer Kampagne ausgesetzt zu sein, ist beängstigend. Große Autoren wie Franz Kafka oder Heinrich Böll haben ihr lesenswerte Bücher gewidmet. Reinhard Mey den hörenswerten Song „Was in der Zeitung steht“. All diese Künstler betonen die Einsamkeit, in der sich der Attackierte befindet.

Doch in den grün-roten Kampagnen ist niemand allein. Gegen wen sind diese denn zuletzt organisiert worden? Gegen einen ehemaligen Showmaster, der sich mit einem ehemaligen Kulturredakteur und einem ehemaligen Verfassungsschutzchef hat fotografieren lassen. Gegen einen attraktiven und beliebten Sänger, der Sex mit Fans gehabt haben soll. Gegen einen Politiker, der auf den Zusammenhang zwischen verhätschelter Erziehung und jungen Männer mit einem Machoproblem hingewiesen hat.

Sind die Skandale konstruiert und überzeichnet, hat man Freunde. Das gilt nicht für Menschen, die sich eines echten Vergehens schuldig gemacht haben. Niemand, wirklich niemand, verteidigt die Kinderschänder aus der katholischen Kirche. Aber wenn ersichtlich wird, dass jemand „aussortiert“ werden soll, weil er der grün-roten Wokeria nicht passt, dann hat er Freunde. Je nach Umfrage zwischen 60 bis 80 Prozent der Deutschen. Wer diese Freunde hinter sich bekommt, der übersteht auch eine Kampagne. Inhaltlich wie seelisch.

3. Dinge auf den Tisch legen

„Es irrt der Mensch, solang er strebt“, wusste schon Goethe im Faust richtig zu benennen. Keine Kampagne ohne wahren Kern. Besteht dieser Kern aus einem Fehler, der aber verzeihbar ist, dann sollte der Betroffene diesen Kern offenlegen. Auf einen Schlag. Nicht scheibchenweise. Sonst gibt er den Kampagnenführern immer wieder Stoff, die Geschichte weiterzudrehen und macht sich Schritt für Schritt unglaubwürdig.

Der wahre Kern an Hubert Aiwangers Geschichte: Er hatte ein antisemitisches Flugblatt bei sich und hat es nicht der Schulleitung gemeldet. Ja, das war ein Fehler. Doch war er noch ein Schüler. Vor allem aber: Er hat seinen Bruder gedeckt. Seit gut 2700 Jahren schauen sich Menschen Tragödien an. Die bestehen im Kern aus einem moralischen Dilemma: Soll ich meinen Bruder denunzieren oder soll ich ein antisemitisches Flugblatt verheimlichen? Egal, wie sich der Akteur entscheidet, er begeht einen moralischen Fehler. Tragödien-Zuschauer haben in 2700 Jahren ein Verständnis für die Helden entwickelt. Ja, es ist ein Fehler, ein antisemitisches Flugblatt nicht zu melden – aber seinen Bruder nicht zu denunzieren, macht einen Helden jetzt auch nicht gerade massiv unsympathisch.

Aiwanger hat noch am ersten Tag der SZ-Attacke die Dinge auf den Tisch gelegt: Ja, er hatte das Flugblatt bei sich. Nein, er war nicht der Verfasser, sondern sein Bruder. Damit hat er die SZ zu einer der peinlichsten Gegendarstellungen der bundesrepublikanischen Mediengeschichte gezwungen: Im Prinzip sei die Verfasserschaft ja nur ein Detail und die Geschichte an für sich richtig. Danach haben die grün-roten Kampagnenfahrer versucht nachzulegen. Je wilder die Vorwürfe wurden, desto anonymer wurden die Zeugen. Hätte Aiwanger nicht gleich am ersten Tag die Details offengelegt, hätten seine publizistischen Gegner es schwerer gehabt.

4. Das Kreuz durchdrücken

Hubert Aiwanger ist ein Gegner der grün-roten Medienlandschaft in Deutschland, seit er es gewagt hat, in Erding Gotteslästerung zu begehen und den Säulenheiligen deutscher Medienapostel anzugreifen: Robert Habeck und seinen Heizungshammer. Das zieht Aiwanger durch. Auch und gerade in der gegen ihn laufenden Kampagne. Würde er das nicht, könnte er Punkt zwei vergessen. Aiwanger steht für rationale, nicht-grüne Politik, würde er davon abweichen, um seine Gegner in der Süddeutschen zu besänftigen, würde er seine Anhänger verlieren. Hält er durch, bleiben sie. Weil sie sehen: Ihm geht es um die rationale Politik – so wie es seinen Gegnern um grüne Politik geht.

Wer Kompromisse macht, verliert. Deswegen ist Hubert Aiwanger ein Gegner grün-roter Journalisten – und Friedrich Merz nur ein Opfer. Wenn der CDU-Chef sich eine Aussage traut, die den grün-roten Meinungshütern nicht gefällt, dauert es keine 24 Stunden, bis er wieder zurückrudert. Damit verliert er zweimal. Zuerst stellen ihn seine Gegner als Verlierer da – seine eigentlichen Anhänger übrigens auch – weil er tatsächlich ein Verlierer ist. Dann nutzen sie es trotzdem immer wieder als Beleg für seinen „Rechtsextremismus“. Ganz bequem. Grün-Rote Journalisten müssen dann nicht belegen, dass Macho-Erziehung und Macho-Kultur nichts miteinander zu tun haben. Sie können verkürzt sagen: Merz hat was Rechtsextremes gesagt, wofür er sich entschuldigt hat, was beweist, dass es rechtsextrem war.

5. Sich beraten lassen

Wer Opfer einer Kampagne ist, bleibt ein Mensch. Vorwürfe gegen die eigene Person zu objektivieren, sich von sich selbst als Individuum zu lösen, ist nicht einfach. Eigentlich unmöglich. Deswegen sollte sich ein Opfer einer Kampagne beraten lassen. Am besten von einem Team. Am besten von einem Team, zu dem auch Menschen gehören, die nicht aus der eigenen Blase stammen. Sie haben oft ein Gefühl dafür, was außerhalb der Blase gedacht und gefühlt wird. Zudem haben sie es leichter, ruhig und sachlich zu bleiben.

6. Den Feind meines Feindes suchen

Journalisten, die sich zu einer Kampagne hinreißen lassen, stecken selbst zu tief drin, um ihren Kurs korrigieren zu können. Was auch immer Hubert Aiwanger noch in seinem Leben leisten wird, die Süddeutsche Zeitung wird es nicht würdigen. Für sie bleibt er ewig der Teufel, der zurücktreten hätte müssen. Dass er es bloß wegen eines Detailfehlers nicht getan habe, beweise doch nur, wie verdorben er sei. So muss die Süddeutsche das sehen – sonst müsste sie sich eingestehen, was für einen schweren journalistischen Bock sie geschossen hat. Das wird aber keiner tun, dessen Selbstverständnis auf der eigenen, angenommenen, moralischen Überlegenheit beruht.

Böll hat in seiner „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ beschrieben, dass es zwar andere Medien gäbe, aber keine die Macht der „ZEITUNG“ hätte, womit er die Bild meinte. Das war in den 70er Jahren richtig – stimmt aber längst nicht mehr. Mittlerweile gibt es Medien, die eine grün-woke Kampagne nicht nur nicht mitmachen – sondern sich auch gegen sie stemmen. Die mag mancher als „Zinnsoldaten“ abtun. aber was nach Überheblichkeit kommt, ist allgemein bekannt.

Es gibt eine Gegenöffentlichkeit zur grün-roten Öffentlichkeit. Sie hat weder 8,5 Milliarden Euro staatliche Zwangsgelder hinter sich, noch die Restvermögen alter Verlage oder Stiftungen von Menschenfreunden, für die grün-rote Politik ein Booster für ihr Vermögen ist. Aber diese Gegenöffentlichkeit hat etwas viel wichtigeres hinter sich: 60 bis 80 Prozent der Bevölkerung, die keine grün-rote Politik will – und schon gar keine grün-roten Kampagnen, die grün-rote Politik gegen ihren Willen durchsetzen sollen.

7. Optimistisch bleiben

Wer Opfer einer Kampagne wird, denkt: Meine Welt ist untergangen und sie kehrt nie wieder zurück. Doch das täuscht. Der Morgen danach kommt auch wieder. So lange gilt der alte Bundeswehr-Spruch: „Morgen lachen Sie drüber.“


Nun können Wetten abgeschlossen werden – über die bayerische Landtagswahl vom 8. Oktober.

Ihre Wetten nehmen wir ab sofort entgegen. Unsere Buchmacher öffnen ihre Schalter. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.

Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (08.10.2023) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Montag, den 09.10.2023, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auf die Gewinner wartet:
1. Platz: eine Flasche Champagner von Roland Tichys Tante Mizzi aus Verzy
2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl
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