Tichys Einblick
Stiftungsfinanzierung

Ein verfassungswidriges Gesetz gegen die AfD

Die AfD erzwang, dass die Finanzierung politischer Stiftungen per Gesetz geregelt werden muss. Um sie weiter auszuschließen, wird ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz beraten. Von Ulrich Vosgerau, der die AfD im Verfahren über die Stiftungsfinanzierung vor dem BVerfG vertreten hat.

IMAGO / Political-Moments

In der allgemein krisenhaften politischen Situation in Deutschland spitzt sich nun auch die Frage nach der staatlichen Finanzierung politischer, den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien nahestehenden Stiftungen zu. Am vergangenen Freitag hat der Bundestag in erster Lesung den nun durch alle Bundestagsfraktionen außer der der AfD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die staatliche Finanzierung parteinaher Stiftungen beraten. Auch DIE LINKE arbeitete daran mit, wird aber aufgrund einer Intervention der CDU/CSU nicht mehr als Miturheberin genannt.

Montagnachmittags wird dazu eine Expertenanhörung im Innenausschuss stattfinden. Doch die AfD ist nicht untätig. Am Freitagmorgen hat die AfD-Bundespartei beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine sogenannte Vollstreckungsanordnung zum Urteil des Gerichts vom 22. Februar 2023 zur staatlichen Finanzierung parteinaher Stiftungen verlangt. Ein ungewöhnlicher Schritt, den die Partei damit begründet, dass Bundesregierung und das Bundesverwaltungsamt die Umsetzung des Urteils schlicht verweigern, die darin bestehen würde, der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. Haushaltsmittel für die Jahre 2019, 2020 und 2021 nachzuzahlen.

Geldverteilen nach Gutdünken

Das „Gesetz zur Finanzierung politischer Stiftungen aus dem Bundeshaushalt“, kurz Stiftungsfinanzierungsgesetz (StiftFinG), hat der Deutsche Bundestag nie erlassen wollen; lieber hätte man die seit Jahrzehnten dort eingeübte Klüngelpraxis fortgesetzt. Diese sah so aus: Alljährlich trafen sich Vertreter der den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien nahestehenden politischen Stiftungen in Anwesenheit von Vertretern des Bundesinnenministeriums mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Bundestages. Diese sogenannten „Stiftungsgespräche“ waren so informell wie geheim und dienten der Anmeldung des „Finanzbedarfs“ der Stiftungen beim Deutschen Bundestag, eben dem Haushaltsgesetzgeber, nach entsprechender Abstimmung untereinander. Die hier dann schließlich vereinbarten Zahlen fanden dann auf geheimnisvolle Art Eingang in den Haushaltsplan, der mit dem jährlichen Haushaltsgesetz in Kraft gesetzt wird; es stehen dann einfach ohne jede nähere Begründung Zuwendungen aus Bundesmitteln für die parteinahen Stiftungen im Bundeshaushalt.

Ein Gesetz, das etwa nähere Voraussetzungen der staatlichen Förderung politischer Stiftungen geregelt hätte und auf das sich vor allem auch interessierte Konkurrenten der altbekannten Stiftungen vor Gerichten hätten berufen können, gab es nie. So wurden zuletzt rund 700 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt an die parteinahen Stiftungen verteilt, die die 200 Millionen Euro staatliche Parteienfinanzierung entscheidend verstärken. Die Stiftungen betreiben mit dem Geld politische Milieupflege und Nachwuchsförderung, sie bilden Partei- und Fraktionsmitarbeiter weiter und fungieren stets auch als Sicherheitsnetz für vorübergehend ausgeschiedene oder abgewählte Fraktions- oder Parteimitarbeiter wie Parlamentarier, die so der Politik erhalten bleiben und sich für künftige Aufgaben vorbereiten können. Die FDP hätte ihr zeitweises Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag ohne die weiterlaufende Finanzierung der Friedrich-Naumann-Stiftung, die weiter jährlich mit ca. 50 Millionen Euro gefördert wurde, nicht überlebt.

Konkurrenz einfach verhungern lassen

Die AfD-Bundestagsabgeordneten im Haushaltsausschuss und die seit 2018 als die offizielle AfD-nahe politische Stiftung anerkannte Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. waren niemals zu den „Stiftungsgesprächen“ eingeladen worden – die Bundesregierung leugnete anfangs sogar gegenüber Vertretern der DES e.V., dass solche Runden überhaupt stattfinden würden (!). Die DES e.V. hat folglich niemals Gelder aus dem Bundeshaushalt erhalten. Die Begründung hierfür war lange die „Zwei-Legislaturen-Theorie“, nach der eine Partei — unabhängig von ihren Erfolgen in den Ländern, den Kommunen oder bei der Europawahl — zweimal in Folge dem Deutschen Bundestag angehören müsse, dann werde die ihr nahestehende Stiftung auch gefördert.

Anders als oft in der Presse verbreitet, entsprach diese Verhaltensweise nie dem geltenden Recht oder gar Verfassungsrecht, sondern ging auf eine „Gemeinsame Erklärung“ der geförderten Stiftungen bereits aus dem Jahr 1998 zurück. Anfangs war sie noch gegen die LINKEN-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung gerichtet, die sich dann 2005 in das System einbinden ließ. Dennoch wurde diese Verhaltenspraxis noch 2022 seitens des Verwaltungsgerichts Köln als Verfassungsgewohnheitsrecht unterstellt, nachdem die DES e.V. dort gegen Versagungsbescheide des Bundesverwaltungsamtes geklagt hatte, bei dem sie zuvor Förderung durch „Globalmittel“ (d.h. Zuwendungern, die wie Eigenmittel für dien zugrundeliegende Büro- und Organisationstätigkeit verwendet werden) beantragt hatte. Eine Verfassungsbeschwerde der DES e.V. hatte das Bundesverfassungsgericht zuvor nicht zur Entscheidung angenommen, weil der Rechtsweg vorher nicht ausgeschöpft worden war. Das war eine bewusste Entscheidung des Verfassungsgerichts, denn aufgrund der Bedeutung der Verfassungsbeschwerde hätte das Gericht sie annehmen können.

Ein erzwungenes Gesetz

Bereits im Frühjahr 2019 hatte die AfD-Bundespartei parallel dazu eine Organstreitklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, mit der sie zugunsten der ihr nahestehenden Desiderius-Erasmus-Stiftung staatliche Förderung verlangte. Damit wollte die Partei ihre Benachteiligung im politischen Wettbewerb durch den Umstand geltend machen, dass die Stiftungen der mit ihr konkurrierenden Parteien zur Milieu- und Personalpflege 700 Millionen Euro staatliche Zuschüsse erhalten.

Das Verfahren zog sich fast vier Jahre lang hin; zwei Anträge in einstweiligen Anordnungsverfahren, mit denen die AfD eine wenigstens rudimentäre und provisorische Finanzierung auch ihrer Stiftung bereits vor einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verlangt hatte, lehnte das Gericht während dieser Zeit aus (angeblich bestehenden) formellen Gründen ab, was in der Kommentarliteratur zu Recht auf deutliche Kritik stieß. Die mündliche Verhandlung über die Stiftungsfinanzierung in Karlsruhe im Oktober 2022 wurde von den Vertretern der etablierten Parteien und Stiftungen als ein Fanal wahrgenommen, mitunter wurden sie von Verfassungsrichter Peter Müller regelrecht ausgelacht. Er ist der Berichterstatter des Gerichts in Prozessen dieser Art. So etwa, als der Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung dem Bundesverfassungsgericht weiszumachen versuchte, die CDU habe rein gar keine Vorteile durch ihre politische Stiftung. Vielmehr werde schon die Existenz der Konrad-Adenauer-Stiftung bei der CDU vielfach als Belastung empfunden.

Dass das Bundesverfassungsgericht dann Ende Februar 2023 urteilte, die Stiftungsfinanzierung müsse durch ein Gesetz geregelt werden und könne nicht einfach „freihändig“ aus dem Bundeshaushalt erfolgen, hat keinen Fachmann überrascht. Bemerkenswert war aber die Feststellung des Gerichts, dass die Nicht-Förderung allein der DES e.V. die AfD-Bundespartei bereits seit 2019 in ihrem Recht auf Gleichbehandlung mit der politischen Konkurrenz verletze. Für die DES e.V. würde dies bedeuten, dass sie Anspruch auf Nachzahlungen ihrer Mittel für 2019, 2020 und 2021 haben müsste. Die Verfahren im Hinblick auf die Jahre 2022 und 2023 wurden aus haushaltsrechtlichen Gründen abgetrennt und sind noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Offensichtlich verfassungswidrig

Und nun gibt es – einschlägig für die Zeit ab 2024 – das durch das Gericht geforderte „Stiftungsfinanzierungsgesetz“. Es musste schon deswegen her, damit die anderen Parteien ihre Stiftungen ab 2024 weiter durch den Bund finanzieren lassen können. Einziger wirklicher Regelungsgehalt des Gesetzes: Alles bleibt, wie es ist, alle Stiftungen bekommen aus dem Bundeshaushalt sehr viel Geld, nur die DES e.V. nicht. Paragraf acht des Gesetzes zählt die bisher und künftig zu begünstigenden Stiftungen auf. Das sind die, die jetzt schon Geld kriegen. Die DES e.V. ist nicht dabei. Es ist also eine Fortsetzung genau der Regelungstechnik, die im Haushaltsplan verfassungswidrig gewesen war.

Das Stiftungsförderungsgesetz ist aus einer Reihe von Gründen geradezu offensichtlich verfassungswidrig:

  • Es handelt sich um ein verbotenes Einzelfallgesetz (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG). Entgegen dem ersten, äußeren Anschein regelt das Gesetz nicht eine unübersehbare Vielzahl von Einzelfällen, sondern hat in der Sache nur den einen Regelungsgehalt: die DES e.V. wird staatlich nicht gefördert, alle mit ihr konkurrierenden Stiftungen schon, wie bisher.
  • Damit verletzt das Gesetz eklatant den Grundsatz der staatlichen Neutralität, das Gleichbehandlungsgebot und das Willkürverbot, v.a. aber den Grundsatz der Chancengleichheit aller politischen Parteien (Art. 21 GG). Entscheidend wichtig ist insofern, dass der Grundsatz der Chancengleichheit nicht der Disposition des einfachen Gesetzgebers unterliegt. Denn es liegt auf der Hand, daß eine „Chancengleichheit“ nichts wert wäre, wenn bereits 51% des Bundestages bis zu 49% des Bundestages durch ein Demokratie-Lenkungsgesetz ihre Chancengleichheit aberkennen könnten. Daher ist es insofern überhaupt kein Argument, zu sagen: „es steht aber so im Gesetz; die Bundestagsmehrheit will es so!“. Ein Anti-Chancengleichheits-Gesetz ist immer verfassungswidrig, auch wenn es mit breiten Mehrheiten beschlossen wird.
  • Das Gesetz widerspricht diametral den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 22. Februar 2023. Denn dort hatte das Gericht die Verfassungswidrigkeit der „Zwei-Legislaturen-Theorie“ festgestellt und einen grundsätzlichen Gleichbehandlungsanspruch bereits ab 2019 bejaht. Das Stiftungsfinanzierungsgesetz erhöht das jetzt auf drei Legislaturperioden. Nur, damit die DES nichts bekommt.
  • An dieser Stelle fällt auf: wenn eine Partei zur Förderungswürdigkeit der ihr nahestehenden Stiftung für drei Legislaturperioden in Folge in Fraktionsstärke dem Bundestag angehört haben muß – dann ist doch auch die der FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung ausgeschlossen, schließlich gehörte die FDP dem Bundestag zwischen 2013 und 2017 nicht an. Eine Phase, die die Naumann-Stifftung nur deswegen überlebtem weil sie weiterhin mit ca. 50 Millionen Euro pro Jahr staatlich gefördert wurde. Irrtum, zugunsten der FDP gibt’s eine Lex Naumann: wurde eine Stiftung schon vorher zwei Legislaturperioden gefördert, dann ist eine fehlende Legislaturperiode unschädlich.
  • Nach dem Gesetz soll die staatliche Förderung einer Stiftung ausgeschlossen sein, wenn „in einer Gesamtschau“ (der juristische Ausdruck für: es gibt keine benennbaren inhaltlichen Kriterien, der Entscheider entscheidet das!) Zweifel daran bestehen, dass sie für die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung „aktiv“ eintritt. Das wirft die Frage auf: quis iudicabit, wer soll das entscheiden? Antwort des Gesetzes (§ 7 Abs. 2): der Bundesinnenminister! Das ist also der Weisheit letzter Schluß: ob die DES e.V. jemals Geld bekommt, das entscheidet allein Nancy Faeser – „in einer Gesamtschau“. Prost!
  • Aber vielleicht muss sie es ja gar nicht entscheiden. Denn wer sagt denn, dass, wenn die Legislaturperiode sich zu neigen beginnt, die Bundestagsmehrheit das Gesetz ändert und aus den drei Legislaturperioden vier macht, und später dann auch noch fünf, eben immer eine mehr, als die AfD-Fraktion aufzuweisen hat? Der Verdacht ist jetzt schon begründet – denn das Gesetz ist ja schon jetzt so gestrickt, dass es als Einzelfallgesetz ausschließlich AfD und DES benachteiligen soll.

Im Übrigen ist das Gesetz handwerklich schlecht gemacht. Nach seinem Wortlaut (§ 2 Abs. 4 Nr. 1) soll die Förderungswürdigkeit dadurch in Frage gestellt werden können, dass „eine in der Vergangenheit liegende Stiftungsarbeit, die nicht der Förderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Gedanken der Völkerverständigung diente“, vorgekommen ist. Nach dem klaren Wortlaut muss also jegliche Handlung der Stiftung in der Vergangenheit sowohl der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als auch dem Gedanken der Völkerverständigung kumulativ gedient haben! Davon einmal abgesehen, dass man sich schon einzelfallbezogen schwer vorstellen kann, wie eine solche Handlung aussehen soll, ist festzuhalten, dass der weitaus größte Teil der Stiftungsarbeit aller bereits geförderten Stiftungen sich thematisch überhaupt nicht auf die Förderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung bezieht, und schon gar nicht gleichzeitig und kumulativ. Sondern man fördert z.B. begabte Studenten oder erklärt Kommunalpolitikern, wie sie die Anträge anderer Gemeinderatsfraktionen abschmettern können.

Nun müssen die bereits geförderten Stiftungen indessen nicht fürchten, aufgrund dieses Kriteriums bald ihre Förderungswürdigkeit loszusein: denn diese wird ja, wie bereits erwähnt, durch Paragraph acht des Gesetzes allgemein festgestellt. Allein die DES e.V soll künftig daran gemessen werden, ob wirklich alles, was sie jemals tat oder unterstützte, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Völkerverständigung gedient hat. Und zwar beides gleichzeitig!


Dr. Ulrich Vosgerau hat die AfD im Verfahren über die Stiftungsfinanzierung vor dem BVerfG vertreten. Auf Anfrage von TE veröffentlicht er hier seine Einschätzung des Stiftungsfinanzierungsgesetzes. 

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