Tichys Einblick
Vorwort zum Sonntag

Wenn Liberale Alternativlosigkeit predigen

Mit dem Ukraine-Krieg ist eine FDP-Politikerin in die erste Reihe der politischen Öffentlichkeit gekommen. Ihre Worte mögen klar sein, doch liberal ist ihr rabiater Diskurs-Stil nicht – und das Denkmuster, auf dem sie beruhen, auch nicht.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist der gegenwärtige „Shootingstar“ der FDP.  Im Zuge der Impfpflichtdebatte und des Ukraine-Kriegs ist sie medienwirksam „in die erste Reihe der Politik“ aufgerückt (Spiegel), Mitglied des FDP-Bundesvorstands und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags. Strack-Zimmermann inszeniert sich selber als „eine Freundin klarer Worte“ und stellt dies auf Twitter fast täglich unter Beweis: 

„Es ist unsere Pflicht, der Ukraine auch schwere Waffen zur Hand zu geben!“ 

„Ich möchte, dass die Ukraine gewinnt. Ich möchte, dass die wertbasierte Ordnung gewinnt.“ 

„Der einzige Kompromiß ist d.vollständige Wiederherstellung territorialer Integrität der Ukraine.“ 

„Eine Zusammenarbeit mit Putin kann und wird es nicht mehr geben. Putin ist ein Kriegsverbrecher.“ 

„Wenn man Putin und seine Mischpoke laufen lässt, dann ist das nicht der letzte Angriff.“ 

Was für kompromisslose Maximalforderungen. Von der Pflicht zu siegversprechenden Lieferungen schwerer Waffen, über die Ablehnung von Friedensverhandlungen mit Putin, bis hin zur indirekten Forderung eines Regime-Wechsels in Moskau ist alles dabei. Die Frau der klaren Worte. 

Für Strack-Zimmermann ist die Lage so klar und eindeutig, dass jeder, der eine andere Meinung vertritt, von ihr abgewatscht wird: Zum offenen Brief von Alice Schwarzer an Bundeskanzler Olaf Scholz, den Prominente mitunterschrieben haben, schreibt sie: „Das können nur Leute sagen, die mit dem Hintern im Warmen sitzen.“ 

Papst Franziskus, der kritisch auf die Rolle der Nato in der Ukraine hingewiesen hat, unterstellt sie mit einem Bibelzitat, dass er nicht nach Gerechtigkeit trachte und dass er nicht den Unterdrückten helfe (Jesaja 1,17). Die Frau der klaren Worte hat selbstverständlich die Bibel glasklar auf ihrer Seite. 

Und Ulrike Guérot, die es doch tatsächlich wagt zu fragen: „Wie viel Leid wollen wir noch hocheskalieren, bis wir endlich Frieden schaffen?“, wird von Strack-Zimmermann mit voller Breitseite niedergebügelt: „Frau Guerot, Professorin auf Abwegen, legt dar, warum es besser ist, Ukraine auszulöschen. Das ist unfassbar widerwärtig. Und so jemand hat Lehrstuhl UniBonn inne und natürlich offenen Brief gezeichnet. Irre.“ 

Ist das die Stimme des Liberalismus, wenn ein politischer Gegner, der eine legitime Meinung vertritt, mit „unfassbar widerwärtig“ und „irre“ gerahmt wird?  Ist das die Stimme des Liberalismus, wenn Andersdenkende, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, in ihrer beruflichen Stellung infrage gestellt werden? 

Doch Strack-Zimmermann ist sicher: „There are currently no alternatives.“ Hier ist es wieder: das Gift der Alternativlosigkeit. Meines Erachtens gibt es nichts, was stärker die Demokratie angreift als die Anmaßung, die eigene Meinung als alternativlos anzusehen. 

Natürlich findet jeder seine eigene Meinung am besten; sonst hätte er ja auch eine andere. Aber das darf niemals dazu führen, dass ich mich gar nicht mehr ernsthaft auf Andersdenkende einlasse. Das ist das kleine Einmaleins einer offenen liberalen Gesellschaft. 

Die Selbstüberschätzung aber setzt sich selber absolut und geht darum zwangsläufig einher mit der gnadenlosen Abwertung und Abstrafung aller Andersdenkenden. Alternativloses Denken, egal ob bei Angela Merkel oder bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ist der Totengräber der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt und ist damit der Wegbereiter hin zu einem neuen Totalitarismus. Wo bleibt der Aufschrei in der vermeintlich freiheitlichen FDP, wenn das Fundament des Liberalismus angegriffen wird? 

Schon bei der Debatte um die allgemeine Impfpflicht hatte sich Strack-Zimmermann als Vertreterin des neuen FDP-Totalitarismus herausgehoben. „Mit meiner Haltung zu einer Impfpflicht habe ich im Übrigen nie hinter dem Berg gehalten.“ Strack-Zimmermann war es, die mit einigen anderen Abgeordneten aus SPD und den Grünen am 7. April die Zwangsimpfung aller Volljährigen mit eigenem Antrag eingebracht hatte. In dieser Selbstüberhebung wollte sie bei diesem noch nicht hinreichend getesteten pharmaindustriellen Produkt alle Abweichler zu ihrer allein seligmachenden „Wahrheit“ nötigen. 

Ist das die „wertebasierte Ordnung“, die nach Strack-Zimmermann in der Ukraine mit deutschen Waffen gewinnen soll gegen einen Autokraten, der seine Meinung wohl auch für alternativlos hält? 

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